Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
„Für uns ist die Kunst ein Spielplatz“
Die New Yorker Künstler Kelly Copper und Pavol Liska inszenieren am Schauspielhaus „aufklärerisches Handlungsballett“.
Sie sind professionelle Grenzüberschreiter. Auch im wörtlichen Sinne. Denn die New Yorker Künstler Kelly Copper und Pavol Liska zeigen ihre Arbeiten auf Festivals in der ganzen Welt. „Darum sind wir auch dauernd mit dem Thema Sicherheit konfrontiert“, sagt Liska, „wir müssen unsere Papiere zeigen, werden an Flughäfen kontrolliert, durchsucht, gescannt, das Sicherheitsthema ist allgegenwärtig.“Irgendwann kam den Theaterleuten daher die Idee, über die große Sehnsucht nach Sicherheit und die Folgen dieser Sehnsucht ein Stück zu entwickeln – zu Musik von Tschaikowskys „Nussknacker“.
Ihre Performance mit dem Titel „No President. Ein Handlungsballett der Aufklärung in zwei unmoralischen Akten“erzählt vom Konkurrenzkampf zweier Sicherheitsfirmen, die einen Theatervorhang bewachen. Die erste Firma besteht aus früheren Schauspielern, doch wird die Gruppe bald von Angestellten einer anderen Firma infiltriert, die aus ehemaligen Balletttänzern besteht – und die tun wir klich alles für diesen Job. Die Geschichte wird mit allen Mitteln erzählt, die das Theater zur Verfügung hat – von Ballett, über modernen Tanz bis hin zu Comic, Slapstick, Gesten des Stummfilms.
Mit aberwitzigen Inszenierungen dieser Art hat sich das Künstlerduo zu einem der meistdiskutierten Off-Theatergruppen der USA entwickelt. Und natürlich ist Theater dieser Art nicht harmlos, sondern zielt auf politische Entwicklungen wie den wieder lauter werdenden Ruf nach Schutz und Ordnung. „In Wahrheit begegnen wir ja kaum je wirklicher Gefahr, nur Politikern, die uns vor Gefahr warnen“, sagt Pavol Liska, der in der Slowakei geboren wurde und zur künstlerischen Ausbildung in die USA ging. „Politiker wollen Wahlen gewinnen, darum brauchen sie Menschen, die Angst haben, damit diese Leute Politiker wählen, die vorgeben, sie zu beschützen.“
Copper und Liska arbeiten unter dem Namen „Nature Theatre of Oklahoma“. Der ist bei Kafka entliehen. In dessen Roman „Amerika“gibt es eine fahrende Schaustellertruppe, die ihren Mitgliedern Halt und Heimat verspricht. Das entspricht dem Ensemblegedanken der New Yorker. „Mit einigen Darstellern arbeiten wir schon seit vielen Jahren, sie sind unsere Wahlfamilie“; sagt Copper. Nun haben sie diese Familie in Deutschland versammelt, denn „No President“ist im Auftrag der Ruhrtriennale und des Düsseldorfer Schauspielhauses entstanden. Über zwei Jahre habe der Prozess gedauert, erzählen sie am Rande der Proben. „Wir fangen am Schreibtisch an, entwerfen Geschichten und Konzepte und überarbeiten sie“, sagt Liska. Irgendwann komme der Aufführungsort ins Spiel, dann verändern sich die Konzepte meist noch einmal gewaltig. Die beiden Künstler haben Jahre hinter sich, da sie als freie Theatermacher in den USA ohne öffentliche Förderung ihre Stücke in der eigenen Wohnung einstudieren mussten. „Schauspieler, die über den rechten Flügel abtreten sollten, landeten in unserem Badezimmer“, sagt Kelly Copper. Nun in Düsseldorf eine große Bühne bespielen zu können, sei für sie befreiend. „Es hat sich für diese Arbeit auch ein tolles Ensemble zusammengefunden“, sagt Copper. Die Darsteller kommen aus unterschiedlichen Ländern, vom Düsseldorfer Schauspielhaus ist Alexej Lochmann mit dabei.
Das Theater verstehen Copper und Liska als einen Ort der Freiheit. „Der öffentliche Diskurs hat so viele Begrenzungen erfahren“, sagt Liska. Selbst in der Kunst sei es schwierig geworden, frei zu erkunden, was der Mensch ist, weil vieles, was man dann ausdrückt, als verletzend verstanden werden könnte. „Für uns ist die Kultur aber ein Spielplatz und das Theater ein Schutzraum, in dem man mit allem jonglieren, alles in die Luft werfen darf, um zu sehen, wo es landet.“
Allerdings klingt das improvisatorischer als das „Nature Theatere of Oklahoma“arbeitet. Denn Copper und Liska beginnen den eigentlichen Probenprozess mit genauen Vorstellungen. „Da sind wir sehr streng“, sagt Liska und zwirbelt seinen Schnauzbart. „Aber wir wissen, dass jede Idee auf den Körper eines Darstellers reagiert. Wir sind streng bei unseren Choreografen, reden lange mit den Schauspielern darüber, was wir ausdrücken wollen, aber dann genießen wir es zu sehen, wie die Darsteller sich diese Ideen aneignen.“
Gespannt sind die New Yorker nun auf das Publikum in Düsseldorf. In den USA gebe es die Tendenz, dass Theater vor allem von Theatermachern gesehen werde. Nun seien sie neugierig auf das Publikum eines Stadttheaters. Den Zuschauern empfiehlt Liska, ohne feste Erwartungen zu kommen. „Wir versuchen immer, etwas zu machen, das entweder das Beste ist, was Menschen je gesehen haben oder das Schlechteste. Das Dazwischen interessiert uns nicht.“Zu welcher Kategorie das aktuelle Stück gehört, kann er nicht sagen: „Wenn wir das wüssten, würden wir uns wiederholen – das Schlimmste, was einem Künstler passieren kann.“