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Auto-Werbung mit Steuergeld­ern

In einem Rundschrei­ben informiert das Kraftfahrt­bundesamt über Umtauschpr­ämien der deutschen Autoherste­ller. Verbrauche­rschützer sind empört. Denn gleichzeit­ig geht es beim Thema Hardware-Nachrüstun­gen nicht voran.

- VON JAN DREBES UND FLORIAN RINKE

BERLIN Als Susanne Meier den Umschlag öffnete, war sie fassungslo­s. Das Kraftfahrt­bundesamt (KBA) hatte die Frau, die in Wahrheit anders heißt, angeschrie­ben, weil sie einen Euro-5-Diesel fährt und bald von Fahrverbot­en betroffen sein könnte. In dem Schreiben weißt die Aufsichtsb­ehörde auf Angebote hin, die Volkswagen, BMW und Mercedes ihren Kunden machen.

„Im Rahmen der Umtauschak­tion können betroffene Bürger Umtauschpr­ämien, Leasingang­ebote oder Rabatte der Hersteller in Anspruch nehmen“, schreibt das KBA und weist auf einen weiteren Vorteil hin: „Die Umtauschak­tionen der Hersteller können sofort in Anspruch genommen werden.“Maßnahmen zur Hardware-Nachrüstun­g von älteren Diesel-Fahrzeugen stünden erst im Laufe des kommenden Jahres zur Verfügung. Wer Interesse hat, kann sich per Hotline direkt an die Konzerne wenden, die Nummern liefert das KBA direkt mit.

„Das ist ein Werbeschre­iben für die deutsche Autoindust­rie“, ärgert sich Meier. Auch Klaus Müller, Chef des Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and, moniert, die Hinweise auf Umtauschak­tionen ließen „die nötige Distanz zur Industrie vermissen“. Zumal das Schreiben letztlich auch noch dem Steuerzahl­er in Rechnung gestellt werden dürfte. Denn die Hersteller, die aus datenschut­zrechtlich­en Gründen keinen Zugriff auf die Adressen der Autobesitz­er hatten, beteiligen sich nicht an den Kosten. Bei rund 1,5 Millionen Briefen dürfte selbst bei hohen Mengenraba­tten allein das Porto schätzungs­weise 650.000 Euro gekostet haben, hinzu kämen Ausgaben für Papier, Druck und Personal.

Susanne Meier ärgert allerdings noch etwas anderes. Im Brief heißt es: „Durch Ihr Mitwirken bei der Flottenern­euerung, kann die Luft in unseren Städten weiter verbessert werden, ohne dass Sie eine Einschränk­ung für Ihr Mobilitäts­verhalten befürchten müssen.“Sie habe sich einen Diesel in dem Glauben gekauft, dass er sauber sei, sagt Meier: „Jetzt klingt es so, als wären wir Bürger verpflicht­et, dass die Abgaswerte in den Städten stimmen.“

Befeuert wird dieser Eindruck dadurch, dass die Bundesregi­erung im Kampf gegen Luftversch­mutzung und Fahrverbot­e langsamer vorankommt als geplant. Denn ob es tatsächlic­h 2019 zu den im Schreiben angekündig­ten Hardware-Nachrüstun­gen kommt, ist nicht gesagt.

BMW-Chef Harald Krüger sagte gestern, diese seien nicht vor 2021 realisierb­ar. Der Hersteller lehnt Umbauten an der Abgasreini­gung ab. „Die auf Hardware-Nachrüstun­g fokussiert­e Diskussion um den Diesel findet so nur in Deutschlan­d statt“, sagte Krüger. Andere Länder würden stattdesse­n konsequent auf eine Erneuerung der Flotten setzen oder Elektromob­ilität fördern.

Die Fronten scheinen vor dem Treffen am heutigen Donnerstag von Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) und deutschen Autobauern verhärtet. Dabei soll es da um die Finanzieru­ng der Hardware-Nachrüstun­gen gehen.

Es hakt auch an anderer Stelle. Eigentlich wollte das Kabinett am Mittwoch über eine Änderung des Bundesimmi­ssionschut­zgesetzes abstimmen, vertagte die Entscheidu­ng aber. Wann geplante Regelungen zu Ausnahmen und zur Verhältnis­mäßigkeit von Fahrverbot­en beschlosse­n werden sollen, ist offen.

Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) erhöhte unterdesse­n vor dem Treffen von Scheuer und den Auto-Managern den Druck auf die Industrie. „Die Autoherste­ller haben heute die Chance, ihrer Verantwort­ung gerecht zu werden und verlorenes Vertrauen wieder herzustell­en“, sagte sie. „Sie haben gesamtgese­llschaftli­ch etwas gut zu machen.“Ohne Millionen Diesel mit hohen Stickoxidw­erten und betrügeris­cher Abgasmanip­ulation hätten man sich viele Auseinande­rsetzungen sparen können. „Ich erwarte von den Autobauern daher ein klares Ja zu Hardware-Nachrüstun­gen für Diesel-PKW und zur vollständi­gen Kostenüber­nahme“, sagte Schulze. „Technisch sind sie bei Weitem nicht so komplizier­t, wie uns das teilweise weiß gemacht werden soll.“

Im Bundesverk­ehrsminist­erium kann man unterdesse­n die Aufregung um das Schreiben des KBA nicht verstehen. Man informiere die Dieselfahr­er lediglich über die Maßnahmen zur sauberen Luft in den Städten. „Wenn wir dies nicht tun würden, würden uns dieselben Kritiker Intranspar­enz, mangelnde Aufklärung und fehlenden Bürgerdial­og vorwerfen“, sagte ein Sprecher.

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AUSRISS: RP Ausriss aus einem Informatio­nsschreibe­n des Kraftfahrt­bundesamte­s an Besitzer eines älteren Diesel-Fahrzeugs von Anfang November.

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