Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Die Grenzen des guten Kostüms
Am Sonntag starten die Jecken in die Session. Dabei ist nicht jede Verkleidung eine gute Idee. Realistische Waffen und sich das Gesicht zu schwärzen sind tabu. Aber auch ein Indianer-Kostüm ist für manche schon problematisch.
DÜSSELDORF Rafinha hat gezeigt, wie man es nicht machen sollte. Auf einem Foto sieht man ihn, wie er mit seinen Kollegen vom FC Bayern München Halloween feiert. Der Fußballer ist als Scheich verkleidet und hält eine Bombenattrappe in der Hand. Nicht lustig! Entsprechend negativ waren die Reaktionen. Rafinha entschuldigte sich. Es sei nicht seine Absicht gewesen, Menschen zu verärgern.
Sein Beispiel zeigt, dass es hilfreich sein kann, etwas genauer über das eigene Kostüm nachzudenken – erst recht vor dem Start der Karnevalssession. In dieser Hinsicht herrscht zwischen den Karnevalshochburgen am Rhein ungewohnte Einigkeit. „Karneval ist eine lockere Angelegenheit. Das Kostüm sollte andere nicht verstören und nicht gegen gute Sitten verstoßen“, sagt Hans-Peter Suchand vom Comitee Düsseldorfer Carneval. „Sicherlich ist es sinnvoll, sich bei der Kostümauswahl ein paar Gedanken zu machen. Allzu echt aussehende Waffen beispielsweise sind keine gute Idee“, ergänzt Tanja Holthaus vom Festkomitee Kölner Karneval. „Kostüme sollten niemanden beleidigen oder verletzen. Wir sehen uns hier aber nicht in der Position, Vorschriften zu erlassen. Wir vertrauen auf den gesunden Menschenverstand der Jecken.“
Keine Waffen tragen, nicht als Scheich mit Bombenattrappe verkleiden – bis hierhin sind die Verhaltensregeln noch recht einfach. Die Macher der Kampagne „Ich bin kein Kostüm!“gehen allerdings weiter. Auf ihren Plakaten sind Menschen zu sehen, die Bilder von stereotypen Kostümen in der Hand halten. Daneben die Aufschrift „Das bin nicht ich, und das ist nicht okay!“. Die Idee stammt aus den USA. Eine Studierendengruppe aus Ohio wollte mit der Kampagne auf diskriminierende Halloween-Kostüme aufmerksam machen. 2017 übertrug ein Bündnis rund um den Antidiskriminierungsverband Deutschland die Kampagne auf den rheinischen Straßenkarneval.
„Es geht um das ewige Thema: Was darf Humor?“, sagt Simone Rafael von der Amadeu Antonio Stiftung. Die Stiftung gegen Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus unterstützte das Projekt. „Die Grenze liegt da, wo man sich über Ethnien lustig macht. Auch dann, wenn das immer so war.“Ein typisches Beispiel hierfür ist das Blackfacing, bei dem sich Menschen das Gesicht schwarz anmalen. Das sehen mittlerweile auch die meisten Karnevalisten ein. Im August änderten beispielsweise die „Frechener Negerköpp“sowohl ihren Namen als auch ihre traditionellen Kostüme. „Kinder können gerne als Jim Knopf gehen, weil sie ihn als Lokomotivführer cool finden. Dafür müssen sie sich aber das Gesicht nicht schwarz anmalen“, sagt Rafael.
Doch die Kampagne geht noch weiter. Auch Indianer, Geisha und Transsexueller werden von den Machern als Kostüme abgelehnt. Zwar wird den Trägern ausdrücklich keine bewusste Diskriminierung vorgeworfen. Unwissentlich verstärkten sie jedoch „rassistische und stereotype Bilder“. Diskriminierende und teils romantisierende Eindrücke würden an die nächste Generation weitergegeben. Aber wie weit darf das gehen? Schließlich geht es im Karneval auch um die Flucht aus dem Alltag. „In der Narrenwelt leben alle auf Probe“, schreibt der Psychologe und Karnevals-Philosoph Wolfgang Oelsner. „Die Sehnsucht kommt zum Ausdruck, sich auszumalen, wie es wäre, ein anderes Leben zu führen.“
Die Karnevalskomitees in Köln und Düsseldorf sprechen sich gegen klare Grenzziehungen aus. Niemand möchte den Jecken vorschreiben, wie sie sich kleiden sollen. In der Realität spielten stereotype Verkleidungen ohnehin eine untergeordnete Rolle, sagt Björn Lindert, Geschäftsführer des Kostümhandels Deiters. „Da gibt es moderne, individuellere Sortimente, die von Kunden viel häufiger nachgefragt werden.“Deiters vertreibt noch die Kostüme „Eskimo“und „Indianer“und würde so durch das strenge Raster von „Ich bin kein Kostüm!“fallen. Das Interesse an diesen Verkleidungen sei vor allem durch Kinofilme unverändert hoch, sagt Lindert.
Diesen Trend kennt auch Rafael, die mit den kleinen Karnevalisten nachsichtiger ist. „In den USA gab es eine große Diskussion um den Disneyfilm ,Vaiana’. Viele Kinder wollten sich danach wie die Figuren verkleiden.“Vaiana ist im Film die Tochter eines polynesischen Stammeshäuptlings, die sich auf die Suche nach dem Halbgott Maui begibt. Disney veröffentlichte zu Halloween ein Kostüm Mauis mit Baströckchen und tätowierter Haut zum Anziehen. Die Rassismus-Debatte begann. „Bei Kindern finde ich solche Kostüme weniger problematisch als bei Erwachsenen“, sagt Rafael.
Eine wichtige Spielregel im Karneval: „Von einem Kostüm sollte sich niemand bedroht fühlen“, sagt Hans-Peter Suchand vom Comitee Düsseldorfer Carneval. Sich also als Attentäter, Taliban oder als Sonderkommando zu verkleiden ist unpassend und handelt einem womöglich nur Ärger ein. „Wir möchten keine Spielverderber sein, aber bei echt aussehenden Waffen hört der Spaß auf. Die würde ich auf jeden Fall zu Hause lassen“, sagt eine Sprecherin der Polizei Düsseldorf.
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