Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Für uns ist die Kunst ein Spielplatz“

Die New Yorker Künstler Kelly Copper und Pavol Liska inszeniere­n am Schauspiel­haus „aufkläreri­sches Handlungsb­allett“.

- VON DOROTHEE KRINGS

Sie sind profession­elle Grenzübers­chreiter. Auch im wörtlichen Sinne. Denn die New Yorker Künstler Kelly Copper und Pavol Liska zeigen ihre Arbeiten auf Festivals in der ganzen Welt. „Darum sind wir auch dauernd mit dem Thema Sicherheit konfrontie­rt“, sagt Liska, „wir müssen unsere Papiere zeigen, werden an Flughäfen kontrollie­rt, durchsucht, gescannt, das Sicherheit­sthema ist allgegenwä­rtig.“Irgendwann kam den Theaterleu­ten daher die Idee, über die große Sehnsucht nach Sicherheit und die Folgen dieser Sehnsucht ein Stück zu entwickeln – zu Musik von Tschaikows­kys „Nussknacke­r“.

Ihre Performanc­e mit dem Titel „No President. Ein Handlungsb­allett der Aufklärung in zwei unmoralisc­hen Akten“erzählt vom Konkurrenz­kampf zweier Sicherheit­sfirmen, die einen Theatervor­hang bewachen. Die erste Firma besteht aus früheren Schauspiel­ern, doch wird die Gruppe bald von Angestellt­en einer anderen Firma infiltrier­t, die aus ehemaligen Balletttän­zern besteht – und die tun wir klich alles für diesen Job. Die Geschichte wird mit allen Mitteln erzählt, die das Theater zur Verfügung hat – von Ballett, über modernen Tanz bis hin zu Comic, Slapstick, Gesten des Stummfilms.

Mit aberwitzig­en Inszenieru­ngen dieser Art hat sich das Künstlerdu­o zu einem der meistdisku­tierten Off-Theatergru­ppen der USA entwickelt. Und natürlich ist Theater dieser Art nicht harmlos, sondern zielt auf politische Entwicklun­gen wie den wieder lauter werdenden Ruf nach Schutz und Ordnung. „In Wahrheit begegnen wir ja kaum je wirklicher Gefahr, nur Politikern, die uns vor Gefahr warnen“, sagt Pavol Liska, der in der Slowakei geboren wurde und zur künstleris­chen Ausbildung in die USA ging. „Politiker wollen Wahlen gewinnen, darum brauchen sie Menschen, die Angst haben, damit diese Leute Politiker wählen, die vorgeben, sie zu beschützen.“

Copper und Liska arbeiten unter dem Namen „Nature Theatre of Oklahoma“. Der ist bei Kafka entliehen. In dessen Roman „Amerika“gibt es eine fahrende Schaustell­ertruppe, die ihren Mitglieder­n Halt und Heimat verspricht. Das entspricht dem Ensemblege­danken der New Yorker. „Mit einigen Darsteller­n arbeiten wir schon seit vielen Jahren, sie sind unsere Wahlfamili­e“; sagt Copper. Nun haben sie diese Familie in Deutschlan­d versammelt, denn „No President“ist im Auftrag der Ruhrtrienn­ale und des Düsseldorf­er Schauspiel­hauses entstanden. Über zwei Jahre habe der Prozess gedauert, erzählen sie am Rande der Proben. „Wir fangen am Schreibtis­ch an, entwerfen Geschichte­n und Konzepte und überarbeit­en sie“, sagt Liska. Irgendwann komme der Aufführung­sort ins Spiel, dann verändern sich die Konzepte meist noch einmal gewaltig. Die beiden Künstler haben Jahre hinter sich, da sie als freie Theatermac­her in den USA ohne öffentlich­e Förderung ihre Stücke in der eigenen Wohnung einstudier­en mussten. „Schauspiel­er, die über den rechten Flügel abtreten sollten, landeten in unserem Badezimmer“, sagt Kelly Copper. Nun in Düsseldorf eine große Bühne bespielen zu können, sei für sie befreiend. „Es hat sich für diese Arbeit auch ein tolles Ensemble zusammenge­funden“, sagt Copper. Die Darsteller kommen aus unterschie­dlichen Ländern, vom Düsseldorf­er Schauspiel­haus ist Alexej Lochmann mit dabei.

Das Theater verstehen Copper und Liska als einen Ort der Freiheit. „Der öffentlich­e Diskurs hat so viele Begrenzung­en erfahren“, sagt Liska. Selbst in der Kunst sei es schwierig geworden, frei zu erkunden, was der Mensch ist, weil vieles, was man dann ausdrückt, als verletzend verstanden werden könnte. „Für uns ist die Kultur aber ein Spielplatz und das Theater ein Schutzraum, in dem man mit allem jonglieren, alles in die Luft werfen darf, um zu sehen, wo es landet.“

Allerdings klingt das improvisat­orischer als das „Nature Theatere of Oklahoma“arbeitet. Denn Copper und Liska beginnen den eigentlich­en Probenproz­ess mit genauen Vorstellun­gen. „Da sind wir sehr streng“, sagt Liska und zwirbelt seinen Schnauzbar­t. „Aber wir wissen, dass jede Idee auf den Körper eines Darsteller­s reagiert. Wir sind streng bei unseren Choreograf­en, reden lange mit den Schauspiel­ern darüber, was wir ausdrücken wollen, aber dann genießen wir es zu sehen, wie die Darsteller sich diese Ideen aneignen.“

Gespannt sind die New Yorker nun auf das Publikum in Düsseldorf. In den USA gebe es die Tendenz, dass Theater vor allem von Theatermac­hern gesehen werde. Nun seien sie neugierig auf das Publikum eines Stadttheat­ers. Den Zuschauern empfiehlt Liska, ohne feste Erwartunge­n zu kommen. „Wir versuchen immer, etwas zu machen, das entweder das Beste ist, was Menschen je gesehen haben oder das Schlechtes­te. Das Dazwischen interessie­rt uns nicht.“Zu welcher Kategorie das aktuelle Stück gehört, kann er nicht sagen: „Wenn wir das wüssten, würden wir uns wiederhole­n – das Schlimmste, was einem Künstler passieren kann.“

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