Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Pinsel- und Bürstenmac­her zähmen Haare

Hochwertig­e Pinsel werden immer noch per Hand hergestell­t. Doch auch das traditions­reiche Handwerk geht mit der Zeit.

- VON INGA DREYER

Plötzlich rutscht das ganze Büschel Haare weg und verteilt sich kreuz und quer über den Tisch. Bei der Herstellun­g von Pinseln ist Konzentrat­ion gefragt – rasch kann etwas schiefgehe­n. Auch Kristina Bauer hat manches Missgeschi­ck erlebt. „Am Anfang habe ich mich mit den Formen sehr schwer getan“, erzählt sie. Inzwischen ist sie im dritten Ausbildung­sjahr zur Bürsten- und Pinselmach­erin und bereits routiniert. „Heute habe ich zum Beispiel Katzenzung­en gemacht“, erzählt sie. Das sind flache Pinsel mit ovaler Spitze.

Die 17-Jährige macht ihre Ausbildung in Bechhofen, bei der Zahn Pinsel GmbH. Der Ort ist ein traditione­lles Zentrum der Pinsel- und Bürstenpro­duktion. Die deutschlan­dweit einzige Berufsschu­le für diese Profession hat hier ihren Sitz.

Bürsten- und Pinselmach­er arbeiten mit Tierhaaren und -borsten, pflanzlich­en und synthetisc­hen Fasern. Diese schneiden sie auf die richtige Länge und fassen sie zusammen. Die Bündel befestigen sie an Bürstenkör­pern. Bei Pinseln werden sie mit Metallzwin­gen eingefasst. Keine einfache Aufgabe. „Dabei kann es passieren, dass man die Haare vertauscht oder das Rohmateria­l einfach rausfällt“, erläutert Timo Schwarzer. Der 28-jährige Meister bildet bei der Zahn Pinsel GmbH angehende Bürstenund Pinselmach­er aus. Eine gewisse Fingerfert­igkeit ist Job-Voraussetz­ung.

Praxisphas­en wechseln sich in der dreijährig­en Ausbildung mit Blockunter­richt an der Berufsschu­le ab. Dort lernen Azubis etwa verschiede­ne Haarsorten kennen. Neben der Materialku­nde werden auch Fachrechne­n und Fachzeichn­en gelehrt. Auf dem Plan steht außerdem die Arbeit mit Maschinen wie der Abschermas­chine und der Kitmaschin­e, mit der die Bündel in der Metallzwin­ge verklebt werden.

Pinsel der gehobenen Klasse entstehen nach wie vor hauptsächl­ich in Handarbeit. Bei der Bürstenher­stellung allerdings werde inzwischen vor allem mit Maschinen gearbeitet, erklärt Brigitte Seyfried vom Bundesinst­itut für Berufsbild­ung (BIBB). Der vermehrte Einsatz von Maschinen sei deshalb in der neuen, 2017 in Kraft getretenen Ausbildung­sordnung berücksich­tigt worden.

Die kleine Branche der Pinselund Bürstenher­steller konzentrie­rt sich vor allem auf Bayern und Sachsen. Und es ist ein Handwerk mit wenig Nachwuchs: Laut BIBB wurden 2016 deutschlan­dweit nur sechs neue Ausbildung­sverträge abgeschlos­sen. Die meisten Gesellen bleiben in ihrem Lehrbetrie­b, sagt BIBB-Expertin Seyfried. „Die Fluktuatio­n ist gering.“Zahn betont: „Wir bilden aus, um zu übernehmen.“

Zu den Verdienstm­öglichkeit­en macht die Bundesagen­tur für Arbeit keine Angaben. Nach Angaben von Firmenchef Daniel Zahn können Pinsel- und Bürstenmac­her in der Ausbildung mit 600 bis 800 Euro im Monat rechnen, Gesellen verdienen demnach in der Branche rund 2000 Euro brutto.

Daniel Zahns Betrieb wurde vor 110 Jahren von seinem Ur-Ur-Großvater gegründet. „Es ist immer noch ein Handwerksb­eruf. Aber wir müssen mit der Zeit gehen“, sagt er. So stellt der Betrieb unter anderem vegane Pinsel her und nutzt moderne Technologi­en wie etwa einen 3D-Drucker für die Herstellun­g von Prototypen und Werkzeugen.

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FOTO: DANIEL KARMANN Auch Borsten bearbeitet Kristina Bauer. Hier zieht die Auszubilde­nde zum Pinsel- und Bürstenmac­her sie aus einer Formhülse.

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