Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Die Grenzen des guten Kostüms

Am Sonntag starten die Jecken in die Session. Dabei ist nicht jede Verkleidun­g eine gute Idee. Realistisc­he Waffen und sich das Gesicht zu schwärzen sind tabu. Aber auch ein Indianer-Kostüm ist für manche schon problemati­sch.

- VON MARC LATSCH

DÜSSELDORF Rafinha hat gezeigt, wie man es nicht machen sollte. Auf einem Foto sieht man ihn, wie er mit seinen Kollegen vom FC Bayern München Halloween feiert. Der Fußballer ist als Scheich verkleidet und hält eine Bombenattr­appe in der Hand. Nicht lustig! Entspreche­nd negativ waren die Reaktionen. Rafinha entschuldi­gte sich. Es sei nicht seine Absicht gewesen, Menschen zu verärgern.

Sein Beispiel zeigt, dass es hilfreich sein kann, etwas genauer über das eigene Kostüm nachzudenk­en – erst recht vor dem Start der Karnevalss­ession. In dieser Hinsicht herrscht zwischen den Karnevalsh­ochburgen am Rhein ungewohnte Einigkeit. „Karneval ist eine lockere Angelegenh­eit. Das Kostüm sollte andere nicht verstören und nicht gegen gute Sitten verstoßen“, sagt Hans-Peter Suchand vom Comitee Düsseldorf­er Carneval. „Sicherlich ist es sinnvoll, sich bei der Kostümausw­ahl ein paar Gedanken zu machen. Allzu echt aussehende Waffen beispielsw­eise sind keine gute Idee“, ergänzt Tanja Holthaus vom Festkomite­e Kölner Karneval. „Kostüme sollten niemanden beleidigen oder verletzen. Wir sehen uns hier aber nicht in der Position, Vorschrift­en zu erlassen. Wir vertrauen auf den gesunden Menschenve­rstand der Jecken.“

Keine Waffen tragen, nicht als Scheich mit Bombenattr­appe verkleiden – bis hierhin sind die Verhaltens­regeln noch recht einfach. Die Macher der Kampagne „Ich bin kein Kostüm!“gehen allerdings weiter. Auf ihren Plakaten sind Menschen zu sehen, die Bilder von stereotype­n Kostümen in der Hand halten. Daneben die Aufschrift „Das bin nicht ich, und das ist nicht okay!“. Die Idee stammt aus den USA. Eine Studierend­engruppe aus Ohio wollte mit der Kampagne auf diskrimini­erende Halloween-Kostüme aufmerksam machen. 2017 übertrug ein Bündnis rund um den Antidiskri­minierungs­verband Deutschlan­d die Kampagne auf den rheinische­n Straßenkar­neval.

„Es geht um das ewige Thema: Was darf Humor?“, sagt Simone Rafael von der Amadeu Antonio Stiftung. Die Stiftung gegen Antisemiti­smus, Rassismus und Rechtsextr­emismus unterstütz­te das Projekt. „Die Grenze liegt da, wo man sich über Ethnien lustig macht. Auch dann, wenn das immer so war.“Ein typisches Beispiel hierfür ist das Blackfacin­g, bei dem sich Menschen das Gesicht schwarz anmalen. Das sehen mittlerwei­le auch die meisten Karnevalis­ten ein. Im August änderten beispielsw­eise die „Frechener Negerköpp“sowohl ihren Namen als auch ihre traditione­llen Kostüme. „Kinder können gerne als Jim Knopf gehen, weil sie ihn als Lokomotivf­ührer cool finden. Dafür müssen sie sich aber das Gesicht nicht schwarz anmalen“, sagt Rafael.

Doch die Kampagne geht noch weiter. Auch Indianer, Geisha und Transsexue­ller werden von den Machern als Kostüme abgelehnt. Zwar wird den Trägern ausdrückli­ch keine bewusste Diskrimini­erung vorgeworfe­n. Unwissentl­ich verstärkte­n sie jedoch „rassistisc­he und stereotype Bilder“. Diskrimini­erende und teils romantisie­rende Eindrücke würden an die nächste Generation weitergege­ben. Aber wie weit darf das gehen? Schließlic­h geht es im Karneval auch um die Flucht aus dem Alltag. „In der Narrenwelt leben alle auf Probe“, schreibt der Psychologe und Karnevals-Philosoph Wolfgang Oelsner. „Die Sehnsucht kommt zum Ausdruck, sich auszumalen, wie es wäre, ein anderes Leben zu führen.“

Die Karnevalsk­omitees in Köln und Düsseldorf sprechen sich gegen klare Grenzziehu­ngen aus. Niemand möchte den Jecken vorschreib­en, wie sie sich kleiden sollen. In der Realität spielten stereotype Verkleidun­gen ohnehin eine untergeord­nete Rolle, sagt Björn Lindert, Geschäftsf­ührer des Kostümhand­els Deiters. „Da gibt es moderne, individuel­lere Sortimente, die von Kunden viel häufiger nachgefrag­t werden.“Deiters vertreibt noch die Kostüme „Eskimo“und „Indianer“und würde so durch das strenge Raster von „Ich bin kein Kostüm!“fallen. Das Interesse an diesen Verkleidun­gen sei vor allem durch Kinofilme unveränder­t hoch, sagt Lindert.

Diesen Trend kennt auch Rafael, die mit den kleinen Karnevalis­ten nachsichti­ger ist. „In den USA gab es eine große Diskussion um den Disneyfilm ,Vaiana’. Viele Kinder wollten sich danach wie die Figuren verkleiden.“Vaiana ist im Film die Tochter eines polynesisc­hen Stammeshäu­ptlings, die sich auf die Suche nach dem Halbgott Maui begibt. Disney veröffentl­ichte zu Halloween ein Kostüm Mauis mit Baströckch­en und tätowierte­r Haut zum Anziehen. Die Rassismus-Debatte begann. „Bei Kindern finde ich solche Kostüme weniger problemati­sch als bei Erwachsene­n“, sagt Rafael.

Eine wichtige Spielregel im Karneval: „Von einem Kostüm sollte sich niemand bedroht fühlen“, sagt Hans-Peter Suchand vom Comitee Düsseldorf­er Carneval. Sich also als Attentäter, Taliban oder als Sonderkomm­ando zu verkleiden ist unpassend und handelt einem womöglich nur Ärger ein. „Wir möchten keine Spielverde­rber sein, aber bei echt aussehende­n Waffen hört der Spaß auf. Die würde ich auf jeden Fall zu Hause lassen“, sagt eine Sprecherin der Polizei Düsseldorf.

Kommentar

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FOTO: FRANK KREIDLER Darf man das noch? Nach einer Diskussion um Namen und Kostüme nennt sich die Karnevalsg­esellschaf­t, die früher „Frechener Negerköpp“hieß, nun „Wilde Frechener“. Und verzichtet auf die schwarze Schminke.

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