Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
„Meerbusch braucht kein Gewerbegebiet“
Die UWG-Fraktionsvorsitzende über den Konverter, neue Kooperationsmöglichkeiten und Glyphosat.
Das Kommunalpolitische Praktikum musste zuletzt abgesagt werden, weil nur vier Jugendliche teilnehmen wollten. Haben Meerbuscher Jugendliche kein Interesse an Politik?
Daniela Glasmacher Ich würde eher sagen, die Verwaltung hat versäumt, es publik zu machen. Wir würden uns freuen, wenn diese vier Jugendlichen und natürlich auch alle anderen bei uns vorbeikommen würden. Wir sind als UWG keine Partei, haben keine verkrustete Hierarchie. Bei uns kann man die eigenen Ideen einbringen.
Haben Sie denn sonst keinen Zulauf von Jüngeren?
Glasmacher Doch, wir haben auch 18-jährige Mitglieder, die aber häufig für das Studium Meerbusch verlassen. Das macht es schwierig, politischen Nachwuchs zu bekommen. Hinzukommt, dass die Schüler heute bis 16 Uhr in der Schule sind, dann noch in Vereinen organisiert sind, da wollen sich viele nicht abends noch die Zeit nehmen, um zu Fraktionssitzungen zu kommen.
Wird für die Freizeit Jugendlicher in Meerbusch genug getan?
Glasmacher Wenn wir davon ausgehen, dass das JuCa nicht mehr als Anlaufpunkt da sein wird, brauchen wir Alternativen. Viele Jugendliche sind in Vereinen aktiv, da müssen wir wesentlich mehr unterstützen. Wir sollten Trendsportarten wie Slacklining oder Parcours anbieten. Ehrenamtler machen unheimlich viel in den Vereinen, aber oft fehlen finanzielle Möglichkeiten, um noch mehr anzubieten.
Dafür ist doch auch das Sportstättenentwicklungskonzept gedacht, um in diesem Bereich herauszufinden, was gebraucht wird. Glasmacher Genau, und das muss wirklich zügig umgesetzt werden. Die Sparte Leichtathletik halten wir für sehr förderungswürdig. Es ist zum Beispiel dringend erforderlich, dass Osterath eine Tartanbahn bekommt. Den Skaterpark halte ich für eine gute Idee, ich kann mir auch einen Bikerpark vorstellen. Wir dürfen Sportarten nicht nur einseitig fördern. Die Sparte Fußball hat in letzter Zeit sehr viel Aufmerksamkeit von den Ausschüssen bekommen. Jetzt sind sicherlich Leichtathletik und andere Sportarten dran.
Welche Beschlüsse haben Sie in diesem Jahr bisher begrüßt?
Glasmacher Der Bürgerantrag der Lanker, dass die Fluglärmbelastung überprüft werden soll, ist durchgekommen. Es gab 1000 Unterschriften und wir als UWG waren sehr verwundert, dass die Verwaltung in der Beschlussvorlage empfohlen hat, diesem berechtigten Anliegen der Bürger nicht zu entsprechen. Dieser Verwaltungsvorschlag wurde aber abgelehnt, das bedeutet für uns, dass der Bürgerantrag durchgekommen ist. Und das sehen auch die Grünen so. Das wird sicherlich noch mal Diskussionen geben.
Die Grünen haben vor der Sommerpause die Kooperation mit der CDU gekündigt. Hat Sie das überrascht?
Glasmacher Nein, ich habe mich eher gewundert, dass die Kooperation so lange gehalten hat. Die Grünen mussten es schon seit Monaten leid sein, ständig als Stimmengeber herzuhalten für Beschlüsse, die nicht ihrer Ideologie entsprechen konnten. Jetzt haben sie die Chance, ihr eigenes Profil zu schärfen.
Hoffen Sie auf eine stärkere Zusammenarbeit bei ökologischen Themen?
Glasmacher Ja, ich denke, dass wir die Grünen als Kooperationspartner für Ökologiethemen definitiv gewinnen können. Wir werden das Thema Glyphosat wieder aufgreifen und den Antrag erneut stellen, darauf zu verzichten. Dabei mussten wir mit Verwunderung feststellen, dass der CDU und der SPD der Schutz der Menschen nicht so wichtig ist, da sie miteinander kooperiert haben und damit dafür gesorgt haben, dass Glyphosat auf unseren Flächen weiterhin verwendet wird. Aber das kann man den Verbrauchern nicht zumuten.
Wie sieht es beim Thema Konverter aus – wie ist Ihre Stimmung?
Glasmacher Die Stimmung ist schon sehr deprimiert. Ich finde, der Abstand zur Wohnbebauung müsste erste Priorität haben und die gesundheitlichen Folgen, wenn man in der Nähe eines Stromkonverters wohnt, sind noch gar nicht erwiesen. Da wird es ein Dauerbrummen geben, und die Dezibelzahl, die Amprion angibt, ist auch nach mehrfacher Nachfrage nur vage.
Was haben Sie als UWG getan, um den Standort Osterath zu verhindern?
Glasmacher Wir haben mitgekämpft, wir haben Peter Altmaier und Armin Laschet angeschrieben, und von beiden Büros keine Antwort bekommen. Gerade von Herrn Altmaier hätte ich mehr erwartet, nämlich, dass er auf seiner „Tour de Strom“sich die Probleme der Meerbuscher anhört. Von Landrat Hans-Jürgen Petrauschke bin ich ebenso enttäuscht, der im Regionalrat die Weichen so gestellt hat, dass Osterath den Konverter vor die Haustür gestellt bekommen kann.
