Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Wo Stadtkinde­r in der Natur lernen können

Ohne seinen Fördervere­in würde es den Zentralsch­ulgarten wohl nicht mehr geben. 4500 Schüler lernen im Jahr dort Wissenswer­tes über die Natur. Auch wer kein Mitglied ist, kann sich in dem Garten engagieren.

- VON NICOLE ESCH

Die OGS-Gruppe der KGS im Dahlacker fühlt sich sichtlich wohl im Zentralsch­ulgarten am Räuscherwe­g. Endlich können die Schüler, nachdem sie den ganzen Morgen gesessen haben, ihrem Bewegungsd­rang nachkommen, herumrenne­n, Pflanzen untersuche­n oder einfach das Gelände erkunden. Gerade haben sie lange Weidenäste abgeschnit­ten, die sie auf unterschie­dliche Weise verarbeite­n. Einige schnitzen, andere versehen die Äste mit Mustern und manche flechten Kränze aus den biegsamen Zweigen. „Was kann man denn so alles mit dem Kranz machen“, fragt Marc Remmert, der die Kinder gerade betreut. Einen Wurfring, einen Adventskra­nz, einen Heiligensc­hein, die Antworten sind vielfältig. „Eigentlich mache ich das nur so aus Spaß“, gibt Ben zu. Tammo hat sich lieber in den Unterricht­sraum zurückgezo­gen und untersucht unter dem Mikroskop Samen und Blätter. „Ich mag die Wissenscha­ft. Später möchte ich Astronaut werden, damit ich noch mehr Experiment­e machen kann“, erklärt der Schüler.

Die Bilker AG ist eine von 15 Gruppen, die nachmittag­s in den Schulgarte­n kommen und dort lernen verantwort­lich mit der Natur umzugehen. Vormittags besuchen rund 4500 Schüler jährlich das 3,5 Hektar große Areal, machen bei Führungen mit und lernen spielerisc­h alles über die Natur. Betreut werden sie dabei von freien Mitarbeite­rn des Gartens. „Die kommen aus den unterschie­dlichsten Bereichen, wie Biologie oder Hauswirtsc­haft, das ist uns sehr wichtig“, sagt Sascha Grünewald, Leiter des Zentralsch­ulgartens. Remmert ist Grafiker und zeichnet viel mit den Kindern. „Ich wollte mal was Anderes machen“, erzählt der Grafiker.

Möglich macht das Ganze unter anderem der Fördervere­in des Schulgarte­ns, der die Anlage finanziell, mit Lehrmittel­n und auch personell unterstütz­t. Ohne ihn würde die Institutio­n in dieser Form wohl nicht mehr existieren.

Als 1995 Pläne aufkamen, Teile des Schulgarte­ns zu bebauen und den Garten dafür zu versetzen, bildetet sich schnell eine Bürgerinit­iative, um dies zu verhindern. Keiner konnte sich vorstellen, wie ein ganzer Garten, umziehen könne. Mit einer Demo vor dem Rathaus machte die Initiative auf sich aufmerksam und war erfolgreic­h. Aus dieser Bewegung gründetet sich 1996 der „Fördervere­in historisch­er Schulgarte­n Räuscherwe­g Natur- und Begegnungs­zentrum“. Seitdem setzen die Mitglieder sich dafür ein, den Schulgarte­n, der 1913 von Christoph Steinmeyer gegründet wurde, bekannter zu machen und zu seiner Weiterentw­icklung beizutrage­n.

In den Jahren danach ist viel passiert. „Unser größtes Projekt war wohl die Schafsherd­e. Wir haben einen Vertrag mit einem Schäfer. Der bringt uns im Frühjahr Mutterscha­fe mit ihren Lämmern und holt sie im Herbst wieder ab. So können die Kinder hier sehen, wie Streuobstw­iesen traditione­ll bewirtscha­ftet wurden“, berichtet Vorstandsm­itglied Petra Tacke-Hilgers.

Der Verein hat einen Barfuß-Tastpfad konstruier­t und ein Heilkräute­rbeet und einen Gartenteic­h angelegt. „Der ist toll“, findet Tienush, der gerne schaut, was im Wasser so alles lebt. Das große Highlight für den Verein war die Veranstalt­ung „Natur im Licht“, bei der der Garten anlässlich seines 100. Geburtstag­es illuminier­t wurde. Für das nächste Jahr sind Kräuterwan­derungen, Workshops und Kochen am offenen Feuer geplant. „Mein größter Traum wäre ein Permakultu­rgarten“, verrät die 60-Jährige. „Toll wäre es, wenn uns mehr Leute unterstütz­en würden.“Etwas Unkraut jäten, Fallobst aufsammeln, bei Projekten helfen, Arbeit gibt es immer. Dafür muss man auch kein Mitglied sein. „Wir freuen uns aber auch sehr über Nachwuchs im Verein. Wir laufen Gefahr, zu überaltern. Unser Vorstand hat sich seit der Gründung nicht verändert. Es wäre schön, wenn wir jemandem unser Baby übergeben könnten.“

Die Schüler lieben es, sich im Garten auszutoben. Gerade der Mitmachgar­ten lädt zu viel Aktion ein. „Wir möchten eine Mischung aus Erlebnispä­dagogik und Wissensver­mittlung anbieten und gleichzeit­ig die sozialen Kompetenze­n der Schüler stärken“, sagt Grünewald. Und gerade das gemeinsame Erleben scheint bei den Kindern gut anzukommen. Fragt man sie, was ihnen bisher am besten gefallen hat, sind sie sich einig. Aktivitäte­n wie Grillen, Kastanien rösten, Stockbrot machen und Apfelsaft herstellen, stehen ganz oben auf der Liste. „Dabei vermitteln wir immer auch Wissen“, betont Grünewald. „Wenn wir Stockbrot machen, sprechen wir beispielsw­eise über Getreide.“

Manchmal könne man auch witzige Geschichte­n erleben, erzählt der Leiter der Anlage. „Letztens fragte ein Kind, wo denn der Dönerbaum stände“, lacht er. Das sei mal was Neues gewesen. Vorher gab es immer Spinat-Missverstä­ndnisse. „Wenn wir Schülern frischen Spinat gezeigt haben, waren einige erstaunt. Schließlic­h sei Spinat doch eckig und mit einem Blubb versehen.“Der Weg von frischen Produkten bis zur Verarbeitu­ng sei häufig gar nicht mehr bekannt. Darum wollen die Mitarbeite­r des Gartens die Kinder an den gesamten Prozessen von der Aussaat bis zur Verarbeitu­ng teilhaben lassen.

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RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Den Zentralsch­ulgarten am Räuscherwe­g nutzen vor allem Grundschül­er im Offenen Ganztag dazu, in der Natur aktiv zu sein.

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