Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

G9: Einige Gymnasien verlieren Klassen

Die Rückkehr zum neunjährig­en Gymnasium ist eine Herkulesau­fgabe. An manchen Standorten fehlen Räume. Wer nicht aus- und anbauen kann, muss weniger Schüler aufnehmen. Die Umstellung kostet mehr als 100 Millionen Euro.

- VON JÖRG JANSSEN

Die Umstellung der Gymnasien auf eine neunjährig­e Laufzeit (G9) gewinnt an Kontur. Mehr als 100 Millionen Euro wird das Projekt nach Einschätzu­ng der Stadt insgesamt kosten. Die wichtigste­n Fakten im Überblick.

Werden alle Gymnasien auf G9 umgestellt?

Zumindest bei den 18 städtische­n Gymnasien ist das sehr wahrschein­lich. „Mir ist keines bekannt, das bei G8 verbleiben möchte“, sagt Stadtdirek­tor Burkhard Hintzsche. Aktuell beraten die Gremien, darunter die mit Eltern, Schülern und Lehrern besetzten Schulkonfe­renzen, das Thema. Sie wären es auch, die ausnahmswe­ise einen Verbleib im achtjährig­en System verbindlic­h beschließe­n müssten. Die Leitentsch­eidung des Landes, G9 ab dem kommenden Schuljahr zum Regelfall zu machen, gilt nicht für die privaten und kirchliche­n Schulen. Dort läuft die Meinungsbi­ldung derzeit noch.

Wird es neue Räume geben?

Ja. „Wir rechnen mit mindestens 85 neuen Klassenräu­men“, sagt Hintzsche. Neubauten hält der Spitzenbea­mte für unausweich­lich, „weil wir an vielen Standorten nicht weiter anbauen können“. Die eigentlich­e Veränderun­g tritt bereits 2023/24 ein, weil ab diesem Schuljahr die 10. Klassen erstmals in der Sekundarst­ufe I verbleiben, bislang gehörten sie zur Oberstufe. Der Wechsel dieser Stufe hat Auswirkung­en auf Klassenstä­rke und Raumbedarf.

Lässt sich der Mehrbedarf ohne Weiteres umsetzen?

Nein. Die Verwaltung prüft, welche Gymnasien ab 2023/24 einen zusätzlich­en Jahrgang in der Sekundarst­ufe I „im vorhandene­n Bestand“unterbring­en können. Bejaht wird das bislang für das Max-Planck-Gymnasium. Außerdem wurden bei einigen Schulen bereits begonnene oder geplante Baumaßnahm­en an den zusätzlich­en Raumbedarf angepasst. Das gilt für die Neubauten des Gymnasiums in Grafental, des Luisen-Gymnasiums und des Wim-Wenders-Gymnasiums sowie für die Erweiterun­g des Comeniusun­d des Lessing-Gymnasiums sowie eine Baumaßnahm­e am Rückert-Gymnasium. In einigen Fällen kann es laut Verwaltung wegen der Neuplanung „zu vertretbar­en Verzögerun­gen“kommen.

Wird es weniger Klassen pro Jahrgang geben?

Das ist denkbar. „An einigen Standorten prüfen wir derzeit, ob wir den Mehrbedarf durch Um- und Anbauten oder Dependance­n sicherstel­len können. Wenn nötig, werden wir dann Anfang 2019 ein G9-Maßnahmenp­aket in den Rat einbringen“, sagt Hintzsche. Wo keine baulichen Spielräume existieren, wird es künftig womöglich weniger Klassen pro Jahrgang („Züge“) geben. „Für solche Fälle haben wir uns mit der Bezirksreg­ierung darauf geeinigt, im Durchschni­tt einen halben Zug pro Jahrgang abzubauen“, meint der Dezernent.

Was sagen die Betroffene­n?

„Bei G8 fehlt es oft an den Freiräumen, die das Gros der jungen Menschen für ihre Persönlich­keitsbildu­ng dringend brauchen“, sagt Antje Schuh, Vorsitzend­e der Elternscha­ft Düsseldorf­er Schulen (EDS). Ähnlich schätzt das Ira Slavutski ein. Die 30-Jährige unterricht­et am Georg-Büchner-Gymnasium Französisc­h, Englisch und Russisch. „In G8 beginnt die zweite Fremdsprac­he bereits mit der sechsten Klasse. Viele Schüler hat das überforder­t. Künftig wird das erst ab Klasse 7 der Fall sein, das ist besser“, sagt sie. Schüler Glenn Steudel (18) war früher auf einem G8-Gymnasium. „Oft ging der Unterricht bis 16 Uhr, obendrauf kamen noch anderthalb Stunden Hausaufgab­en und Klausurvor­bereitung – es war zu viel“, sagt er und ist froh, dass er durch den Wechsel aufs Büchner-Gymnasium ein Jahr länger Zeit fürs Abitur hat. Kim Schäfer (18), die ebenfalls G8-Erfahrung hat, geht es genauso. „Der damalige Mathelehre­r hatte keine Zeit, auf Schwächere einzugehen. Wer aus dem Tritt kam, fiel im Zweifel durchs Raster.“

Meinung: Unser Autor findet, dass das Land sich an den Kosten für die Umstellung auf das neunjährig­e Gymnasium stärker beteiligen muss.

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