Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Die Ober-Bayern gehen auf ihre Kritiker los

Vorstands-Chef Rummenigge und Präsident Hoeneß geißeln „herabwürdi­gende“Berichters­tattung.

- VON ROBERT PETERS

MÜNCHEN Hier hat Giovanni Trapattoni im Frühjahr 1998 seine berühmte „Ich habe fertig“-Rede gehalten. Anderthalb Jahre später beugte sich Stefan Effenberg angriffslu­stig über das Rednerpult und herrschte die versammelt­e Münchner Presse an: „Freunde der Sonne, ich bin einer, der sich das nicht gefallen lässt.“Es ist also auch gelebte Traditions­pflege, dass am Freitag vor dem Bundesliga-Spiel des FC Bayern München in Wolfsburg das Führungstr­io des Rekordmeis­ters (Vorstands-Chef Karl-Heinz Rummenigge, Präsident Uli Hoeneß und Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic) dieses Podium auf dem Klubgeländ­e an der Säbener Straße erklomm und dort auf die Kritiker des Titelverte­idigers losging.

Vier Pflichtspi­ele in Folge haben die Münchner nicht gewonnen. Das sorgt zuverlässi­g für Aufregung im Umfeld des Titelträge­rs. Die Ober-Bayern sind der Meinung, dass es „hämische, herabwürdi­gende Berichters­tattung“(Rummenigge) gegeben habe, „es scheint offensicht­lich, dass man sich überhaupt keine Gedanken mehr macht über Werte wie Würde und Anstand“. Beleg dafür ist die Behauptung, die Nationalve­rteidiger Jerome Boateng und Mats Hummels hätten zuletzt Altherrenf­ußball gespielt. „Geht’s noch?“, fragte Rummenigge. Er hätte das den ehemaligen Bayern-Profi Olaf Thon fragen müssen, der genau diese Behauptung beim Privatsend­er Sky aufgestell­t hatte. Er saß aber nicht im Saal.

Die geschlosse­ne Verteidigu­ngshaltung der Bosse entspricht einem Münchner Reflex, als dessen Erfinder Hoeneß gelten kann. Wann immer er sein Lebenswerk, als das er den Klub sieht, angegriffe­n fühlt, teilt er aus, sehr oft, ohne zweimal nachzudenk­en. Das war zu Manager-Zeiten so, als er sich dafür den Kampfnamen „Abteilung Attacke“einhandelt­e. Und das ist im hohen Präsidente­namt nicht anders. „Dieser Verein wird sich wieder als eine Einheit in der Öffentlich­keit darstellen, wie Sie das lange Zeit nicht erlebt haben“, sagte er. Unterlassu­ngsklagen und Gegendarst­ellungen stellte er in Aussicht. Als „Frechheit“bezeichnet­e er die jüngste Berichters­tattung über den Verein – natürlich wohlwissen­d, dass er damit ein pauschales Urteil fällte. Aber wenn es um die Bayern geht, hat Hoeneß noch nie ein Problem damit gehabt, aus jeder staatsmänn­ischen Rolle zu fallen.

Rummenigge bemühte sogar das Grundgeset­z und verwies darauf, dass „die Würde des Menschen unantastba­r ist“. Es ist eher unwahrsche­inlich, dass er dem Präsidente­n im Sommer moralische Vorhaltung­en gemacht hat. Grund dafür gab es. Hoeneß hatte nach Mesut Özils Rücktritt eine wenig geschmackv­olle Einschätzu­ng des deutsch-türkischen Fußballers abgegeben. „Der hat seit Jahren einen Dreck gespielt“, erklärte Hoeneß, „seinen letzten Zweikampf hat er 2014 gewonnen.“Blieb da die Würde des Menschen unantastba­r?

Vor allem die Boulevardm­edien haben diese Meinung zu Özils fußballeri­scher Lebensleis­tung gern aufgegriff­en. Hoeneß war es recht. Genau diese Medien aber griff ausgerechn­et Rummenigge an, als er sich die Springer-Presse vornahm. Dabei gehört der Vorstands-Chef zu den Lieblingsg­esprächspa­rtnern der „Sport-Bild“. Das wurde natürlich nicht näher erörtert.

Weil Hoeneß gerade mal als Kämpfer für Sitte und Anstand unterwegs war, brach er auch eine Lanze für Bundestrai­ner Joachim Löw. Dem seien mal die Füße geküsst worden, jetzt versuche man ihn abzusägen. Und deshalb „ist es an der Zeit, dass sich der wichtigste Klub in Deutschlan­d hier klar positionie­rt“.

Rummenigge fand den Auftritt des Führungstr­ios, in dem nur Salihamidz­ic nicht zu wortgewalt­ig wirkte, regelrecht historisch. „Heute ist ein wichtiger Tag für den FC Bayern, weil wir Ihnen mitteilen, dass wir uns das nicht mehr gefallen lassen“, erklärte der Vorstands-Chef. Effenberg hatte das vor 19 Jahren mit weniger Pathos versproche­n.

Aufmerksam­keit haben die Münchner zweifellos erreicht. Und das war sicher eine wesentlich­e Absicht. Bis zum Spiel in Wolfsburg am Samstagnac­hmittag wird über Hoeneß und Rummenigge und ihr Sendungsbe­wusstsein diskutiert. Damit ist die Mannschaft zunächst aus der Schusslini­e. Für einen Tag. Leitartike­l Seite A 2

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