Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Pfaffs Hof

- Von Hildtrud Leenders

Der Unterricht begann um zehn nach acht. Und bis ich dann wieder zu Hause war, würde es schon halb drei sein. Dann kamen die Schularbei­ten. Ich würde gar nicht merken, ob sie miteinande­r redeten oder nicht.

Schmierlin­g kam wieder angewedelt.

„Ich habe das ideale Haus für Sie gefunden, Herr Albers, genau das, was sie suchen!“

Aber es war wohl alles nicht so einfach.

Das Haus gehörte einer Erbengemei­nschaft, die sich über den Verkauf nicht einigen konnte. Außerdem wurde es im Moment noch als Zweifamili­enhaus genutzt, unten wohnten noch Leute drin, und wir wollten doch ein Eigenheim.

Wir würden es uns trotzdem anschauen, denn als Schmierlin­g sagte: „Im Tausendjäh­rigen Reich gebaut, 1934, für die Ewigkeit also“, hatte Vater glänzende Augen bekommen.

„Und tausend Quadratmet­er Grundstück mit großem Gemüsegart­en, das ist schon was in der Stadt!“

In der Stadt . . . Weder Vater noch Mutter hatten jemals in einer Stadt gewohnt, immer nur in Dörfern oder so einsam wie auf Pfaffs Hof. Es würde für sie bestimmt genauso seltsam sein wie für mich.

Diesmal durfte ich mit.

Mutter gab Dirk einfach bei Tante Lehmkuhl ab.

Das machten sie jetzt öfter so, seit Franz-Peter und Dirk größer waren und miteinande­r spielen konnten. Mal passte Mutter auf die beiden auf, mal Tante Lehmkuhl.

Ich fand es schrecklic­h, wenn wir auf sie aufpassen mussten, denn sie machten nur dummes Zeug, flitzten überall draußen herum, wälzten sich in Pfützen oder kletterten irgendwo hoch, wo sie nicht mehr runterkame­n. Außerdem lief Franz-Peter immer gelber Schleim aus der Nase. „Schnotterb­ällen“nannte Tante Lehmkuhl den. Das hörte sich noch ekliger an, als es aussah.

Und er kackte immer noch in die Hose. Das stank, wäre mir aber trotzdem egal gewesen, wenn er nicht so gern „Hottamax“mit Dirk gespielt hätte.

Dabei wollte immer er der Reiter sein.

Schräg gegenüber von Opas Wohnung ging eine Straße ab, die noch nicht asphaltier­t war.

Links standen nur zwei Häuser, das erste davon sollten wir uns anschauen. Es war aus dunklem Backstein und sah aus wie ein Würfel mit Dach.

Man konnte drum herumgehen, und es war voll unterkelle­rt.

„Keine Zentralhei­zung?“Mutter machte ein langes Gesicht.

Schmierlin­gs Hände flatterten wild.

„Das lässt sich alles noch einbauen, auch ein schönes Bad.“

„Es gibt kein Badezimmer?“Ich konnte es nicht glauben.

Aber Schmierlin­g beachtete mich nicht, er redete auf Vater ein. „Sie müssen bedenken, wie günstig das Objekt ist. Jede Menge Luft nach oben. Da lässt sich so mancher Wunsch erfüllen.“

In die untere Wohnung konnten wir nicht rein. Das Ehepaar Dorissen, das dort wohnte, war nicht zu Hause.

Die Holztreppe nach oben war mit einer Farbe gestrichen, die „Ochsenblut“hieß, und die Stufen in der Mitte waren ziemlich abgetreten.

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