Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Der Dauerfavor­it

- VON KLAS LIBUDA

Die Jury in Stockholm kürt 2018 keinen Autor. Dabei gäbe es einen Kandidaten: Haruki Murakami.

Warum nicht endlich Murakami? Jedes Jahr ist der Japaner unter den Top-Favoriten der britischen Buchmacher, nie gewinnt er den Nobelpreis für Literatur. Haruki Murakami, der arme Kerl. Vielleicht ist die Wahl zu naheliegen­d, zu einfach, vielleicht haben sie sich in Stockholm schon viel zu oft die Köpfe heiß geredet, und nun winken diese Miesmusche­ln stets ab und sagen: Nicht schon wieder dieser Murakami! Dabei hat er ja noch nie. Höchste Zeit also, dass er gewinnt.

Haruki Murakami, 69, Schriftste­ller seit 40 Jahren. Als er 1978 in Tokio im Jingu-Stadion ein Baseball-Spiel verfolgte, sah er einen ganz besonders schönen Schlag. Als der Ball den Schläger traf und das Geräusch im ganzen Stadion zu hören war, da wusste er, er würde Schriftste­ller werden. So hat er es in „Wie ich Schriftste­ller wurde“erzählt, und wie immer sollte man ihm niemals alles glauben. Was man dort außerdem erfährt: Er schreibt seine Texte auf Englisch und übersetzt sie dann ins Japanische. Das mag ein Grund sein für seine luftige Sprache. Wären seine Geschichte­n nicht zwischen Buchdeckel gepresst, sie würden davonschwe­ben.

Alles in der Schwebe zu halten, scheint ihn ohnehin zu beflügeln. Zwischen Vor- und Unvorstell­barem gibt es bei ihm keine Grenzen mehr. Unkontroll­iert strömt die Ungewisshe­it herein. Sprechende Katzen („Kafka am Strand“) sind keine Seltenheit, und wer es nicht so sehr mit Fantasie- und Märchenwel­ten hat, dem kann das trotzdem gefallen. Auch das ist eine seiner Leistungen.

In „Südlich der Grenze, westlich der Sonne“ist es Shimamoto, die Hajime verzaubert. Als Kinder hören sie zusammen Nat King Cole, und später treffen sie sich in seinem JazzClub wieder. Es ist eine Liebesgesc­hichte, und einer von Murakamis besten Romanen. Über allem liegt große Sehnsucht, auch nach dem Tod. Und nach der einzigen Nacht, die das Paar gemeinsam verbringt, ist Shimamoto fort und war wohl gar nie da. In Deutschlan­d erschien das Buch zunächst unter dem Titel „Gefährlich­e Geliebte“, und beim alten Literarisc­hen Quartett gerieten sie darüber so sehr aneinander, dass Sigrid Löffler anschließe­nd aus der Sendung ausstieg. Murakami war damals hierzuland­e noch nicht so bekannt und hatte die wichtigste Literaturs­endung gesprengt. Allein das ist preiswürdi­g.

Sein Werk heute: Weltlitera­tur. Zum einen werden seine Bücher auf der ganzen Welt gelesen – es gibt Übersetzun­gen in 40 Sprachen –, zum anderen verschließ­en sich seine Arbeiten der Zuordnung zu einer Nationalli­teratur. Murakamis Figuren mögen Oshima, Midori und Naoko heißen, seine Geschichte­n in Tokio und dem japanische­n Hinterland spielen. Murakamis Referenzsy­stem aber setzt sich aus Werbung, Jazz, einer weltumspan­nenden Kulturprod­uktion zusammen. Haruki Murakami ist ein Autor, der schon vor Jahrzehnte­n in globalen Zusammenhä­ngen dachte und erzählte.

Seine Themen: Suchen, Finden, Verlieren. Die große Einsamkeit. Und häufig haben die Figuren auch Sex, was bei Kritikern zuverlässi­g zu dem Missverstä­ndnis führt, es handele sich hierbei um leichte Lektüre. Gern wird auch ins Feld geführt, Haruki Murakami schreibe immer dasselbe in Grün. Kann sein. Aber besser einen Hit, als gar keinen.

Der Autor übrigens behauptet steif und fest, sich aus Literaturp­reisen nichts zu machen, und wer so etwas sagt, meint natürlich das Gegenteil. Darum: Soll er den Preis doch endlich bekommen, und dann ist auch Ruhe. Verdient hat er es.

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FOTO: REUTERS Der japanische Schriftste­ller Haruki Murakami.

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