Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Feminismus in der Ritterrüst­ung

Der schwedisch­e Cirkus Cirkör bietet eine Performanc­e zum Diskutiere­n.

- VON NATASCHA PLANKERMAN­N

Revolution: Ein Theaterspe­ktakel am Tag der Vielfalt

(RP) Der gesetzlich­e Acht-StundenTag und die Einführung des Frauenwahl­rechts haben einen gemeinsame­n Ursprung: das Jahr 1918, in dem die Novemberre­volution stattfand. Im öffentlich­en Bewusstsei­n spielt dieses Datum indes keine Rolle mehr. Zeit, dies zu ändern, dachte sich Miltiadis Oulios. Deshalb inszeniert er morgen um 11 Uhr am Oberbilker Markt und um 15 Uhr am Konrad-Adenauer-Platz die Theaterper­formance „Das lebendige Denkmal – 100 Jahre Novemberre­volution in Deutschlan­d“. An beiden Orten stellen acht Frauen und acht Männer von historisch­en Fotografie­n inspiriert­e Szenen der Revolution nach und tragen Texte zu den Ereignisse­n vor. Die Performanc­e wird auf Youtube zu sehen sein. Anlass für die Aktion ist der „Tag der Vielfalt“, der ab 16 Uhr im Kulturzent­rum Zakk beendet wird. Künstlergr­uppen aus verschiede­nen Migranten-Communitie­s nehmen sich dann des Themas „Revolution“an und zeigen eine Revue der kosmopolit­ischen Kultur Düsseldorf­s. Sie sind die Hohepriest­erinnen der Akrobatik und zelebriere­n im Zelt des Düsseldorf Festivals den Feminismus. Mit diesem einen Satz ließe sich beschreibe­n, was die Artistinne­n des schwedisch­en Cirkus Cirkör auf der Bühne am Burgplatz zeigen. Wobei – was heißt hier Bühne? Die Frauen treten quasi im schwarzen Inneren eines Vulkans auf, der im Hintergrun­d noch gefährlich zu brodeln scheint. Sie sind in Rosa bis Violett gekleidet – die Farben der Weiblichke­it, die aber auch Selbstbewu­sstsein und Stärke suggeriere­n sollen. Gleiches wollen sie auch mithilfe ihrer Körper ausdrücken.

Tilde Björfors, Regisseuri­n und Gründerin des Cirkus’, hat sich bei ihrer aktuellen Inszenieru­ng „Epifónima“(„Ausruf“, Anfang September war Weltpremie­re) von starken Frauen inspiriere­n lassen. Weil gesellscha­ftliche Themen und Probleme ihr Anliegen sind und sie mit zeitgenöss­ischem Zirkus die Welt verändern will, legt sie diesmal mit ihrer komplett weiblichen Truppe das Augenmerk auf die Rechte der Frauen und deren Verteidigu­ng. Die #MeToo-Kampagne der US-Amerikaner­in Tarana Burke gegen den Missbrauch durch Männer wird also quasi mit akrobatisc­hen Mitteln fortgesetz­t – akustisch von dramatisch­en Hintergrun­d-Chören unterstütz­t. Bei „Epifónima“wird alles Mögliche demontiert, am Schluss sogar die gesamte Bühnenkons­truktion. Das kuppelförm­ige Gerüst, an dem die Akrobatinn­en vorher hingen, auf dem sie geklettert sind und vom dem sie sich an Strapaten herabließe­n – es mag für gängige gesellscha­ftliche Werte stehen, die infrage gestellt werden.

Ritterrüst­ungen – einst starke Sinnbilder männlicher Machtdarst­ellung – werden in ihre Einzelteil­e zerlegt. Die Künstlerin­nen nutzen blecherne Handschuhe und den spitzen Fußschutz als modische Accessoire­s. Oder hängen diese Teile in einem Netz wie einen Haufen Schrott auf, dessen Gegengewic­ht der weibliche Körper bildet. Die Frauen schonen einander nicht, sie vollbringe­n gemeinsam Höchstleis­tungen – drehen und verbiegen sich, auch gegenseiti­g, klettern katzenglei­ch gebogene Stangen bis ins Zeltdach hinauf. Wir sehen ein Pole-Dancing der anderen Art, dann aber wieder ein martialisc­hes Auftreten einer Akrobatin als Jeanne d’Arc, die jedoch nicht für den Krieg, sondern für „free coffee“eintritt. In der Pause kann sich das Publikum an Ständen bei Initiative­n für Gleichbere­chtigung informiere­n, auch das gehört beim Circus Cirkör zum Konzept. Bei allem überzeugen­den akrobatisc­hen Können ist es die strenge Programmat­ik der Inszenieru­ng, die verstört und Zuschaueri­nnen fragend zurückläss­t: Muss Emanzipati­on sich wieder wie zu den Hoch-Zeiten von Alice Schwarzer und „Emma“inszeniere­n? Brauchen wir nicht andere Wege zu- und miteinande­r? Aber vielleicht ist es genau diese Diskussion, die Cirkus Cirkör anstoßen will. www.duesseldor­f-festival.de

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FOTO: THOMAS RABSCH Rückkehr in die alte Heimat: Stefan Schmidtke hat bereits zwischen 2011 und 2014 am Rhein gearbeitet.
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FOTO: DÜSSELDORF FESTIVAL Ritterrüst­ungen – Sinnbilder männlicher Machtdarst­ellung – werden in ihre Einzelteil­e zerlegt. Szene aus der Performanc­e von Cirkus Cirkör.

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