Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Wenn ich spiele, denke ich nicht nach“

Dodi Lukebakio liefert bei Fortunas 3:3 in München eine Galavorste­llung ab und erzielt alle drei Treffer. Jetzt will er auf dem Teppich bleiben.

- VON PATRICK SCHERER

Überall Kameras, Mikrofone, Aufnahmege­räte, Smartphone­s. Mehr sieht Dodi Lukebakio in der ersten Stunde nach dem 3:3 in München nicht. Alle wollen wissen: Wer ist dieser Mann, der dem großen FC Bayern drei Tore eingeschen­kt hat? Und der im Kongo geborene Belgier macht in diesen Minuten vor allem das, was er neben Fußballspi­elen am besten kann: lachen. „Ich hoffe doch, die Jungs haben das im Guten gemeint“, sagt er und präsentier­t ein breites Grinsen, dem man sich nicht entziehen kann. Mit „die Jungs“meint er seine Kollegen, und speziell Robin Bormuth, der Lukebakio kurz zuvor als „den Verrückten da vorne drin“bezeichnet hat – natürlich mit positiver Konnotatio­n.

Lukebakio hat sich mit seinen drei Treffern ein Denkmal gesetzt, in die Herzen der Fortuna-Fans geschossen und einen Platz in den Geschichts­büchern gesichert. Der 21-Jährige ist erst der sechste Spieler, der es überhaupt geschafft hat, den Bayern drei Tore in einem Bundesliga­spiel einzuschen­ken. Zuletzt gelang das dem Schalker Ebbe Sand vor 17 Jahren. „Ich habe noch nie drei Tore in einem Spiel als Profi erzielt“, erzählt Lukebakio. „Nur in der Jugend.“

In München lässt er es dann allerdings so aussehen, als wäre das Toreschieß­en die einfachste Sache der Welt. Nur einen Versuch Lukebakios kann Manuel Neuer abwehren. Nach 50 Sekunden lenkt der Nationalke­eper seinen Schlenzer mit den Fingerspit­zen zur Ecke. In den folgenden drei Duellen mit Lukebakio zieht der Welttorhüt­er der Jahre 2013 bis 2016 den Kürzeren. „Ich habe an nichts gedacht“, sagt der Mann des Tages, „er ist ein großer Torhüter, aber ich habe auf dem Feld nicht daran gedacht. Wenn ich Fußball spiele, denke ich nicht nach.“

Diese Coolness und Lockerheit finden sich auch in den Beschreibu­ngen seiner Mannschaft­skameraden und des Trainers wieder. „Ich weiß ja, dass er cool ist. Ich weiß ja, dass er nicht viele Chancen braucht, um Tore zu machen“, erklärt Friedhelm Funkel, „das sehe ich immer im Training.“Lukebakio bringt eine Unbekümmer­theit mit, die Fluch und Segen zugleich ist.

Welche Anlagen er hat, zeigt Lukebakio bereits in seinen ersten Testspiele­n, nachdem klar ist, dass er für eine Saison vom englischen Erstligist­en FC Watford ausgeliehe­n wird. Ohne Kaufoption – für die gab es keine Chance. Seine Schnelligk­eit und seine Ballbehand­lung machen ihn zum Liebling der Fans. Nur einer tritt auf die Euphoriebr­emse: Friedhelm Funkel. Nachdem Lukebakios Fehler im Test gegen Florenz ein Gegentor nach sich zieht, weist der Trainer öffentlich darauf hin, dass sich Fortuna solche Aussetzer in der Bundesliga nicht leisten kann. Der erfahrene Coach vermisst bei allem Esprit die defensive Disziplin. Deshalb setzt Funkel ihn zu Beginn der Saison auch nur dosiert ein.

Doch mit zunehmende­r Dauer bleibt dem Trainer keine Wahl mehr: Lukebakios Qualitäten im Angriff sind zu groß, um das Risiko nicht in Kauf zu nehmen. Auch das Spiel in München ist ein gutes Beispiel dafür, dass Funkels Mantra, Lukebakio müsse noch viel lernen, um ein Großer zu werden, seine Berechtigu­ng hat. Lukebakio verschulde­t das 0:1 mit einem Querschläg­er im eigenen Strafraum, und noch schlimmer: Er lässt in der ersten Halbzeit nach Ballverlus­ten den Kopf hängen und lamentiert, statt direkt in den Verteidigu­ngsmodus umzuschalt­en. Das bringt ihm mehrmals Ansagen von Funkel und Co-Trainer Thomas Kleine ein. Doch am Ende interessie­rt all das keinen mehr so wirklich: Lukebakio schießt das wichtige 1:2 kurz vor der Pause und lässt später bei zwei Alleingäng­en Neuer, Niklas Süle, Jerome Boateng und Mats Hummels wie Nachwuchsk­icker aussehen – man of the match.

„Ich bin immer auf seiner Seite“, sagt Kapitän Oliver Fink. „Ich wusste immer, dass der Junge wichtig für uns sein kann. Ich mag den Kerl einfach. Es ist gar nicht hoch genug einzuschät­zen, was er heute für uns geleistet hat. Er kann ein richtig Großer werden.“Funkel will zunächst nicht so richtig verraten, was er denn seinem Schützling nach der Galavorste­llung gesagt hat, gibt dann aber doch preis: „Ich habe ihm gesagt, dass er Bleischuhe anziehen soll.“Und Lukebakio selbst betont: „Ich muss meine Füße auf dem Boden behalten, wir sind noch nicht fertig.“Dann präsentier­t er wieder sein Zahnpasta-Lächeln.

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FOTO: DPA Dodi Lukebakio nach dem ganz großen Coup: Der 21-jährige Belgier brüllt seine Freude über den Treffer zum 3:3 hinaus. Links Jean Zimmer.

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