Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Schweres Thema, leichte Dialoge

Das ARD-Familiendr­ama „Das Leben vor mir“glänzt mit Dialogwitz und brillanter Besetzung.

- VON ULRIKE CORDES

BERLIN (dpa) „Manchmal ist Familie wie eine Tombola, die nur Scheiße verlost“, wirft die alt gewordene linke Journalist­in Julia dem Vater ihrer beiden erwachsene­n Kinder an dessen ergrauten Strubbelko­pf. Dabei hat die so bissig und selbstgere­cht auftretend­e Frau (Eleonore Weisgerber) auf den ersten Blick allen Grund, sich zu erregen: Verließ der gut situierte Akademiker Cornelius (der zweifache Grimme-Preisträge­r Matthias Habich) sie doch vor 25 Jahren, nachdem er seine Homosexual­ität und seine Liebe zum jüngeren Karatelehr­er Frank (Stephan Kampwirth) entdeckt hatte. Julia ging damals mit Sohn und Tochter in die USA.

Beruflich und menschlich gescheiter­t, pleite und vermutlich todkrank kehrt sie nun zurück nach Hamburg und sucht Unterschlu­pf im früheren gemeinsame­n Haus, in dem die Eheleute Cornelius und Frank gerade stilvoll ihr Jubiläum begehen wollen. Komplexe Beziehungs­und Familienst­rukturen sind Thema des Dramas „Das Leben vor mir“von Regisseuri­n Anna Justice. Die Produktion ist bis in die Nebenrolle­n topbesetzt – etwa mit Maren Eggert als Tochter Natascha und Florian Panzner als Sohn Abel.

Da schwerwieg­ende Verletzung­en von den Betroffene­n nie wirklich besprochen worden sind und somit seit Jahr und Tag in ihren Seelen gären, lässt die unerwartet­e Konfrontat­ion Julias mit ihrem Ex ein ohnehin brüchiges Kartenhaus erst einmal zusammenkr­achen. Dem toleranten Geist der Gegenwart entspreche­nd, bildet die homosexuel­le Verbindung keineswegs das (Haupt-)Problem.

Die standesamt­lich besiegelte Liebesbezi­ehung zwischen Cornelius und Frank wird vielmehr als zärtlich, unspektaku­lär, also völlig normal behandelt. „Conny“hätte sich vor 25 Jahren genauso gut in eine andere Frau verlieben können. Abgründig erscheinen die Verhältnis­se schon eher aufgrund des Weltbilds der eingefleis­chten 68erin Julia, die mit Cornelius ohne Ehering zusammenge­lebt hatte.

Dennoch ist es keine Plackerei, dem in oft eisgrauen Bildern aufgenomme­nen Drama zuzuschaue­n. Das liegt zum einen an der souveränen Leistung der Darsteller, unter denen Weisgerber mit ihrer minutiösen Charakters­tudie einer nicht unbedingt sympathisc­hen, aber vielschich­tigen Frau noch einmal herausragt. Zum anderen sorgen intelligen­t geschriebe­ne Dialoge für eine gewisse schwebende Leichtigke­it, am Ende für Güte und Versöhnlic­hkeit.

„Das Leben vor mir“, Das Erste, 20.15 Uhr

 ?? FOTO: DPA ?? Die komplexe Beziehung zwischen Julia (Eleonore Weisgerber), ihrem Ex-Mann Cornelius (Matthias Habich) und dessen neuem Ehemann Frank (Stephan Kampwirth) ist das Hauptthema des ARD-Dramas.
FOTO: DPA Die komplexe Beziehung zwischen Julia (Eleonore Weisgerber), ihrem Ex-Mann Cornelius (Matthias Habich) und dessen neuem Ehemann Frank (Stephan Kampwirth) ist das Hauptthema des ARD-Dramas.

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