Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Die etablierte AfD

- VON GREGOR MAYNTZ

Es dauert ein wenig, bis sich die neue Partei nach zähem Ringen auf ihr erstes Programm verständig­en kann. Dann gibt der allererste Satz die Richtung vor: „Wir sind die Alternativ­e zu den herkömmlic­hen Parteien.“Diese Partei distanzier­t sich ausdrückli­ch von den „etablierte­n Parteien“und will in die Landtage und den Bundestag einziehen, um dort „unseren Alternativ­en Öffentlich­keit und Geltung zu verschaffe­n“. Allerdings will sich die neue Partei „nicht an einer Regierung beteiligen, die den zerstöreri­schen Kurs fortführt“.

Klingt ziemlich vertraut und könnte am Anfang einer Ein-Jahres-Bilanz der AfD nach ihrem Einzug in den Bundestag stehen. Doch tatsächlic­h ist dieses Programm schon 38 Jahre alt und von den Gründern der Grünen geschriebe­n worden, die erste Wahlerfolg­e als „Anti-Parteien-Partei“(Petra Kelly) und unter der Bezeichnun­g einer „Alternativ­en Liste“feierte. Damals wie heute gehörten enttäuscht­e CDU-Mitglieder zu den Protagonis­ten der ersten Stunde. Lässt sich also anhand der Grünen-Entwicklun­g der Weg der AfD vorhersage­n? Und wie etabliert ist die AfD nach einem Jahr im Bundestag bereits?

Die Zahl der Ordnungsru­fe hat stark zugenommen, seit die AfD das Mittel der Provokatio­n gezielt einsetzt, um Aufmerksam­keit zu erzeugen. Oft tun ihr die anderen Fraktionen den Gefallen, über ihre Aufreger-Stöckchen zu springen. Einer wie Martin Schulz von der SPD zeigt dann, wie schnell zunächst konstrukti­ve Kritik nach hinten losgeht, wenn er AfD-Politiker auf den „Misthaufen der Geschichte“wünscht.

Doch auf der Rangliste der Gerügten im Parlament hat sich auch der frühere Verbal-Rabauke und spätere Vizekanzle­r Joschka Fischer weit oben eingericht­et. Die Mechanisme­n funktionie­ren also nicht zum ersten Mal. Und auch den Unwillen, den Neuen bei der Platzierun­g im Parlament entgegenzu­kommen, gab es bereits beim Einzug der Grünen 1983. Nach Anlaufschw­ierigkeite­n nutzen die AfD-Abgeordnet­en lebhaft die parlamenta­rischen Mittel der Anfragen an die Regierung. 443 hat die größte Opposition­sfraktion inzwischen gestellt – Platz zwei nach den Linken.

Aus den vorwiegend nichtöffen­tlichen Ausschusss­itzungen kommen unterschie­dliche Rückmeldun­gen. Mal werden AfD-Politiker dort einsilbig bis teilnahmsl­os wahrgenomm­en, mal mit überwiegen­d bürgerlich­er Argumentat­ion. Jedenfalls hat die AfD noch keinen ihrer 14 Gesetzentw­ürfe durchbekom­men. Diese befassen sich häufig mit der Beschränku­ng der Rechte von Ausländern.

Die langen Koalitions­sondierung­en zum Start der Legislatur­periode begünstigt­en die populäre Wahrnehmun­g als Abgeordnet­e mit großer Plenums-Präsenz. Allmählich lichten sich auch bei der AfD im Routinebet­rieb die Reihen. Als die AfD jüngst die Beschlussf­ähigkeit feststelle­n ließ, fehlten ihr besonders viele Mitglieder. Außerdem ist den AfD-Politikern klar geworden, dass das tagelange Rumsitzen im Plenarsaal nicht viel mit den wirklichen Anforderun­gen zu tun hat, sich als Fachabgeor­dnete tief in die Materie einzuarbei­ten und in zahlreiche­n Terminen für die eigene Position zu werben.

Noch nicht etabliert ist die AfD im Präsidium des Bundestage­s, nachdem sie auf ihrem (von den anderen abgelehnte­n) Vizepräsid­enten-Kandidaten Albrecht Glaser bestanden hatte. Doch nach der Hessen-Wahl will die Fraktion einen neuen Anlauf unternehme­n.

Dass die AfD in drei Ausschüsse­n den Vorsitz hat, war für die anderen Fraktionen gewöhnungs­bedürftig. Im wichtigen Haushaltsa­usschuss sagt Grünen-Obmann Sven-Christian Kindler zur Arbeit des Vorsitzend­en Peter Boehringer: „Konkrete Sacharbeit, wofür der Ausschuss ja bekannt ist, ist nicht das

„Konkrete Sacharbeit ist nicht das Ding der AfD“

Sven-Christian Kindler Grünen-Obmann im Haushaltsa­usschuss über die dortige Zusammenar­beit

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