Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Die Nerven: Musik fürs Jetzt

New Fall Festival

- VON DIRK WEBER

Wer behauptet, die Nerven seien die „am miesesten gelaunte Rockband“des Landes, der lügt. Bei ihrem Auftritt im ausverkauf­ten Bachsaal der Johanneski­rche zeigte sich das Trio gut aufgelegt. Besonders Schlagzeug­er Kevin Kuhn schien einen Clown gefrühstüc­kt zu haben. In kurzer Hose und als junger Lookalike von Axl Rose machte er Faxen. In einem kurzen Moment der Stille verkündete er, er habe soeben beschlosse­n, mit der Musik aufzuhören, deshalb sei dies hier und heute das letzte Konzert. Als Zugabe stimmte er „We Are The Champions“an. A capella. Von mieser Laune keine Spur.

Vor einem halben Jahr hat die Band ihr hochgelobt­es Album „Fake“veröffentl­icht, ein quälendes, sperriges Ding, textlich schweres Zeug, wenn auch nicht mehr ganz so bleiern wie auf den Alben zuvor. Man könnte sagen: poppiger Noise-Rock. Verspielte­r Hardcore. Krach mit Pausen. Vor dem Konzert wurden jedenfalls Ohrenstöps­el verteilt. Als Warnung.

Im Video zu ihrer Single „Angst“hatten sie sich noch von der befreundet­en Band Tocotronic doubeln lassen. Zum New Fall Festival standen sie nun selbst auf der Bühne: Neben Kuhn Gitarrist und Sänger Max Rieger und Bassist und Sänger Julian Knoth, der ein schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift „Toxic“ trug, giftig. Nach sphärische­m Intro wurde es hart und unbarmherz­ig. Erster Song: „Niemals“. Leider gingen die Stimmen im wütenden Gitarrenge­witter unter und tauchten nicht wieder auf. Stattdesse­n Satzfetzen: „Lass alles los, gib alles frei.“Oder: „Immer nur dagegen, aber gegen was?“Die ersten vier Lieder liefen ineinander über. Einmal tanzte Rieger so, wie man tanzt, wenn man nicht tanzen kann, was goldig anzusehen war. „Explosione­n“hieß eines der Stücke und ja, manchmal war es wie im Krieg. „Es bricht über uns herein, die Explosione­n, wir waren dabei.“Die Nerven hatten mehr Fragen als Antworten. Ihre Zerrissenh­eit passt zur Jetzt-Zeit.

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