Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Dem Wintersport geht der Winter aus
Am Samstag soll in Österreich die Wintersport-Saison beginnen. Auf Sicht droht jedoch der Klimawandel Ski-Treiben unmöglich zu machen. Ein Meteorologe zeichnet ein düsteres Bild, ein Skispringer fordert ein Umdenken des Sports.
DÜSSELDORF/SÖLDEN Eigentlich wollen die alpinen Ski-Rennläufer am Samstag in Sölden ihren Weltcup eröffnen – und damit das Wintersport-TV-Halbjahr an sich. Doch zum Auftakt droht wetterbedingtes Ungemach. Am Samstag (Riesenslalom Frauen, 10/13 Uhr, ZDF) werden bis zu 70 Zentimeter Neuschnee erwartet. Für Sonntag (Riesenslalom Männer, 10/13 Uhr) ist Föhn mit Windgeschwindigkeiten bis zu 90 km/h angesagt. Es mutet dabei schon kurios an, dass das Wetter diesmal mit zu viel Schnee Probleme macht, denn das, was den Wintersport mittelfristig tatsächlich in seiner Existenz gefährdet, ist der Klimawandel mit einhergehender Trockenheit und Erwärmung.
„Dass man die Ski-Saison Ende Oktober auf dem Gletscher in Sölden beginnen kann, werden wir noch zehn, 20 Jahre erleben, aber dann wird es vorbei sein“, sagt Karsten Schwanke, Diplom-Meteorologe und aus dem Fernsehen bekannt. „Wer in den vergangenen Jahren über Weihnachten oder Silvester Ski fahren war, hat ja gemerkt, dass es vielerorts nicht möglich war, einfach wegen fehlender Niederschläge. Es ging nur da, wo die Betreiber mit massivem finanziellen Aufwand die Pisten beschneit haben. Und dieses künstliche Nachhelfen wird immer teurer und auch vielleicht mal unmöglich, wenn das Wasser durch längere Trockenperioden in den Alpen fehlt.“
Dem Wintersport – dem Profi-Sport wie dem Massentourismus – stellen sich deshalb eher früher als später zwei Fragen: die nach der Rentabilität und die nach der ethischen Vertretbarkeit, vergleichbar mit der CO2-Bilanz beim Fliegen. Findet auch Schwanke. „Die Frage nach dem Imageschaden, also ob ein solcher Wasserverbrauch ökologisch noch vertretbar ist, könnte durchaus als Riesenthema auf den Wintersport zukommen.“Und auch für Kunstschnee brauche es ja Temperaturen um null Grad oder drunter, insofern werde mit der Erwärmung auch das Anwerfen der Schneekanonen irgendwann unmöglich, sagt der Wetterexperte. Karsten Schwanke Meteorologe
Und was auf das Hochgebirge, die Alpen, die Rocky Mountains zukommt, betrifft die niedrigeren Mittelgebirge viel früher. Also auch Sauerland und Eifel. „Wir werden auch in 50 Jahren noch Schneefälle im Hochsauerland haben, aber sie werden seltener werden, die Frostperiode wird kürzer, und das wird dem Wintersport, davon bin ich überzeugt, in unseren Mittelgebirgen noch in diesem Jahrhundert den Garaus machen“, sagt Schwanke. „Letztlich werden die wirtschaftlichen Faktoren entscheiden, wann es sich nicht mehr lohnt. Es werden zuerst die Orte Probleme bekommen, die nicht so hoch liegen. Oberhof mit seinem Biathlon-Weltcup, zum Beispiel. Oberhalb von 2000 Metern wird es dagegen noch lange Wintersport geben, aber es wird sich eben langsam verändern.“
Auch die Skispringer haben den Klimawandel in den vergangenen Jahren bereits zu spüren bekommen. Vor allem in den Mittelgebirgen wie im Sauerland oder im Voigtland landeten die Springer oft auf Kunstschnee. Nicht selten lag nur auf dem Schanzenhang Schnee. „Ich stehe viel lieber an einer Schanze, die in einen weißen Hang eingebettet ist als in einen grünen Hang“, sagt der deutsche Skispringer Severin Freund. Dennoch glaubt er, dass das Skispringen für wärmere Winter noch vergleichsweise gut aufgestellt ist. Durch die Kunsteisspuren im Anlauf sei ohnehin schon viel umgestellt worden, sagt der frühere Weltmeister, der nach fast zwei Jahren Verletzungspause derzeit an seinem Comeback für diese Saison arbeitet, im Gespräch mit unserer Redaktion.
„Wenn wir im Winter irgendwann komplett auf Matten springen sollten, wäre das nicht meine Traumvorstellung. Es ist ein anderer Ablauf und macht viel vom Gefühl aus, wenn wir nicht auf Schnee springen. Skispringen ist halt ein Wintersport. Schon jetzt im Herbst, wenn es mal kälter ist, gehe ich mit einem ganz anderen Gefühl an die Schanze als bei wärmeren Temperaturen“, sagt Freund.
Statt auf Matten zu springen, könnte er sich vielmehr vorstellen, dass andere Wettkampforte gewählt werden: „Es könnte auch die Option geben, dass man in der Kalenderplanung flexibler wird und darüber nachdenkt, ob man nicht mal wieder nach Nordamerika geht. Denn dort ist es ja definitiv zum Weltcupstart schon kälter, und man könnte Wettkämpfe leichter realisieren. Im Endeffekt heißt es ja auch Weltcup, und wir springen fast nur in Europa und ein bisschen in Asien.“
„Das wird dem Wintersport in Mittelgebirgen in diesem Jahrhundert den Garaus machen“