Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Ein Krimi als Gesellscha­ftskritik

Im neuen Fall des Privatermi­ttlers Wilsberg geht es um die krummen Geschäfte skrupellos­er Finanzbera­ter.

- VON CARSTEN LINNHOFF

MÜNSTER (dpa) Die Szene ist gespenstis­ch. Zwei Gestalten treffen sich unter einer Brücke. Eine von ihnen gerät in das Fadenkreuz eines Gewehres. Hochspannu­ng gleich zu Beginn des neuen „Wilsberg“-Krimis im ZDF. Wie ein Thriller führt das Drehbuch in die Handlung ein. Dann fällt der Schuss. Alles Hoffen und Bangen vergebens. Einer der beiden stirbt – das Gesicht weggeschos­sen. Ungewohnt brutal für das Team um den Privatdete­ktiv und ewig klammen Buchhändle­r Georg Wilsberg (Leonard Lansink).

Und so vermutet Ermittler Overbeck (Roland Jankowsky) auch schnell einen Mafia-Killer hinter der Tat, der unter der Brücke am Aasee in Münster zugeschlag­en hat. Ob Mafia oder Finanz-Mafia – seine Chefin Kommissari­n Anna Springer (Rita Russek) meldet Zweifel an. Nach den ersten Ermittlung­en der Polizei in Münster wird ihr schnell klar, dass es um Geld geht, um soziale Schicksale und die kleinen und großen Finanzsorg­en von Nachbarn und Kollegen von Wilsberg. Und Springer wird selbst reingezoge­n in den Fall, denn die Kommissari­n hat viel Geld in ihre Altersvors­orge investiert und alles verloren.

Der 61. Fall mit dem Titel „Mörderisch­e Rendite“kommt wie gewohnt als Krimikomöd­ie daher. Die Hochspannu­ng zum Auftakt und die sensiblen Einblicke in das Seelenlebe­n von verzweifel­ten Rentnern, die von skrupellos­en Finanzbera­tern um ihre Ersparniss­e gebracht wurden, sind für den Wilsberg-Fan aber eher ungewohnt.

Drehbuchau­tor Georg Ludy und Regisseur Martin Enlen gelingt aber eine gute Mischung, auch wenn dem Zuschauer nach der Selbsttötu­ng des langjährig­en Wilsberg-Nachbarn Paul Dietze (Michael Kauscheine) die Lacher der Folge im Halse steckenble­iben. Die Gesellscha­ftskritik an Altersarmu­t und Fehlern im Rentensyst­em („40 Jahre arbeiten und dann zur Suppenküch­e?“) kommt an und wirkt nicht aufgesetzt.

Was die Folge neben dem Plot so kurzweilig macht, sind die Schauspiel­er in den Nebenrolle­n als Gegengewic­ht zum eingespiel­ten Wilsberg-Team. Der Österreich­er Simon Schwarz (zuletzt als Täter im Wien-„Tatort“und Ensemble-Mitglied bei den ARD-„Vorstadtwe­ibern“) ist als gerissener Finanzbera­ter Uli Pape ebenso eine Wucht wie Michael Brandner („Hubert und Staller“) als schmierige­r Bankenchef. Mörderisch­e Rendite traut der Zuschauer beiden zu. Cornelia Gröschel spielt eine gerissene Versicheru­ngsvertret­erin,

die Ekki (Oliver Korittke) als versteckte­m Ermittler die Schamesröt­e ins Gesicht treibt. Gröschel ist die neue Kommissari­n im Dresden-„Tatort“und löst dort ab 2019 Alwara Höfels ab.

Am Ende löst sich die Frage, wer das Gewehr mit dem Fadenkreuz gehalten hat, überrasche­nd auf. Keine Überraschu­ng mehr ist die Zuneigung, die Anna Springer für Georg Wilsberg empfindet. Die Kommissari­n träumt davon, mit dem Eigenbrötl­er in den Urlaub zu fahren. Im Abspann sitzen die beiden zur Melodie des Bee-Gees-Klassikers „How Deep Is Your Love?“(„Wie stark ist deine Liebe?“) vor dem Werbeplaka­t eines Kreuzfahrt­schiffes. Die nächste Wilsberg-Folge auf dem Traumschif­f? Die Gesichtszü­ge des Privatdete­ktivs lassen erahnen, was er davon hält.

„Wilsberg: Mörderisch­e Rendite“, ZDF, Sa., 20.15 Uhr

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FOTO: THOMAS KOST/ZDF/DPA Wilsberg (Leonard Lansink) spricht mit Bordellbes­itzerin Linda (Angelika Bartsch), weil sie einen Hinweis für seine Ermittlung­en hat.

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