Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Polens totale Polarisierung
Vor der Kommunalwahl am Sonntag regiert in Politik und Medien die Sprache des Hasses. Die rechtsnationale Regierung und die linksliberale Opposition können auf Teilerfolge hoffen.
Die Ratingagentur Standard & Poor’s ist eher unverdächtig, der rechtsnationalen Regierung in Warschau durch positive Bewertungen zu Diensten zu sein. Im Gegenteil: Schon wenige Monate nach dem Wahltriumph der konservativen PiS-Partei vor drei Jahren stuften die Finanzexperten die Kreditwürdigkeit Polens herab. Zur Begründung verwiesen sie auf die „Aushöhlung der demokratischen Institutionen“im Land. Das werde die Wirtschaft nachhaltig schwächen. Kurz zuvor hatte die EU ein Rechtsstaatsverfahren gegen Polen eingeleitet, weil die PiS das Verfassungsgericht entmachtet und die Pressefreiheit eingeschränkt hatte.
Umso bemerkenswerter war es nun, dass Standard & Poor‘s sein Polen-Rating vor wenigen Tagen wieder auf den alten Wert von 2015 anhob (A-). Der Wirtschaft gehe es gut, und die Finanzpolitik der Regierung sei solide, lautete die Nachricht, die von PiS-nahen Medien mit doppelter Begeisterung kommentiert wurde. Denn in Polen herrscht derzeit Wahlkampf. Rund 30 Millionen Menschen sind aufgerufen, am Sonntag ihre Abgeordneten in den Kommunalparlamenten und viele Bürgermeister neu zu bestimmen, und was nach harmloser Regionalpolitik klingt, ist von mindestens so wegweisender Bedeutung, wie es in Deutschland zuletzt die Landtagswahl in Bayern war.
Hauptgrund dafür ist, dass die Wahl landesweit stattfindet. Sie ist damit der erste echte Stimmungstest nach drei Jahren PiS-Herrschaft. Manche sagen: ein Plebiszit über die Regierungsarbeit. Was das heißen kann, machte die radikaloppositionelle Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“Mitte der Woche durch die Veröffentlichung eines „Schwarzbuchs der PiS-Regierung“deutlich. In diversen Artikeln zogen die Autoren des linksliberalen Blattes eine verheerende Bilanz. Zugleich erinnerten sie daran, dass sie vor der Parlamentswahl 2015 gewarnt hatten: Bei der Abstimmung stehe nichts Geringeres als die Demokratie auf dem Spiel. Nun sei die Gewaltenteilung faktisch abgeschafft.
Mit derartigen Attacken auf die PiS ist die Zeitung, die für ihren kämpferischen Stil berühmt-berüchtigt ist, keineswegs allein. Auch Oppositionspolitiker verschärften zuletzt den Tonfall. So mahnte Grzegorz Schetyna, Chef der gemäßigt-konservativen Bürgerplattform PO: „Wir müssen diese Wahl gewinnen und alle positiven Kräfte mobilisieren, um von dem gesunden Baum unseres Staates die PiS-Heuschrecken abzuschütteln.“Eine solche Wortwahl ist man in Polen sonst vor allem von PiSChef Jaroslaw Kaczynski gewohnt, der seinen Widersachern gern einmal vorwirft, ihnen sei „der Landesverrat in die Gene eingeschrieben“.
Diese Art der politischen Polarisierung ist für Polen nicht untypisch. Schon 2005 machten PiS-Strategen gegen den damaligen PO-Chef Donald Tusk mobil, indem sie seinen Großvater als Nazi-Kollaborateur diffamierten. Inzwischen aber ist die „Sprache des Hasses“allgegenwärtig, nicht zuletzt dank der Verbreitung über soziale Netzwerke. Das vielleicht Paradoxeste an der totalen Konfrontation ist, dass die Wirklichkeit viel weniger problematisch zu sein scheint, als es die wechselseitigen Frontalattacken erahnen lassen. Die stabile Wirtschaftslage und das verbesserte Rating bei Standard & Poor‘s sind dabei nur ein Hinweis. Auch die jüngsten Wahlumfragen lassen vermuten, dass vieles nicht so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird.
So warnten oppositionelle Medien im Spätsommer gelegentlich vor einer Art Machtergreifung der PiS auch in den polnischen Großstädten, die stets als Hort des liberalen, weltoffenen Bürgertums galten und bislang nur in Einzelfällen von rechtskonservativen Politikern regiert wurden. Doch in dieser
„Wir müssen die Wahl gewinnen und alle positiven Kräfte mobilisieren“
Grzegorz Schetyna
Chef der gemäßigt-konservativen Bürgerplattform PO