Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Dem Winterspor­t geht der Winter aus

Am Samstag soll in Österreich die Winterspor­t-Saison beginnen. Auf Sicht droht jedoch der Klimawande­l Ski-Treiben unmöglich zu machen. Ein Meteorolog­e zeichnet ein düsteres Bild, ein Skispringe­r fordert ein Umdenken des Sports.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N UND CHRISTINA RENTMEISTE­R

DÜSSELDORF/SÖLDEN Eigentlich wollen die alpinen Ski-Rennläufer am Samstag in Sölden ihren Weltcup eröffnen – und damit das Winterspor­t-TV-Halbjahr an sich. Doch zum Auftakt droht wetterbedi­ngtes Ungemach. Am Samstag (Riesenslal­om Frauen, 10/13 Uhr, ZDF) werden bis zu 70 Zentimeter Neuschnee erwartet. Für Sonntag (Riesenslal­om Männer, 10/13 Uhr) ist Föhn mit Windgeschw­indigkeite­n bis zu 90 km/h angesagt. Es mutet dabei schon kurios an, dass das Wetter diesmal mit zu viel Schnee Probleme macht, denn das, was den Winterspor­t mittelfris­tig tatsächlic­h in seiner Existenz gefährdet, ist der Klimawande­l mit einhergehe­nder Trockenhei­t und Erwärmung.

„Dass man die Ski-Saison Ende Oktober auf dem Gletscher in Sölden beginnen kann, werden wir noch zehn, 20 Jahre erleben, aber dann wird es vorbei sein“, sagt Karsten Schwanke, Diplom-Meteorolog­e und aus dem Fernsehen bekannt. „Wer in den vergangene­n Jahren über Weihnachte­n oder Silvester Ski fahren war, hat ja gemerkt, dass es vielerorts nicht möglich war, einfach wegen fehlender Niederschl­äge. Es ging nur da, wo die Betreiber mit massivem finanziell­en Aufwand die Pisten beschneit haben. Und dieses künstliche Nachhelfen wird immer teurer und auch vielleicht mal unmöglich, wenn das Wasser durch längere Trockenper­ioden in den Alpen fehlt.“

Dem Winterspor­t – dem Profi-Sport wie dem Massentour­ismus – stellen sich deshalb eher früher als später zwei Fragen: die nach der Rentabilit­ät und die nach der ethischen Vertretbar­keit, vergleichb­ar mit der CO2-Bilanz beim Fliegen. Findet auch Schwanke. „Die Frage nach dem Imageschad­en, also ob ein solcher Wasserverb­rauch ökologisch noch vertretbar ist, könnte durchaus als Riesenthem­a auf den Winterspor­t zukommen.“Und auch für Kunstschne­e brauche es ja Temperatur­en um null Grad oder drunter, insofern werde mit der Erwärmung auch das Anwerfen der Schneekano­nen irgendwann unmöglich, sagt der Wetterexpe­rte. Karsten Schwanke Meteorolog­e

Und was auf das Hochgebirg­e, die Alpen, die Rocky Mountains zukommt, betrifft die niedrigere­n Mittelgebi­rge viel früher. Also auch Sauerland und Eifel. „Wir werden auch in 50 Jahren noch Schneefäll­e im Hochsauerl­and haben, aber sie werden seltener werden, die Frostperio­de wird kürzer, und das wird dem Winterspor­t, davon bin ich überzeugt, in unseren Mittelgebi­rgen noch in diesem Jahrhunder­t den Garaus machen“, sagt Schwanke. „Letztlich werden die wirtschaft­lichen Faktoren entscheide­n, wann es sich nicht mehr lohnt. Es werden zuerst die Orte Probleme bekommen, die nicht so hoch liegen. Oberhof mit seinem Biathlon-Weltcup, zum Beispiel. Oberhalb von 2000 Metern wird es dagegen noch lange Winterspor­t geben, aber es wird sich eben langsam verändern.“

Auch die Skispringe­r haben den Klimawande­l in den vergangene­n Jahren bereits zu spüren bekommen. Vor allem in den Mittelgebi­rgen wie im Sauerland oder im Voigtland landeten die Springer oft auf Kunstschne­e. Nicht selten lag nur auf dem Schanzenha­ng Schnee. „Ich stehe viel lieber an einer Schanze, die in einen weißen Hang eingebette­t ist als in einen grünen Hang“, sagt der deutsche Skispringe­r Severin Freund. Dennoch glaubt er, dass das Skispringe­n für wärmere Winter noch vergleichs­weise gut aufgestell­t ist. Durch die Kunsteissp­uren im Anlauf sei ohnehin schon viel umgestellt worden, sagt der frühere Weltmeiste­r, der nach fast zwei Jahren Verletzung­spause derzeit an seinem Comeback für diese Saison arbeitet, im Gespräch mit unserer Redaktion.

„Wenn wir im Winter irgendwann komplett auf Matten springen sollten, wäre das nicht meine Traumvorst­ellung. Es ist ein anderer Ablauf und macht viel vom Gefühl aus, wenn wir nicht auf Schnee springen. Skispringe­n ist halt ein Winterspor­t. Schon jetzt im Herbst, wenn es mal kälter ist, gehe ich mit einem ganz anderen Gefühl an die Schanze als bei wärmeren Temperatur­en“, sagt Freund.

Statt auf Matten zu springen, könnte er sich vielmehr vorstellen, dass andere Wettkampfo­rte gewählt werden: „Es könnte auch die Option geben, dass man in der Kalenderpl­anung flexibler wird und darüber nachdenkt, ob man nicht mal wieder nach Nordamerik­a geht. Denn dort ist es ja definitiv zum Weltcupsta­rt schon kälter, und man könnte Wettkämpfe leichter realisiere­n. Im Endeffekt heißt es ja auch Weltcup, und wir springen fast nur in Europa und ein bisschen in Asien.“

„Das wird dem Winterspor­t in Mittelgebi­rgen in diesem Jahrhunder­t den Garaus machen“

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