Was kann dann jetzt noch getan werden?
Glasmacher Die Verwaltung hat ja einen Anwalt eingeschaltet, der sicherlich noch mal alle Gutachten prüfen wird. Die Fraktionen haben sehr viel Arbeit geleistet. Ich sehe politisch von den Fraktionen aus nicht mehr viele Möglichkeiten, hier einzugreifen.
Anderes Thema: Der Umbau des Forums Wasserturm für 600.000 Euro wurde beschlossen, die UWG hat sich enthalten. Waren Sie befangen, weil der Entwurf von einem sachkundigen Bürger der UWG kam?
Glasmacher In der Fraktion haben wir lange über die Kosten der Außensanierung gesprochen und die sind in der Tat sehr hoch. Es gab dazu aber intern auch unterschiedliche Meinungen. Wir finden, dass die Kultur in Meerbusch einen hohen Stellenwert haben soll und dass die Sanierung notwendig ist, steht außer Frage. Aber wir hätten uns schon gewünscht, dass es günstiger ausgefallen wäre. Aber es wäre noch teurer, wenn wir es auf die lange Bank geschoben hätten. Und wir finden, dass auch im Inneren etwas getan werden muss.
Wäre es dann nicht besser gewesen, wenn es noch Alternativvorschläge zu dem von Herrn Schmoll gegeben hätte?
Glasmacher Das kann ich nicht beurteilen, Auftraggeber war die Verwaltung und es ist gang und gäbe, dass Gewerbetreibende Aufträge von der Stadt erhalten. Das kann einem Architekten nicht verwehrt bleiben, nur weil er sachkundiger Bürger in einer Fraktion ist. Ich weiß aber, dass es für Herrn Schmoll eine Herzensangelegenheit ist, das Forum Wasserturm mit wertigen Materialen verschönern zu dürfen. Ich hoffe, dass der Wasserturm außen und innen wieder eine tolle Kulturstätte wird.
Sie haben eben schon die Innensanierung angesprochen. Wann soll die kommen?
Glasmacher Da müssen wir jetzt in die Diskussion gehen, um auch etwas für die Künstler und das Publikum im Innenbereich zu tun. Wir freuen uns auf die Diskussion mit den anderen Fraktionen zu diesem Thema.
Vor kurzem wurde das Interkommunale Gewerbegebiet mit Krefeld beschlossen. Die UWG war dagegen – warum?
Glasmacher Wir finden es sehr kritisch, mit Krefeld zusammenzuarbeiten. Von der Krefelder Mühle gehen 225 Lkw-Bewegungen pro Tag aus, durch das Tankgaslager werden 120 Lkw pro Tag dazukommen. Wenn die alle durch Meerbusch fahren, haben wir noch viel mehr Lkw-Verkehr. Städte wie Krefeld und Düsseldorf brauchen Gewerbegebiete, um Lärm-Immission und Dreck dorthin zu verlagern. Aus unserer Sicht brauchen wir das in Meerbusch aber aber nicht, denn wir sind eine der einkommensstärksten Gemeinden, hier in NRW sind wir auf Platz drei. Wir leben nicht von Gewerbesteuer, wir leben von Einwohnern, die es präferieren, in einem grünen und lärmarmen Umfeld zu leben – und eben nicht Lärm und Dreck vor der Haustür zu haben.
Sehen Sie keinerlei Vorteile durch neue Unternehmen?
Glasmacher Nein, denn jetzt sagen natürlich alle, wir wollen nicht, dass sich Industrie- oder Logistikunternehmen dort ansiedeln. Aber wir sehen die Gefahr, dass es eben doch so kommt, wenn man diese Gebiete nicht anders verkauft bekommt. Und wir befürchten, dass wir mit Krefeld eine Planung eingehen, wo wir wenig Einfluss haben werden. Außerdem werden wertvolle Naherholungsgebiete zugepflastert. Dabei sollten wir mehr für die Umwelt tun.
Wo sehen Sie Bedarf?
Glasmacher Wir wollen eine Baumschutzsatzung beantragen. Experten sagen, dass wir weiterhin heiße Sommer haben werden. Und da ist es ganz wichtig, dass mehr Bäume gepflanzt werden, zum Beispiel wegen der Feinstaubbelastung und für den Feuchtigkeitsaustausch. Bäume können für uns ein Schutz sein. Wir hoffen, dass wir dafür in den Grünen einen Kooperationspartner finden.
In Meerbusch sollen nicht nur Gewerbegebiete entwickelt werden, sondern auch Baugebiete. Der Kamper Weg ist ein großes Thema, auch dort ist die UWG skeptisch. Glasmacher Das A und O ist, dass wir ein Verkehrsplanungskonzept brauchen, um zu sehen, wie wir den Verkehr steuern können. Denn Menschen, die sich ansiedeln, brauchen einen Weg nach Düsseldorf und das bedeutet mehr Pendlerverkehr. Die Hauptverkehrsstraßen sind jetzt schon ohne Ende belastet.
TANJA KARRASCH FÜHRTE DAS INTERVIEW.