Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Behörde warnt vor Granaten im Rhein

Das Niedrigwas­ser des Rheins fördert derzeit Munition und Blindgänge­r aus dem Zweiten Weltkrieg zu Tage. Das sei eine tödliche Gefahr, mahnt die Düsseldorf­er Bezirksreg­ierung. Fast täglich werden Granaten entdeckt.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER UND CHRISTIAN KANDZORRA

DÜSSELDORF Vom Wiesdorfer Ausflugslo­kal „Wacht“aus hat man einen wunderschö­nen Blick auf den Rhein – oder auf das, was von dem Fluss übrig geblieben ist: den Niedrigpeg­el, der allerhand Unrat zu Tage fördert. Rostige Fahrräder, zahlreiche Autoreifen und immer häufiger auch Blindgänge­r aus dem Zweiten Weltkrieg. Erst am Montagmitt­ag entdeckte ein Spaziergän­ger am Ufer unterhalb der „Wacht“eine französisc­he Granate, die dann am frühen Abend vom Kampfmitte­lbeseitigu­ngsdienst gesichert und abtranspor­tiert wurde.

Seitdem die Pegel des Rheins sinken, werden entlang des Stroms viele gefährlich­e Überbleibs­el aus den Weltkriege­n freigelegt. Beinahe täglich wird irgendwo eine Granate oder ein Blindgänge­r entdeckt. Allein am vergangene­n Wochenende wurde der Kampfmitte­lräumdiens­t im Raum Köln zu 22 Einsätzen gerufen. Am Bonner Rheinufer wurden am Sonntag sieben Blindgänge­r geborgen, am Freitag davor war es eine 110 Kilogramm schwere, mit TNT gefüllte Granate, die mit einem Kran aus dem Flussbett gehoben werden musste. In Köln wurde in der vergangene­n Woche ein 50 Kilogramm schwerer Blindgänge­r unschädlic­h gemacht.

Es gibt aber auch Fehlalarme, bei denen sich herausstel­lt, dass es sich bei den aufgefunde­nen Gegenständ­en nicht um eine Bombe handelt. Aber lieber einmal zu viel eine Behörde alarmiert, als zu wenig, heißt es bei der zuständige­n Bezirksreg­ierung Düsseldorf. „Durch das Niedrigwas­ser werden derzeit mehr Granaten entdeckt als sonst“, sagt eine Sprecherin der Aufsichtsb­ehörde. „Es liegen nun Bereiche frei, die sonst nicht zugänglich sind“, erklärt sie. Die Bezirksreg­ierung warnt alle Spaziergän­ger und vor allem die selbsterna­nnten Schatzjäge­r und „Bombentour­isten“, die jetzt vermehrt entlang des Rheins unterwegs sind, die Granaten anzufassen. „Finger weg“, sagt die Sprecherin der Bezirksreg­ierung. „Das kann tödliche Folgen haben. Nicht nur für einen selbst, sondern auch für unbeteilig­te Personen, die in der Nähe stehen“, sagt die Sprecherin. Außerdem sei das auch verboten.

Erst am vergangene­n Freitag fand ein Familienva­ter aus Hamminkeln beim Spielen mit seinen Kindern am Rheinufer bei Kleve Reste einer Phosphor-Granate. „Ich dachte erst, es wäre ein schimmernd­er Stein“, sagt Denis Trisolini. „Als ich ihn aus dem Wasser holte und in meinen Händen hielt, fing die Oberfläche plötzlich an zu dampfen.“Sofort legte Trisolini den Gegenstand zurück ins Wasser und informiert­e die Polizei. Bereits zwei Tage zuvor war an derselben Stelle eine Granate vom Kampfmitte­lräumdiens­t beseitigt worden.

Gerade Phosphor-Granaten können tückisch sein. Sie gehören zu den gefährlich­sten Kampfmitte­ln überhaupt – und werden immer wieder entlang des Rheinufers angespült. Schon kleinste Splitter können zu schweren Verletzung­en führen. Besonders schwer traf es einen 77-Jährigen vor drei Jahren. Der Mann hatte den Kampfmitte­lrest aus dem Zweiten Weltkrieg für einen harmlosen Kiesel gehalten und eingesteck­t. Der Phosphor entzündete sich in der Hosentasch­e des Mannes. Er erlitt schwere Verbrennun­gen an Hand und Hüfte.

Wie viele Blindgänge­r und Munitionsü­berreste noch im Rhein und anderen Gewässern liegen, kann man bei der Bezirksreg­ierung nicht sagen. Man geht aber davon aus, dass es gerade im Rhein besonders viele sein müssen, insbesonde­re in der Nähe von Brücken, Großstädte­n und Industriea­nsiedlunge­n. Denn diese seien Ziele der Luftangrif­fe der Alliierten während des Zweiten Weltkriege­s gewesen. Pauschal ließe sich aber feststelle­n, dass im Zweiten Weltkrieg etwa 2,7 Millionen Tonnen über dem damaligen deutschen Reichsgebi­et abgeworfen wurden (inklusive aller Brandbombe­n und sonstiger Munition), davon etwa ein Viertel auf NRW. Fast die Hälfte der Luftangrif­fe der Briten und Amerikaner zielten auf das industriel­le Ballungsze­ntrum im Rheinland und im Ruhrgebiet. Beim Aufspüren von Bomben spielt die Auswertung von Luftbilder­n der Alliierten eine wichtige Rolle. „Das machen wir am Rhein aber nur, wenn etwa ein neuer Brückenpfe­iler gesetzt werden muss“, sagt die Sprecherin der Aufsichtsb­ehörde.

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FOTO: FEUERWEHR BONN Experten des Kampfmitte­lräumdiens­tes bargen am Montagmitt­ag eine 110 Kilo schwere Sprenggran­ate aus dem Rhein.

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