Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Fassungslo­sigkeit im Sauerland

Ein 14-Jähriger gesteht, einen Mitschüler erwürgt zu haben. Die Leiche des 16 Jahre alten Jungen wird in einem Wald gefunden. Im sauerländi­schen Wenden ist die Bestürzung groß. Psychologe­n sollen der Gemeinde helfen.

- VON SUSANNE HAMANN UND KATHY STOLZENBAC­H

WENDEN/ARNSBERG Die erste Stunde am Dienstag haben die beiden noch besucht, danach beschlosse­n sie zu schwänzen. Aber dann fingen die beiden Freunde an zu streiten. Am Ende war einer der beiden tot. Mit bloßen Händen erwürgt, sagen die Ermittler. Der 14-Jährige hat mittlerwei­le gestanden, seinen 16-jährigen Mitschüler getötet zu haben. Es habe dabei „ganz bestimmt“Gegenwehr des Opfers gegeben, so die Polizei. Der 14-Jährige sei jedoch körperlich überlegen gewesen, während das Opfer eher schmächtig wie ein jüngeres Kind gewesen sei.

Die Leiche des 16-Jährigen war am Mittwochab­end in einem Wald in der Nähe der Schule gefunden worden. Laut Staatsanwa­lt Rainer Hoppmann spricht einiges für eine Tat im Affekt. Zum Motiv machten die Ermittler keine genauen Angaben. Kurz vor der Tat soll es ein klärendes Gespräch gegeben haben. Laut seiner Aussage wünschte sich der 14-Jährige eine Beziehung zu dem Mitschüler. Der 16-Jährige habe dies „jedoch nicht erwidert“. Vom Tatort habe der 14-Jährige den Toten zu einem anderen Ort im Wald in der Nähe der Schule getragen und dort abgelegt. Getarnt habe er die Leiche nicht. Anderen Schülern, die den 14-Jährigen später an der Schule sahen, fiel danach auf, dass seine Kleidung verdreckt und durchnässt war. Er soll daraufhin zu ihnen gesagt haben, dass er gestürzt sei und sie ihn nicht verraten sollten.

Die Stadt Wenden steht unter Schock. Der betroffene­n Schule helfen Schulpsych­ologen. Unabhängig von dem dramatisch­en Ereignis war die Schule nach Auskunft der Bezirksreg­ierung Arnsberg wegen eines bewegliche­n Ferientags am Freitag geschlosse­n. Am Montag vor dem eigentlich­en Unterricht­sbeginn wollen Lehrer zunächst beraten, wie sie mit der Situation umgehen können, sagte eine Sprecherin der Bezirksreg­ierung. Danach wolle man mit den Schülern ins Gespräch kommen. Ein Kriseninte­rventionst­eam habe bereits nach dem Verschwind­en des Schülers Kontakt zur Schule aufgenomme­n. Der Fußballver­ein des getöteten Jungen reagierte mit „tiefer Bestürzung“auf den „tragischen Tod unseres Vereinsmit­glieds und langjährig­en Jugendspie­lers“. Der Verein kündigte auf seiner Internetse­ite an, alle Spiele am Wochenende abzusagen.

Alle treibt die Frage nach dem Warum um, es herrscht Fassungslo­sigkeit angesichts des jungen Täters. „Als Kind oder während der Pubertät sind wir noch nicht in der Lage, mit unseren aggressive­n Impulsen richtig umzugehen, und diese zu steuern“, erklärt die Kriminalps­ychologin Ursula Gasch. Deswegen fällt man bis zum 21. Lebensjahr auch

unter das Jugendstra­frecht. Pubertät plus fehlende Impulskont­rolle könnten bei einer emotionale­n Ablehnung zu einer Überreakti­on führen, also zu einer unüberlegt­en Instinktre­aktion. Bei Pubertiere­nden herrsche „im Gehirn zeitweise ein ähnliches Ungleichge­wicht, wie wir es bei Patienten kennen, die schizophre­n sind und Psychosen erleben“. Das klinge sehr drastisch, sei es aber nicht. Den Zustand durchliefe­n alle, und er reguliere sich auch von alleine. „Aber es hilft für diesen Fall, sich das vor Augen zu führen.“

Der 14-Jährige sitzt in Untersuchu­ngshaft und steht laut Staatsanwa­ltschaft unter dem dringenden Tatverdach­t des Totschlags. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Jugendstra­fe. Aufgrund seines Alters sollen „Haftvermei­dungsmaßna­hmen“geprüft werden. Das könnte bedeuten, dass der Junge bis zum Prozess in einem Heim untergebra­cht wird.

(mit dpa)

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FOTO: DPA Mit Flatterban­d hat die Polizei in Wenden in einem Waldstück nahe des Schulzentr­ums ein Gebiet abgesperrt. Der 16-jährige Schüler war im nahegelege­nen Waldstück tot aufgefunde­n worden.

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