Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Anna Schudt über Freude, Freiheit und Fernsehen
Je näher die „Emmy“-Verleihung rückt, desto mehr steigt die Aufregung bei Anna Schudt. Beim wichtigsten amerikanischen Fernsehpreis als „beste Schauspielerin“nominiert zu sein – diese Überraschung hatte sie im September schier umgehauen. „Es brauchte eine Weile, bis ich begriff, was da passiert war“, sagt sie im Gespräch mit unserer Redaktion. Ihre grandiose Leistung in „Ein Schnupfen hätte auch gereicht“, der verfilmten Biografie von Gaby Köster, hatte ihr diese Ehre eingebracht.
Mit der Kölner Komikerin wird Anna Schudt (auch bekannt als Kommissarin im Dortmunder „Tatort“) bald nach New York reisen, wie Schudt exklusiv verriet. „Die Verleihung ist am 19. November, aber die Nominierten werden drei Tage miteinander verbringen“, erzählt sie. „Ich bin so gespannt auf die Begegnung und die Gespräche mit vielen berühmten Stars.“
Bei Fernseharbeiten sehe man sein Publikum in der Regel nicht. Allein deshalb sei ein sicht- und hörbarer Applaus, wie der „Emmy“ihn verspricht, eine feine Sache. Doch eigentlich gefiele ihr die Zeit vor der Entscheidung am besten. „Seit der Nominierung bekomme ich dauernd Glückwünsche“, sagt sie und lacht. „Gleichzeitig wird einem klar, dass man etwas zu verlieren hat. Ein merkwürdiges Gefühl. Man ist ja gar nicht selber angetreten, es ist ein Geschenk.“Deshalb versucht sie, möglichst wenig an die Trophäe zu denken. „Ich genieße die Vorfreude und gehe nicht davon aus, dass es klappt“, sagt die Schauspielerin, die bei der Wahl gegen drei profilierte Kolleginnen antreten muss. Die 1974 in Konstanz geborene Schudt wird sich bei den 46. International Emmy Awards im Big Apple gegen die Schauspielerinnen Thuso Mbedu in Is‘thunzi aus Südafrika (Rapid Blue), Emily Watson aus Großbritannien (Apple Tree Yard) und Denise Weinberg aus Brasilien (Psi) durchsetzen müssen. Dem deutschen Publikum ist sie neben ihrem „Tatort“-Engagement durch hochgelobte Auftritte an Schauspielbühnen, wie etwa dem Bayerischen Staatsschauspiel oder dem Düsseldorfer Schauspielhaus bekannt.
Außer Gaby Köster, der sie ihre Nominierung indirekt verdankt, wird Anna Schudt in New York Moritz Führmann an ihrer Seite haben. Für ihren Mann reicht es nur zu einem Kurztrip. „Willst du das wirklich auf dich nehmen?“, hatte sie ihn gefragt, weil auch er gerade extrem viel zu tun hat, bei Dreharbeiten und im Theater. Und er: „Aber Anna, wenn du vielleicht die höchste Auszeichnung bekommst, die es im Fernsehen gibt – wie könnte ich da nicht dabei sein?“. Da müsse man doch dahinschmelzen.
Zunächst ist ihr noch etwas anderes wichtig – ihr Film „Aufbruch in die Freiheit“am Montag (20.15 Uhr, ZDF). Er thematisiert die Abtreibungs-Debatte in den 1970er-Jahren und das legendäre „stern“-Titelbild, auf dem berühmte und unbekannte Frauen sich outeten. Darunter die Ehefrau eines Metzgers, Mutter von drei Kindern und heillos zerrieben zwischen harter Arbeit und Familie. Deren fiktive Geschichte spielt sie nun. „Ich bin ein kritischer Mensch, was meine Filme betrifft, aber der ist richtig toll geworden“, sagt sie. „Und auch deshalb interessant, weil einem bewusst wird, dass das alles gar nicht lang her ist.“Und noch längst nicht vorbei, wenn man sich die jüngsten Äußerungen des Papstes zur Abtreibung vor Augen führt. Anna Schudt empört sich über die seltsame Doppelmoral: „Du darfst Embryonen verschieben, auf Eis legen und klonen. Aber einer Frau spricht man das Recht der Entscheidung ab, ob sie ihr Kind austragen will oder eben aus vielerlei Gründen nicht.“Sicher wird sie darüber am Montag als Frühstücksgast bei „Volle Kanne“reden (9.05 Uhr, ZDF). Ganz bestimmt auch über hehre Absichten. Es lohne sich, Heldinnen zu spielen, ist Schudt überzeugt. „Ich sehe mich als Geschichten-Erzählerin. Und Geschichten sind immer dann gut, wenn es eine Helden-Figur gibt. Das kann tragisch, lustig oder spannend sein.“Regina Goldlücke