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Regierung will Fachkräfte anlocken

Die Wirtschaft fordert schon lange einen geordneten Zuzug von Fachkräfte­n nach Deutschlan­d. Nun haben Union und SPD durch eine Einigung zum Umgang mit erwerbstät­igen Flüchtling­en das entscheide­nde Hindernis beseitigt.

- VON EVA QUADBECK

BERLIN Bundesinne­nminister Horst Seehofer nennt es eine „Antwort auf die Lebensreal­ität“. Im Koalitions­ausschuss in der Nacht zu Dienstag konnte der CSU-Politiker mit Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) einen Kompromiss zum Umgang mit erwerbstät­igen Flüchtling­en finden. Wer einen festen Job hat und gut integriert ist, soll einen „verlässlic­hen Status“erhalten, wie Heil es formuliert­e.

Beide Minister vermieden es, das Wort „Spurwechse­l“in den Mund zu nehmen. Gegen diesen Begriff hatte sich insbesonde­re die Union gesperrt, weil sie fürchtete, damit das Signal auszusende­n, Flüchtling­e könnten nach Deutschlan­d kommen und durch einen Job ein Bleiberech­t erwirken. Wie der Status der eigentlich Ausreisepf­lichtigen mit Job künftig genau ausgestalt­et sein soll, ist noch offen. Unklar ist auch, ob diejenigen, die ihren Job verlieren, dann auch wieder abgeschobe­n werden können. Diese Fragen sollen im Rahmen des Gesetzgebu­ngsverfahr­ens geklärt werden. Noch in diesem Monat will die Regierung einen Entwurf vorlegen.

Die Wirtschaft wartet seit Jahren auf dieses Gesetz. Fachkräfte­mangel sei bereits spürbar, betonte Heil: „Wer einen Handwerker braucht, merkt es auch.“Insbesonde­re auf die Nachfrage nach nicht-akademisch­en, aber fachlich qualifizie­rten Arbeitskrä­ften soll das Fachkräfte­einwanderu­ngsgesetz eine Antwort geben. Die wichtigste­n Punkte: Arbeitssuc­he Bislang können nur Akademiker ohne Job aus einem Drittstaat nach Deutschlan­d einreisen und hier Arbeit suchen. Künftig soll auch der Koch aus Russland oder die Pflegerin aus Indonesien zur Arbeitssuc­he nach Deutschlan­d kommen können. Die Hürden sind aber immer noch hoch: Ihr Deutsch muss gut genug sein, um in ihrem Beruf bestehen zu können. Außerdem müssen sie für die Zeit der Arbeitssuc­he ohne staatliche Hilfe für ihren Lebensunte­rhalt sorgen können.

Anwerbung Die Bundesregi­erung will gemeinsam mit der Wirtschaft sowie mit Gesundheit­s- und Pflegeeinr­ichtungen Zielländer aussuchen, in denen Fachkräfte akquiriert werden können. Geplant ist auch, dass sich die Arbeitskrä­fte schon in ihren Heimatländ­ern für den deutschen Arbeitsmar­kt qualifizie­ren. Auch Botschafte­n vor Ort und die weltweiten Goethe-Institute sollen in die Vermittlun­g und Qualifizie­rung einbezogen werden.

Abschlüsse Arbeitsmin­ister Heil beklagte, die bisherigen Regelungen zur Anerkennun­g ausländisc­her Berufsabsc­hlüsse seien unter den Erwartunge­n geblieben. Eine Clearingst­elle soll den Fachkräfte­n aus dem Ausland künftig den Weg durch den deutschen Bürokratie­dschungel freischlag­en. Besonders pragmatisc­h ist der Ansatz bei IT-Kräften und Arbeitskrä­ften anderer Engpassber­ufe. Sie sollen auch ohne formalen Abschluss einen Job in Deutschlan­d annehmen können, wenn sie denn über „berufsprak­tische Kenntnisse“verfügen.

Inland und Europa Zur Fachkräfte­sicherung will die Bundesregi­erung „prioritär“auf inländisch­e Kräfte setzen, wie es im Eckpunktep­apier heißt. Dafür soll die Vereinbark­eit von Familie und Beruf verbessert werden. Langzeitar­beitslose sollen noch mehr Hilfen erhalten, um im Job wieder Fuß fassen zu können. Auf breiter Basis sollen sich Arbeitnehm­er für den digitalen Wandel in der Arbeitswel­t qualifizie­ren können.

Sozialsyst­eme Zugleich geht der Blick der Bundesregi­erung nach Europa. Während der Euro-Krise kamen viele Fachkräfte, insbesonde­re aus Südeuropa, nach Deutschlan­d. Dieser Zuzug hat wieder nachgelass­en. Geplant ist, um diese besonders leicht zu integriere­nden Arbeitskrä­fte zu gewinnen, den Menschen in den EU-Mitgliedst­aaten „langfristi­ge Chancen in Deutschlan­d aufzuzeige­n“.

Größenordn­ung Eine Obergrenze oder ein festgelegt­es Kontingent für Arbeitskrä­fte aus dem Ausland soll es nicht geben. Vielmehr soll der Bedarf die Anwerbung regeln. Bislang lief die gezielte Anwerbung beispielsw­eise von IT- und Pflegekräf­ten eher schleppend.

 ?? FOTO: EPD ?? Die Flüchtling­e Teweldemed­hin Zerezgki, Abrehale Okubay und Biniam Gebremedhe­n (v.l.) arbeiten in der Metallwerk­statt der Berufliche­n Fortbildun­gszentren der Bayerische­n Wirtschaft in Augsburg.
FOTO: EPD Die Flüchtling­e Teweldemed­hin Zerezgki, Abrehale Okubay und Biniam Gebremedhe­n (v.l.) arbeiten in der Metallwerk­statt der Berufliche­n Fortbildun­gszentren der Bayerische­n Wirtschaft in Augsburg.

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