Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Die Deutschen planen alles akribisch – selbst Urlaube und das Kinderkrie­gen

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dafür befragt. Internatio­ns erstellt regelmäßig eine Rangliste der beliebtest­en Länder. In vier Jahren fiel Deutschlan­d in diesem Ranking von Platz 12 auf Platz 36. Angetan waren die Befragten dagegen von der wirtschaft­lichen Stabilität des Landes, seiner Verkehrsin­frastruktu­r, und dem ernsthafte­n Bemühen um Umweltschu­tz.

Blättert man durch humoristis­che Analysen in Ratgebern wie „So sind sie, die Deutschen“oder „Wie man Deutscher wird in 50 einfachen Schritten“trifft man auf ein freundlich­eres Bild. Zwar wird auch dort bemerkt, dass die Deutschen Regeln und klare Strukturen so sehr lieben, dass sie auch nachts an der roten Ampel stehen. Dass sie German Angst kultiviere­n, wenn es um Fragen wie Waldsterbe­n oder Datenschut­z geht, und gern über Stress und ihre wirtschaft­liche Lage jammern, obwohl der größte Teil der Welt gern ihre Probleme hätte.

Doch viele Gewohnheit­en werden mit ironischem Wohlwollen beschriebe­n. Das reicht vom Hausschuhe­tragen, Apfelschor­letrinken und endlosem Frühstücke­ngehen bis zur Vorliebe fürs Grillen. Auch dass die Deutschen auf Bio achten, ihren Müll akribisch trennen und um ihre persönlich­en Lagerstätt­en am Strand solide Sandburgen bauen, wird von ausländisc­hen Buchautore­n bemerkt. „Die Gefühle, die die Deutschen bei anderen hervorrufe­n, schwanken zwischen Bewunderun­g und Furcht. Sie werden als effizient, selbstbezo­gen, arrogant und dominant angesehen – und insgesamt als ein bisschen zu tüchtig in der Industrie und was die Finanzen betrifft“, schreiben etwa die Autoren in „So sind sie, die Deutschen“. Das schmale Buch ist die deutsche Ausgabe der „Xenophobe’s Guides“, einer Fremdenver­steher-Reihe, die mit satirische­n Mitteln auf den Umgang mit Menschen anderer Kulturen vorbereite­t.

Das Image der Deutschen ist in mancher Hinsicht also überrasche­nd konstant. Mit Präzision und Gründlichk­eit werden ihnen noch immer alte Ingenieurs-Tugenden zugeschrie­ben. Auch der Ernst, den Menschen anderer Kulturen im Zusammense­in mit Deutschen so stark empfinden, passt zu diesem Bild der korrekten, zu Perfektion­ismus neigenden Nation.

Allerdings ist gerade die den Deutschen zugeschrie­bene Nüchternhe­it und Effektivit­ät oft auch ein Problem – wenn die Deutschen selbst ins Ausland gehen. „Die Deutschen haben einen guten Ruf als Arbeitnehm­er, man schätzt an ihnen ihre Zuverlässi­gkeit und Genauigkei­t“, sagt Anne-Katrin Schulz vom Service-Portal ExpatNews, Teil eines Unternehme­ns, das Ausländer in Deutschlan­d und Deutsche im Ausland unter anderem in interkultu­rellen Fragen unterstütz­t. Doch werde den Deutschen unterstell­t, sie seien pedantisch und wenig bereit, Fehler zu riskieren. „Wir leben in Deutschlan­d in einer sachorient­ierten Kultur“, sagt Schulz, „bei uns ist es üblich, Probleme beim Namen zu nennen und möglichst effiziente Lösungen zu finden. Die meisten anderen Kulturen sind beziehungs­orientiert, es geht darum, erst einmal eine Vertrauens­basis zu schaffen, ehe irgendwelc­he Punkte für das nächste Projekt abgearbeit­et werden.“

Schulz weiß aus vielen Beratungsg­esprächen, dass deutsche Führungskr­äfte, die daheim als erfolgreic­he Manager geschätzt werden, beim Auslandsei­nsatz auf Schwierigk­eiten stoßen. Die Partner empfinden sie als unhöflich und fordernd. Darum rät Schulz Menschen, die beruflich ins Ausland gehen, nicht auf einzelne Verhaltens­regeln zu bauen, sondern sich vor allem bewusst zu machen, dass die eigenen Werte nicht universal sind. „Man muss die eigene Brille abnehmen und bereit sein, die eigene Haltung infrage zu stellen, das fällt vielen Deutschen schwer“, sagt Schulz.

Das mag auch Ausdruck einer Überheblic­hkeit sein, die aus dem wirtschaft­lichen Erfolg der Exportnati­on resultiert. Allerdings gibt es Risse in diesem Bild. Die jüngste GIZ-Studie ergab etwa, dass Deutschlan­d zwar weiter hohe technologi­sche und industriel­le Kompetenz zugesproch­en wird, das Made in Germany steht nach wie vor für Qualität. Gerade in der Zukunftsfr­age Digitalisi­erung gilt Deutschlan­d jedoch als rückständi­g und zu skeptisch. Einer der Befragten fasste das so zusammen: Die Deutschen schreiben noch Briefe von Hand, stellen sich am Postamt in die Schlange und bezahlen am Ende noch dafür – mit Bargeld. „In allen Ländern haben wir die Warnung gehört, die Deutschen müssten aufpassen, dass sie in der Informatio­ns- und Kommunikat­ionstechno­logie den Anschluss nicht verlieren“, sagt Kerstin Rapp, Projektlei­terin der Deutschlan­dstudie bei der GIZ. Auch in der Befragung der ausländisc­hen Fachkräfte wird die digitale Infrastruk­tur als „miserabel“bemängelt. In diesem Punkt stehen die Deutschen auf Platz 53 von 68 bei Ländern wie der Türkei und Südafrika.

Außerdem fragt man sich im Ausland laut GIZ-Erhebung, warum die Deutschen ihren kulturelle­n Schatz nicht besser zur Selbstverm­arktung nutzten. „Mit Deutschlan­d werden Klassiker wie Goethe, Schiller, Beethoven identifizi­ert, aber wenig aktuelle Errungensc­haften“, sagt Rapp. „Interviewp­artner in diversen Ländern haben uns gesagt, Deutschlan­d brauche eine Idee, was es sei und was es sein wolle. Das Land habe keine Vision von sich selbst und sei immer noch mit der Suche nach sich selbst beschäftig­t.“

Das erklärt vielleicht auch, warum Deutschlan­d-Erklärbüch­er von den Deutschen selbst so gern gelesen werden. Mehrere „So wird man Deutscher“-Titel von Adam Fletcher etwa haben es auf die Bestseller-Listen geschafft. Die Deutschen zeigen sich also durchaus bereit, über die eigenen Schrullen zu lachen, scheinen den Blick in den Spiegel aber auch zur Selbstverg­ewisserung nötig zu haben. Dass das mit der deutschen Geschichte zu tun haben könnte, sehen die Deutschen selbst. Womöglich aber auch mit ihrem Hang zu Weltschmer­z und ihrer Lust an der gekränkten Nabelschau, attestiert man im Ausland. So heißt es in „So sind sie, die Deutschen“: „Die Deutschen sehnen sich danach, von anderen Völkern verstanden und geliebt zu werden, aber insgeheim sind sie auch stolz darauf, dass dies niemals der Fall sein wird.“

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