Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Über diese Straße kam Rom zu uns
Der Becher-Schüler Volker Döhne fotografierte in den 1990er Jahren von Bonn bis Xanten eine berühmte Römerstraße: den Limes.
KÖLN Am Anfang war die Straße. Und mit der Straße kam Rom zu uns. Und mit Rom schließlich die Kultur. So einfach soll es am Niederrhein vor mehr als 2000 Jahren also abgelaufen sein? Höchstwahrscheinlich ja. Denn der Limes – die Straße in Rheinnähe – ist mehr als bloß eine Versorgungsstraße oder auch Lebensader gewesen: Er ist das „Rückgrat unserer Kulturlandschaft“, sagt Marcus Trier, der das Römisch-Germanische Museum zu Köln leitet. Und damit ist nach seinen Worten diese Straße „eine Grundlage unseres Denkens“geworden.
Das ist nicht gerade wenig, was dieser teils gepflasterten, teils lehmigen Straße attestiert wird. Und das Beste ist: Die legendäre Verkehrsader ist nie verschwunden, sondern blieb verborgen unter den Teerdecken neuzeitlicher Straßen und ist in unseren Stadtbildern bis heute ablesbar, als Raum erfahrbar. Das wird einem klar, wenn man jetzt die etwa 400 Fotos des früheren Becher-Schülers Volker Döhne (65) betrachtet, die der neue Bildband „Limes“versammelt.
Döhne hatte die Limes-Fährte am alten Bonner Kanzleramt aufgenommen und sie bis nach Xanten verfolgt. Und das vor Jahren schon, genauer 1993 und 94. Das ist doppelt charmant, jetzt erstmals SchwarzWeiß-Fotos einer 2000 Jahre alten Route zu sehen, die selbst 25 Jahre alt und somit Geschichte sind, bundesrepublikanische zumal. So hat sich Volker Döhne seinerzeit sehr bewusst fürs rheinische Kanzleramt entschieden: Die Mauer war wenige Jahre zuvor gefallen und die Entscheidung bereits getroffen, aus der rheinischen eine gesamtdeutsche Berliner Republik zu machen. Zum Ausgangspunkt und Ziel seiner Expedition machte der Fotograf also untergegangene und untergehende Zentren der Macht.
Dass die Limesstraße sehr oft schnurgerade verläuft, hat den einfachen Grund, dass die Römer nichts zu tun hatten mit lästigen Planfeststellungsverfahren. So wurde gebaut, wie man es wollte. Mit Flüssen, Sümpfen und Bergen machten römische Ingenieure, so Marcus Trier, gewissermaßen „kurzen Prozess“. Allerdings war auch das schöne Planen nicht immer alles. Zum einen scheinen die Römer für den Limes einen vorgeschichtlichen Trampelpfad aus dem vierten Jahrtausend vor Christi Geburt genutzt zu haben; andererseits orientierten sich römische Bauherrn an der Bruchkante zum Rhein. Schließlich musste der wichtige Weg ganzjährig befahrbar bleiben und durfte nicht durch Hochwasser gefährdet werden. Dass die heutigen Verkehrswege auf der Trasse des Limes gelegentlich Hoch- oder auch Hohe Straße heißen, ist ein Hinweis auf diese topografische Besonderheit. In Moers-Asberg ist die Herkunft des Bauwerks sogar noch einfacher zu erschließen; dort heißt der Limes „Römerstraße“.
Seine große Bedeutung bekam die Straße aber erst durch eine katastrophale Niederlage der Römer: Mit der Varusschlacht im Jahre 9 n. Chr. – in der drei Legionen von den Germanen vernichtet wurden – ging auch der Traum von der Provinz „Germania magna“unter. Die Römer zogen sich wieder in den Westen zurück bis hinter den Rhein. Der Fluss wurde erst jetzt zur Grenze und der Limes ihre Überlebensader.
Die Straße war immer wichtig. An ihr entlang entstanden erst ein paar Dörfer und dann Städte, irgendwann kamen Burgen und Schlösser hinzu, später Kirchen und Klöster und zuletzt große Industriebauten. Die Straße ist Garant für Mobilität und Handel und sorgte so permanent für Veränderung und Wandel. Doch was immer auch links und rechts des Weges in all den Jahrhunderten geschah, die Straße blieb. Der Limes ist wegweisend und identitätsstiftend zugleich.
Das wird deutlich in den inzwischen schon älteren Fotos von Volker Döhne. Da werden Augenblicke einer großen Geschichte festgehalten, die so alltäglich und unprätentiös in Erscheinung tritt. Als sei alles immer schon dagewesen. Die Bilder beschwören nichts, sie sind ganz und gar unpathetisch. Aber sie lehren den Betrachter, sich selbst als ein geschichtliches Wesen zu begreifen. Und dass erst mit unserer Erinnerung die Herkunft erfahrbar bleibt und damit die Zukunft erklärbar wird.
Natürlich spielt dabei die besondere Anmutung der Schwarz-WeißFotos eine wichtige Rolle. Sie erscheinen oft karg, mitunter streng. Ein wenig glaubt man die Handschrift seiner Lehrer an der Düsseldorfer Kunstakademie ablesen zu können. Döhne gehörte von 1976 bis 1980 zur ersten Klasse der sogenannten Becher-Schule. Doch die Abwesenheit von Menschen auf vielen Bildern hat weniger einen ästhetischen, vielmehr einen praktischen Grund. Döhne konnte immer nur Sonntagsvormittags an seinem Limes-Projekt arbeiten – zu einer Zeit, da die legendäre Straße noch ganz bei sich war und vielleicht von der guten, alten Römerzeit träumte.
„Limes. Grenzgänge eines Fotografen von Bonn nach Xanten“. Volker Döhne, S. Siegel, M. Trier. Greven Verlag, 192 Seiten, 402 Abbildungen, 28 Euro