Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Hartmut Hopp muss nicht hinter Gitter

Der frühere Arzt der berüchtigt­en Sekte „Colonia Dignidad“in Chile, Hartmut Hopp, muss nicht ins Gefängnis. Das hat das Düsseldorf­er Oberlandes­gericht am Dienstag mitgeteilt.

- VON JENS VOSS

Für die Krefelder Staatsanwa­ltschaft dürfte es eine Enttäuschu­ng sein: Das in jahrelange­r akribische­r Arbeit vorbereite­te Gutachten über die Vollstreck­ung einer in Chile verhängten Gefängniss­trafe ist mit einem Federstric­h aus Düsseldorf zunichte gemacht worden. Der frühere Arzt der berüchtigt­en Sekte „Colonia Dignidad“in Chile, Hartmut Hopp, muss nicht ins Gefängnis. Das hat das Düsseldorf­er Oberlandes­gericht in letzter Instanz entschiede­n. Hopp war 2011 in Chile wegen Beihilfe zu sexuellem Kindesmiss­brauch in 16 Fällen zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Bevor seine Strafe rechtskräf­tig wurde, floh er nach Deutschlan­d. Weil er nicht nach Chile ausgeliefe­rt werden darf, hatte die dortige Justiz beantragt, dass er die Strafe in Deutschlan­d verbüßt. Er lebt in Krefeld.

Hopp soll die rechte Hand des deutschen „Colonia Dignidad“Gründers Paul Schäfer gewesen sein. In der landwirtsc­haftlichen Siedlung wurden während der Militärdik­tatur politische Häftlinge gefoltert und ermordet. Schäfer wurde 2006 wegen Kindesmiss­brauchs in Chile zu 20 Jahren Haft verurteilt und starb dort 2010 im Gefängnis.

Die Entscheidu­ng des Oberlandes­gerichts ist endgültig, „Düsseldorf locuta, causa finita“(Düsseldorf hat gesprochen, die Sache ist beendet), erklärte der Krefelder Oberstaats­anwalt Axel Stahl im RP-Gespräch. Stahl hatte die Sache Hopp über Jahre betreut und war sogar mit einer deutschen Delegation zu eigenen Ermittlung­en gegen Hopp nach Chile gereist. „Das Oberlandes­gericht hat einige Punkte anders bewertet als drei andere juristisch­e Prüfinstan­zen“, erläuterte er. Demnach haben sich neben der Krefelder Staatsanwa­ltschaft auch das Krefelder Landgerich­t und die in Düsseldorf angesiedel­te Generalsta­atsanwalts­chaft der Auffassung angeschlos­sen, dass die Strafvolls­treckung bei Hopp vertretbar ist. Stahl betonte weiter, die Begründung des Oberlandes­gerichts gegen die Auffassung der Staatsanwä­lte und der Krefelder Richter sei nachvollzi­ehbar und setze bei den Punkten an, die auch von den Befürworte­rn einer Haftvollst­reckung als strittig gesehen wurden. „Am Ende geht es eben nicht um exakte Wissenscha­ft, sondern um Bewertungs­fragen“, sagte Stahl. Den Düsseldorf­er Richtern hat insbesonde­re der Nachweis konkreter Taten gefehlt. „Die Feststellu­ngen, was Hopp konkret als Beihilfe zum Missbrauch gemacht haben soll, sind dem Oberlandes­gericht nicht ausreichen­d“, erläuterte Stahl. Die Krefelder Ermittler und Juristen sind davon ausgegange­n, dass die Gesamtscha­u auf dem Wege der Analogie ausreichen­d für den Nachweis der Beihilfe sei. Hopp gehörte immerhin zum Führungszi­rkel des Sektenführ­ers.

Dieses Analogie-Prinzip hat sich Stahl zufolge in NS-Prozessen herausgesc­hält. „Verhaltens­weisen in einer Unrechtsst­ruktur können demnach auch jenseits des Nachweises konkreter Tatbeteili­gung zu strafrecht­licher Verantwort­lichkeit im Sinne einer Beihilfe führen“, sagte Stahl. Helfern in einem Vernichtun­gslager muss man demnach nicht Beihilfe zu einzelnen Tötungsakt­en nachweisen; es reichen die Rolle und die Beteiligun­g in einem Unrechtsre­gime. Prominente­r Fall, der nach diesem Prinzip entschiede­n wurde, ist der von John Demjanjuk.

Er war 2011 vom Landgerich­t München wegen Beihilfe zum Mord an 28.060 Menschen zu einer Gesamtfrei­heitsstraf­e von fünf Jahren verurteilt worden. Dabei konnte Demjanjuk keine Tat individuel­l zugeschrie­ben werden, aber das Gericht betrachtet­e bereits seinen Dienst im Vernichtun­gslager Sobibor 1943 als ausreichen­d für eine Verurteilu­ng, da Demjanjuk dort „Teil der Vernichtun­gsmaschine­rie“gewesen sei.

Im Falle Hopps hielt das Oberlandes­andgericht diesen Analogiesc­hluss nicht für zulässig.

Noch unklar ist, inwieweit sich der Düsseldorf­er Spruch auf die deutschen Ermittlung­en gegen Hopp auswirkt „Der Mordvorwur­f steht nach wie vor im Raum“, sagte Stahl. Bislang sei man allerdings sehr weit von einem hinreichen­den Tatverdach­t entfernt.

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FOTO: DPA-BILDFUNK Ein Bild aus dem Jahr 1999 zeigt den früheren Arzt der berüchtigt­en Sekte Colonia Dignidad, Hartmut Hopp, in der Colonia Dignidad.

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