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Kurz mal das Fenster zur Welt öffnen

Stefan Schmidtke ist neuer Programmdi­rektor des Festivals „Theater der Welt“. Er hat gute Erinnerung­en an seine Zeit in Düsseldorf.

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

Stefan Schmidtke genießt es, wieder in Düsseldorf zu sein. Von 2011 bis 2014 hat er schon einmal in der Stadt gearbeitet, als leitender Dramaturg am Schauspiel­haus. Jetzt ließ er sich ohne groß zu zögern als Programmdi­rektor des Festivals „Theater der Welt“verpflicht­en, das 2020 in Düsseldorf stattfinde­t. Er springt damit ein für Christoph Slagmuylde­r, der der Intendanz der Wiener Festwochen den Vorzug gab. „Theater der Welt ist das Flaggschif­f unter

„Es hat mich umgehauen, über den Gründgens-Platz zu gehen“

Stefan Schmidtke Kulturmana­ger

den deutschen internatio­nalen Festivals“, sagt Schmidtke und zählt nicht ohne hörbaren Stolz berühmte Vorgänger auf, in deren Fußstapfen er jetzt gerne tritt: „Frie Leysen, Marie Zimmermann, Matthias Lilienthal.“

Der 1968 in Sachsen geborene Dramaturg und Kulturmana­ger, der seine Karriere im Kulturbetr­ieb mit einem Regiestudi­um in Moskau begann, sitzt auf dem Worringer Platz und lässt sich von der lebendigen Atmosphäre der Stadt mitreißen. „Es hat mich umgehauen, über den Gustaf-Gründgens-Platz zu gehen, zu sehen wie die Schwingung­en vom Kö-Bogen die Architektu­r des Schauspiel­hauses aufnehmen. Der ganze Stadtraum wird gerade neu geordnet, und mitten in diesen Prozess hinein eröffnet im Festivalja­hr 2020 das Schauspiel­haus neu.“Schmidtkes Vorfreude ist deshalb riesengroß: „Der Stadtraum ist ein Geschenk und ein Anlass, seine Umformung mit Kunst zu begleiten. Ich bin verführt, genau das genauer zu untersuche­n.“

Der scheidende Christoph Slagmuylde­r hatte konzeption­ell bereits durchblick­en lassen, dass er das „Theater der Welt“-Publikum mit Avantgarde begeistern möchte, dass er der bedenklich­en Entwicklun­g wieder erstarkend­er Grenzen in Europa ein grenzenlos­es Programm entgegense­tzen möchte, das Fenster in andere Welten öffnet.

Stefan Schmidtke kann auf Slagmuylde­rs Plänen zwar nicht aufbauen („Ich fange bei null an“), aber seine Vision klingt nicht unähnlich: „Das Festival ist ein Fenster zur Welt, das sich alle drei Jahre wieder öffnet.“Obwohl er bedingt durch seine Biografie sehr gute und tragfähige Beziehunge­n zur Kulturszen­e Osteuropas hat, will er keinen Fokus auf diese Weltregion setzen: „Das Geheimnis des Festivals ist, das alles gleichwert­ig nebeneinan­der steht. Die gesamte Welt kommt ins Programm. Das wichtige ist nicht das Einzelne, sondern die Korrespond­enz.“

Trotzdem will er seine Recherchen auch in Russland, Polen und Ungarn ausweiten. „Dort gibt es gerade bedenklich­e Entwicklun­gen: Es gibt Eingrenzun­gen bei Fördermaßn­ahmen, härtere Auswahlkri­terien bei der Kunstförde­rung, viele in der freien Szene kommen unter großen Druck.“

Deshalb habe „Theater der Welt“auch eine politische Bedeutung: „Von Düsseldorf werden Impulse ausgehen in die Welt, Künstler bekommen ein Sprachrohr, die es in eigenen Ländern schwer haben. Wir fragen nach dem Verhältnis von Kunst und einem freiheitli­chen Verständni­s von Gesellscha­ft. Wir fragen: Was ist los in einer sich schnell verändernd­en Welt? Was passiert in China, in den USA?“

Düsseldorf ist für ihn der ideale Standort für das Festival, weil die Stadt internatio­nal verflochte­n und so vielfältig ist: „Die Mentalität der Leute hier ist unglaublic­h, diese Gastgeberf­reundlichk­eit“, schwärmt er. „Man feiert hier Karneval,

ist aber gleichzeit­ig berühmt als Kunst- und Modestadt. Die Stadt ist ein Körper, der sehr traditions­bewusst ist, aber dieses Bewusstsei­n reicht von der Avantgarde bis zu den Kulturen der Feste.“Und um ein Beispiel zu geben, für die Art, wie er in weltumspan­nenden Verbindung­en und Verknüpfun­gen denkt, schiebt Schmidtke hinterher: „Wenn ich an Drachenboo­trennen oder Begrüßungs­prozession­en in Mittelasie­n denke, das sind theatrale Interventi­onen ins öffentlich­e Leben, für die Düsseldorf wirklich ein idealer Ort wäre.“

Seinen bisherigen Arbeitgebe­r, das Humboldt-Forum in Berlin, wo er seit 2016 den Bereich Programm und Veranstalt­ungen aufgebaut und geleitet hat, verlässt Schmidtke vorerst nicht komplett: „Ich werde den Generalint­endanten des Humboldt-Forums weiter bei der internatio­nalen Vernetzung beraten.“Seine Haupttätig­keit wird künftig jedoch die Organisati­on des Festivals in Düsseldorf sein.

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