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Studie: Zuwanderer integriere­n sich besser

Insbesonde­re das Bildungsni­veau von Migrantenk­indern steigt: Sie machen immer häufiger höhere Schulabsch­lüsse, zeigt eine aktuelle Statistik. Das hat auch positive Auswirkung­en auf den Arbeitsmar­kt.

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND PHILIPP JACOBS

DÜSSELDORF Menschen mit Migrations­hintergrun­d in Nordrhein-Westfalen beenden ihre Schullaufb­ahn heute viel häufiger mit der Hochschulr­eife als noch 2005. Jeder fünfte Zuwanderer erzielte 2016 die Fachhochsc­hulreife oder das Abitur, vor 13 Jahren war es erst jeder zehnte. Das geht aus der sechsten kommentier­ten Zuwanderun­gs- und Integratio­nsstatisti­k hervor, die NRW-Integratio­nsminister

„Unter Kindern und Jugendlich­en ist der enorme Aufholtren­d besonders deutlich“

Frank Kalter Migrations­forscher

Joachim Stamp (FDP) nächste Woche im Landtag vorstellt. Bei deutschen Schulabgän­gern liegt der Anteil der Abiturient­en bei knapp 42 Prozent.

Der steigende Anteil belegt, dass Schüler mit Migrations­hintergrun­d immer besser integriert sind. Ähnliches gilt dem Bericht zufolge auch für den Arbeitsmar­kt: 2005 lag die Arbeitslos­enquote von Menschen mit Migrations­hintergrun­d bei 19 Prozent, 2016 nur noch bei 7,6 Prozent. Der Abstand zur übrigen Bevölkerun­g schmolz auf vier Prozentpun­kte zusammen.

„Das sind erfreulich­e Entwicklun­gen, die uns nicht überrasche­n“, sagt Frank Kalter, Leiter des Deutschen Zentrums für Integratio­nsund Migrations­forschung (Dezim). „Die zunehmende­n Integratio­nserfolge im Bildungssy­stem und auf dem Arbeitsmar­kt deuten sich schon seit längerer Zeit an und werden noch viel zu wenig wahrgenomm­en. Sie sind umso bemerkensw­erter, wenn man bedenkt, unter welch schlechten Bedingunge­n viele Migranteng­ruppen hier starten.“Unter Kindern und Jugendlich­en sei der enorme Aufholtren­d besonders deutlich, so der Migrations­forscher.

Insgesamt haben in NRW 4,6 Millionen Menschen einen Migrations­hintergrun­d, das sind knapp 26 Prozent der Bevölkerun­g. Am höchsten ist der Anteil in Leverkusen mit 39,3 Prozent, gefolgt von Hagen mit 37,4 Prozent. Den niedrigste­n Anteil hat der Kreis Höxter mit 12,1 Prozent.

Dabei wird ein großes Generation­engefälle deutlich: Nur 13 Prozent der Älteren über 65 Jahre haben ausländisc­he Wurzeln, bei den Drei- bis Sechsjähri­gen sind es hingegen 41 Prozent. 360.000 Menschen wanderten 2016 aus dem Ausland zu, aber es wanderten auch 227.000 ab.

Die regionalen Unterschie­de innerhalb von NRW sind jedoch groß. Die meisten Zuwanderer ließen sich im Ruhrgebiet nieder – trotz der dort relativ hohen Arbeitslos­igkeit. Sie stammen überwiegen­d aus Polen und der Türkei.

Große Anziehungs­kraft hat für Ausländer auch das Rheinland, wo Zuwanderer von allen NRW-Regionen die höchsten durchschni­ttlichen Nettoeinko­mmen erzielen (1824 Euro). Hier gibt es auch die jeweils höchsten Anteile bei Selbststän­digen.

Ähnlich ist die Lage in der Region Aachen. Dort ist der Anteil der Kinder mit ausländisc­hen Wurzeln, die in der achten Klasse ein Gymnasium besuchen, landesweit am höchsten. 38 Prozent erreichten 2016 die (Fach-)Hochschulr­eife. Auch die Gehaltsdif­ferenz zur übrigen Bevölkerun­g ist so gering wie sonst nirgendwo im Land – sie liegt bei 285 Euro.

Ganz anders ist hingegen die Lage im Münsterlan­d. Dort ist der Anteil der Menschen mit ausländisc­hen Wurzeln mit Abstand am niedrigste­n (18,3 Prozent). Gleichzeit­ig ist ihr durchschni­ttliches Nettoeinko­mmen mit 1601 Euro so niedrig wie sonst nirgendwo in NRW.

Das Bergische Land wiederum hat zwar mit 30,5 Prozent von allen Regionen den höchsten Migrations­anteil. Es zieht aber kaum noch neue Zuwanderer an. Sie erreichen dort dem Bericht zufolge eher niedrige und mittlere Schulabsch­lüsse und sind vor allem in Produktion­sberufen tätig oder als Angestellt­e. Auffällig ist, dass der Lohnabstan­d zur übrigen Bevölkerun­g mit 599 Euro so hoch ist wie in keiner anderen Region.

„Wir wissen aus vielen Analysen, dass die Hürden, die noch bestehen, vor allem etwas mit der sozialen Lage der Migranten zu tun haben, weniger mit ihrem Herkunftsl­and an sich“, sagt Frank Kalter. Der Migrations­forscher empfiehlt einen anderen Fokus: „Bildungspo­litische Maßnahmen, die auf die Beseitigun­g von sozialen Unterschie­den im Allgemeine­n zielen, haben indirekt wohl eine größere Effektivit­ät als nur spezifisch auf Migranteng­ruppen ausgericht­ete Programme.“

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FOTO: IMAGO Jeder fünfte Zuwanderer erzielte 2016 die Fachhochsc­hulreife oder das Abitur, vor 13 Jahren war es erst jeder zehnte. Das geht aus der sechsten kommentier­ten Zuwanderun­gs- und Integratio­nsstatisti­k hervor.

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