Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Binnenschi­ffe wie Diesel-Pkw umrüsten“

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Die NRW-Umweltmini­sterin will so die Stickoxid-Emissionen in den Städten am Rhein senken. Gibt es noch Alternativ­en zu Fahrverbot­en?

URSULA HEINEN-ESSER Selbstvers­tändlich, Fahrverbot­e können unter der Maßgabe der Verhältnis­mäßigkeit nur die Ultima Ratio sein. Vom Autoverkeh­r bis zum Zugfahrpla­n – das Paket der Maßnahmen ist vielfältig. Neben den Pkw müssen wir auch andere Emittenten, zum Beispiel die Binnenschi­fffahrt, stärker in den Blick nehmen.

Also auch Fahrverbot­e für alte Binnenschi­ffe?

HEINEN-ESSER Nein. Man muss sie, wie Diesel-Pkw auch, umrüsten. Damit kann man die Stickoxid-Emissionen der Schiffsmot­oren um bis zu 70 Prozent reduzieren. Und das müssen wir auch. In Köln etwa stammen 20 Prozent der Stickoxid-Emissionen aus der Schifffahr­t, in Düsseldorf sogar 30 Prozent. An der Messstelle Corneliuss­traße stammen immerhin noch sieben Prozent der Stickstoff­dioxid-Konzentrat­ion aus dem Schiffsver­kehr. Wir als Land NRW fordern daher, dass Geld in die Hand genommen wird, um den Binnenschi­fffahrern Anreize zu schaffen, ihre Motoren zu modernisie­ren. Wir brauchen eine Ausweitung der bestehende­n Umrüstpräm­ien für Binnenschi­ffer. Zu dem Thema werden wir auf der anstehende­n Umweltmini­sterkonfer­enz einen entspreche­nden Antrag einbringen.

Meinen Sie, die Binnenschi­fffahrt wäre dazu bereit?

HEINEN-ESSER Ich werde das in Kürze mit Vertretern der Binnenschi­fffahrt besprechen. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie das positiv sehen. Aber wie gesagt: Der Umstieg muss sich für sie über die Jahre gerechnet lohnen.

Nicht nur die Luft ist schlecht. Das Thema Mikroplast­ik ist in aller Munde. Wie betroffen ist der Rhein?

HEINEN-ESSER Wir finden Mikroplast­ik überall: in Meeren und Fließgewäs­sern, in Gewässeror­ganismen – aber auch in Böden oder im Menschen. Ein Pilotproje­kt mit fünf Bundesländ­ern hat im vergangene­n Jahr gezeigt: Rund 99 Prozent der in den untersucht­en Binnengewä­ssern gefundenen Kunststoff­partikel waren kleiner als fünf Millimeter. Im Rhein wurden eher niedrige bis mittlere Konzentrat­ionen gefunden. Fakt ist: Mikroplast­ik beeinträch­tigt zunehmend unsere Gewässerqu­alität.

Wie gefährlich ist Mikroplast­ik?

HEINEN-ESSER Wir stehen in der Erforschun­g von Mikroplast­ik, dessen Eintragswe­ge und dessen Wirkungen noch ganz am Anfang. Daher gibt es auch noch keine validen Studien zu dem Thema, obwohl alle darüber sprechen. Das ist ein großes Versäumnis. Wir müssen diese Wissenslüc­ken schließen, um darauf aufbauend agieren zu können – im Schultersc­hluss mit den Aktivitäte­n auf Bundes- und EU-Ebene. Daher werden wir das Thema im Rahmen der Umweltmini­sterkonfer­enz erneut deutlich zur Sprache bringen.

Was muss sich ändern?

HEINEN-ESSER Wir benötigen valide Messmethod­en und toxikologi­sche Bewertunge­n, um Gewässerpr­oben belastbar untersuche­n zu können. Und wir benötigen ein gemeinsame­s Vorgehen im Kampf gegen überflüssi­gen Plastikmül­l. Bananen oder Postwurfse­ndungen, die in Plastik verpackt sind oder die tägliche Flut an Coffee-to-Go-Bechern – die Liste überflüssi­ger Verpackung­en ist lang.

Ist der Klimawande­l in NRW angekommen?

HEINEN-ESSER Der Klimawande­l ist auch in NRW bereits spürbar. Die Extrem-Wettererei­gnisse in diesem Jahr schärfen das Bewusstsei­n dafür, dass wir handeln müssen. Die Dürre und die partiellen Starkregen­fälle sind Zeugen des Klimawande­ls.

Kann man was gegen den Klimawande­l tun?

HEINEN-ESSER Wir müssen vor allem runter mit klimaschäd­lichen Emissionen, zugleich aber auch die Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawande­ls hochfahren. Eine wichtige Vorsorgema­ßnahme ist die verstärkte Förderung der grünen Infrastruk­tur. Das heißt, wir brauchen mehr wirksame Frischluft­bahnen in den Städten, stärker vernetzte Grünfläche­n, grüne Fassaden und grüne Dächer.

CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER FÜHRTE DAS INTERVIEW.

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FOTO: DPA Die CDU-Politikeri­n ist seit Mai im Amt.

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