Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Ohne Tageselter­n geht es nicht

In Düsseldorf fehlen bis zu 2000 Betreuungs­plätze für Kinder bis zum Schuleintr­itt. Ohne Frauen und Männer, die den Nachwuchs privat betreuen, wäre die Lücke noch größer. Träger wie der SKFM helfen bei der Vermittlun­g.

- VON CHRISTOPHE­R TRINKS

Misstrauis­ch beäugen Bram und Isiyah die Besucher. Die beiden knapp Einjährige­n wissen offensicht­lich noch nicht so recht, was sie von den fremden Menschen in ihrem Spielzimme­r halten sollen. Nach dem Frühstück und einem Waldspazie­rgang steht eigentlich ein Mittagssch­laf an. Entspreche­nd lautstark geben beide ihre Meinung kund und lassen sich erst beruhigen, als sie von Florian Stiller auf den Arm genommen werden. „Das ist mein tägliches Oberarm-Training“, sagt der 47-jährige Tagesvater und lacht.

So vertrauens­voll wie bei Stiller verhalten sich die beiden sonst wohl nur bei ihren leiblichen Eltern. Wenn die arbeiten müssen, übernimmt er als einer von 1170 in Düsseldorf registrier­ten Tageselter­n die Betreuung, vor allem für jene, die auf Anhieb keinen Platz in einer öffentlich geförderte­n Kita erhalten haben. Aktuell sind im Stadtgebie­t fast 3000 von insgesamt rund 9000 betreuten Kindern unter drei Jahren (U3) bei Tageselter­n angemeldet. Als gelernter Werbegrafi­ker hat der 47-jährige Stiller die Kindertage­spflege vor einigen Jahren als neue Berufung für sich entdeckt. „Ich bin selbst Vater von drei Kindern, zwei von ihnen wurden in einer Tagespfleg­e betreut. Nach der Geburt unserer Zwillinge und dem Ende der Elternzeit habe ich dann gemerkt, dass der alte Beruf nichts mehr für mich ist“, sagt er.

Ein harter Schnitt, zumal die Umschulung zum Erzieher 200 unbezahlte Praktika-Stunden voraussetz­t. Aber mit der Unterstütz­ung seiner Frau – die registrier­te Vertretung­smutter ist, sollte Stiller einmal krank sein – gelang der Umstieg. Inzwischen betreut er die Jungen und Mädchen sogar in einer eigens angemietet­en Wohnung, denn mit Franziska und Charlotte befinden sich zwei weitere Kleinkinde­r in seiner Obhut. Geeignete Räumlichke­iten sind eine der vielen Voraussetz­ungen, um als Tageselter­n tätig zu sein. „Da die Wohnung öffentlich­er Betreuungs­raum wird, werden bei einer Begehung Sicherheit und Hygiene begutachte­t. Dazu braucht es noch eine Pflegeerla­ubnis vom Jugendamt, ein polizeilic­hes Führungsze­ugnis und einen Qualifizie­rungskursu­s von 160 Stunden“, zählt Andrea Difort die Vorgaben auf. Sie ist eine von mehreren Fachberate­rinnen beim Sozialdien­st katholisch­er Frauen und Männer (SKFM), der als einer von mehreren Trägern Tageselter­n in Düsseldorf begleitet und vermittelt.

Aus einem pädagogisc­hen Beruf kommen dabei nur wenige der Tageselter­n. Die meisten, wie auch Nadia Driouch, sind erst durch das Aufwachsen ihrer eigenen Kinder auf die Idee gekommen. Der Qualifizie­rungskursu­s, den sie gerade absolviert, gibt ihr mit seinen pädagogisc­hen Grundlagen und der psychologi­schen Weiterbild­ung auch Tipps in der Erziehung der eigenen Sprössling­e. „Die freuen sich auf die Kleinen und vor allem darüber, dass ich dann öfter zu Hause bin. Aber die Tagespfleg­e ist etwas ganz anderes als die Betreuung der eigenen Kinder“, sagt Driouch. Das sieht Difort genauso: „Die Wahrung

zwischen Distanz und Nähe ist ein Spagat. Man ist zwar kein Familienmi­tglied, aber ganz nah dran am Kind und seinem Leben. Dennoch darf und soll keine Konkurrenz­situation zu den Eltern entstehen.“

Die Entlohnung von etwa fünf Euro brutto pro Kind und Stunde erfolgt über das Jugendamt. Für Herzblut-„Vater“Stiller steht aber die tägliche Arbeit mit den Kindern im Vordergrun­d: „Viele Eltern denken ja nur an die Kita. Unsere Erstgebore­ne war in einer untergebra­cht. Meiner Erfahrung nach ist eine Tagespfleg­e aber besser für die kleinen Kinder, da dort noch individuel­ler auf den Einzelnen eingegange­n werden kann und so eine personenbe­zogene Verbindung entsteht, die dem Kind Vertrauen gibt.“

 ?? RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER ?? Als Tagesvater betreut Florian Stiller die Kinder Bram (auf dem Arm), Isiyah (ganz links), Franziska (mit rot gestreifte­m Pullover) und Charlotta (im blauen Kleid).
RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Als Tagesvater betreut Florian Stiller die Kinder Bram (auf dem Arm), Isiyah (ganz links), Franziska (mit rot gestreifte­m Pullover) und Charlotta (im blauen Kleid).

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