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„Im Silicon Valley ist nicht alles besser“

Die Vize-Chefin der IG Metall über die Rolle der Gewerkscha­ft in der neuen Arbeitswel­t.

- FLORIAN RINKE STELLTE DIE FRAGEN.

KÖLN Es hätte keinen besseren Ort für die Konferenz der IG Metall gegeben können als die Hallen der Ford-Werke in Köln: Henry Fordrevolu­tionierte vor knapp 100 Jahren mit der Einführung der Fließbandf­ertigung die Autoindust­rie. Durch Künstliche Intelligen­z steht nun der nächste Wandel bevor. Darüber sprachen wir mit Christiane Benner, Vize-Chefin der IG Metall.

Frau Benner, Sie tragen eine Apple-Watch? Sind die IT-Konzerne nicht der Feind der deutschen Industrie?

Benner Was die in Cupertino mit meinen Daten machen, weiß ich leider nicht. Aber ich achte sehr auf meine tägliche Bewegung. Da hilft die Uhr tatsächlic­h sehr.

Es ist doch fasziniere­nd und erschrecke­nd zugleich, wie solche Geräte uns psychologi­sch beeinfluss­en. Benner Total. Als ich allerdings im Juni im Silicon Valley war und mit Experten für Künstliche Intelligen­z gesprochen habe, war ich doch geschockt, weil dort jegliche gesellscha­ftliche Verantwort­ung ausgeklamm­ert wurde. Die haben uns Deutsche wegen unseres Datenschut­zes nur belächelt.

Tun wir Deutsche uns deshalb schwerer mit der Digitalisi­erung?

Benner Es ist ja nicht so, dass im Silicon Valley alles besser wäre. Wir haben uns auch mit Gewerkscha­ftern getroffen – Mitbestimm­ung ist dort ein Fremdwort. Das hat mir nochmal gezeigt, was wir an unserer Sozialpart­nerschaft haben. Umso wichtiger ist es, dass wir unsere Position nutzen, um die Digitalisi­erung wirklich mit zu gestalten.

Weil Künstliche Intelligen­z reihenweis­e Jobs vernichten wird, wie einige

Studien voraussage­n?

Benner Das ist Quatsch. Ich teile keines dieser Szenarien, in denen von Millionen weniger Jobs die Rede ist. Der Wandel ist nicht statisch, sondern gestaltbar. Aber es ist auch klar, dass nicht alle Jobs so bestehen bleiben und dass es zu Verschiebu­ngen kommt. Wir versuchen deshalb sehr genau zu gucken, wie die Digitalisi­erung in den Unternehme­n einschlägt – und wen sie treffen könnte.

Wie gehen Sie da vor?

Benner Wir arbeiten an einem Betriebsat­las, um eine bundesweit­e Landkarte zu erstellen. Da geht es um Fragen, wo bereits Digitalisi­erung und KI eingesetzt wird, wo Maschinen vernetzt oder Bots eingesetzt werden – und wie in diesen Bereichen das Qualifikat­ionsniveau der Beschäftig­ten ist.

Fürchten Sie, dass am Ende die Frage entscheide­nd sein wird, ob jemand bei einem großen Arbeitgebe­r beschäftig­t ist oder eher bei einem kleinen? Viele kleinere Unternehme­n hinken ja bei der Digitalisi­erung hinterher.

Benner Von der Tendenz her ist das richtig, dass wir gerade in den kleineren und mittleren Unternehme­n gucken müssen, wie sie ihren Platz in der Wertschöpf­ungskette verteidige­n können. Der Mittelstan­d ist das Rückgrat unserer Wirtschaft, in dem die meisten Beschäftig­ten arbeiten. Deswegen ist es auch so wichtig, dass die Betriebsrä­te die Unternehme­n fordern und immer wieder nachhaken. Vielleicht kann die Buchhalter­in ja zur Community-Managerin weiterqual­ifiziert werden oder Daten analysiere­n. Es entstehen neue Felder, und es wird eher mehr Bedarf geben.

Selbst wenn das alles möglich wäre, wird die Frage sein, ob die Zeit ausreicht, um Mitarbeite­r für andere Aufgaben zu qualifizie­ren – immerhin wandelt sich die Wirtschaft durch die Digitalisi­erung rasant. Benner Die Heterogeni­tät ist allerdings auch enorm. Wir haben einige Unternehme­n aus dem Wissensber­eich, wo Künstliche Intelligen­z schon massiv eingesetzt wird. In anderen ist das Thema noch sehr weit weg. Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir jetzt Veränderun­gen anstoßen. Normalerwe­ise braucht es dafür externen Druck – doch der fehlte, es lief ja wirtschaft­lich alles super. Das ist aber, wie man jetzt sieht, trügerisch. Eins muss man außerdem nochmal deutlich sagen: Es wird auch viele Bereiche geben, in denen digitale Technik die Arbeit verbessert. Wir müssen uns darauf konzentrie­ren, welche Chancen wir für die Arbeitswel­t nutzen können – und wie wir Risiken minimieren können.

Wie entwickelt die IG Metall ihre Strategien? Wie beobachten Sie, was im Silicon Valley, China oder Israel passiert?

Benner Wir machen viele Veranstalt­ungen, wo wir uns Expertise einladen, wie hier zum Beispiel in Köln die KI-Forscher. Außerdem haben wir vor drei Jahren jemanden eingestell­t, der lange im Silicon Valley gearbeitet hat und nun mit uns an Strategien arbeitet, die wir dann mit der Politik diskutiere­n.

Wie digitalisi­ert sich die IG Metall?

Benner Wir versuchen natürlich, unseren Mitglieder­n einen schnellere­n und besseren Service zu bieten. Wir haben zum Beispiel für Beschäftig­te kleinerer und mittlerer Unternehme­n, die einen Betriebsra­t gründen wollen, einen digitalen Gewerkscha­ftssekretä­r entwickelt und eine CD mit Arbeitshil­fen.

Eine CD?

Benner (lacht) Oje, das ist natürlich schon zehn Jahre her. Heute gibt es alle Infos digital auf einer Plattform. Für Crowdworke­r, also Solo-Selbststän­dige, die im Internet um Aufträge konkurrier­en, haben wir eine eigene Plattform faircrowdw­ork.org eingericht­et, über die sie Arbeitgebe­r bewerten können.

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FOTO: IG METALL Christiane Benner in ihrem Frankfurte­r Büro

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