Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Ohne Tageseltern geht es nicht
In Düsseldorf fehlen bis zu 2000 Betreuungsplätze für Kinder bis zum Schuleintritt. Ohne Frauen und Männer, die den Nachwuchs privat betreuen, wäre die Lücke noch größer. Träger wie der SKFM helfen bei der Vermittlung.
Misstrauisch beäugen Bram und Isiyah die Besucher. Die beiden knapp Einjährigen wissen offensichtlich noch nicht so recht, was sie von den fremden Menschen in ihrem Spielzimmer halten sollen. Nach dem Frühstück und einem Waldspaziergang steht eigentlich ein Mittagsschlaf an. Entsprechend lautstark geben beide ihre Meinung kund und lassen sich erst beruhigen, als sie von Florian Stiller auf den Arm genommen werden. „Das ist mein tägliches Oberarm-Training“, sagt der 47-jährige Tagesvater und lacht.
So vertrauensvoll wie bei Stiller verhalten sich die beiden sonst wohl nur bei ihren leiblichen Eltern. Wenn die arbeiten müssen, übernimmt er als einer von 1170 in Düsseldorf registrierten Tageseltern die Betreuung, vor allem für jene, die auf Anhieb keinen Platz in einer öffentlich geförderten Kita erhalten haben. Aktuell sind im Stadtgebiet fast 3000 von insgesamt rund 9000 betreuten Kindern unter drei Jahren (U3) bei Tageseltern angemeldet. Als gelernter Werbegrafiker hat der 47-jährige Stiller die Kindertagespflege vor einigen Jahren als neue Berufung für sich entdeckt. „Ich bin selbst Vater von drei Kindern, zwei von ihnen wurden in einer Tagespflege betreut. Nach der Geburt unserer Zwillinge und dem Ende der Elternzeit habe ich dann gemerkt, dass der alte Beruf nichts mehr für mich ist“, sagt er.
Ein harter Schnitt, zumal die Umschulung zum Erzieher 200 unbezahlte Praktika-Stunden voraussetzt. Aber mit der Unterstützung seiner Frau – die registrierte Vertretungsmutter ist, sollte Stiller einmal krank sein – gelang der Umstieg. Inzwischen betreut er die Jungen und Mädchen sogar in einer eigens angemieteten Wohnung, denn mit Franziska und Charlotte befinden sich zwei weitere Kleinkinder in seiner Obhut. Geeignete Räumlichkeiten sind eine der vielen Voraussetzungen, um als Tageseltern tätig zu sein. „Da die Wohnung öffentlicher Betreuungsraum wird, werden bei einer Begehung Sicherheit und Hygiene begutachtet. Dazu braucht es noch eine Pflegeerlaubnis vom Jugendamt, ein polizeiliches Führungszeugnis und einen Qualifizierungskursus von 160 Stunden“, zählt Andrea Difort die Vorgaben auf. Sie ist eine von mehreren Fachberaterinnen beim Sozialdienst katholischer Frauen und Männer (SKFM), der als einer von mehreren Trägern Tageseltern in Düsseldorf begleitet und vermittelt.
Aus einem pädagogischen Beruf kommen dabei nur wenige der Tageseltern. Die meisten, wie auch Nadia Driouch, sind erst durch das Aufwachsen ihrer eigenen Kinder auf die Idee gekommen. Der Qualifizierungskursus, den sie gerade absolviert, gibt ihr mit seinen pädagogischen Grundlagen und der psychologischen Weiterbildung auch Tipps in der Erziehung der eigenen Sprösslinge. „Die freuen sich auf die Kleinen und vor allem darüber, dass ich dann öfter zu Hause bin. Aber die Tagespflege ist etwas ganz anderes als die Betreuung der eigenen Kinder“, sagt Driouch. Das sieht Difort genauso: „Die Wahrung
zwischen Distanz und Nähe ist ein Spagat. Man ist zwar kein Familienmitglied, aber ganz nah dran am Kind und seinem Leben. Dennoch darf und soll keine Konkurrenzsituation zu den Eltern entstehen.“
Die Entlohnung von etwa fünf Euro brutto pro Kind und Stunde erfolgt über das Jugendamt. Für Herzblut-„Vater“Stiller steht aber die tägliche Arbeit mit den Kindern im Vordergrund: „Viele Eltern denken ja nur an die Kita. Unsere Erstgeborene war in einer untergebracht. Meiner Erfahrung nach ist eine Tagespflege aber besser für die kleinen Kinder, da dort noch individueller auf den Einzelnen eingegangen werden kann und so eine personenbezogene Verbindung entsteht, die dem Kind Vertrauen gibt.“