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Der Monumentale: Bernardo Bertolucci ist tot
Im Alter von 77 Jahren ist der italienische Regisseur gestorben. Seine Filme erzählen von Macht, Liebe und Gewalt.
DÜSSELDORF Er hat seine Filme komponiert aus Landschaften, historischen Ereignissen, Menschen, deren Geschicke hineingeraten in den gewaltvollen Lauf der Zeit. Darum wirken die großen Werke von Bernardo Bertolucci so imposant, opernhaft und manchmal wie gemalt. Was dem Einzelnen geschieht, steht für etwas Größeres. Und doch sind die Figuren selbst in monumentalen Filmen wie „1900“oder auch „Der letzte Kaiser“kraftvoll gezeichnete Individuen, gespielt von Stars wie Marlon Brando, Robert De Niro, Burt Lancaster.
Der Sohn des Dichters Attilio Bertolucci begann seinen Weg 1961 als Regie-Assistent bei Pier Paolo Pasolini. Der drehte gerade sein erstes Werk „Accattone“über einen kleinen Zuhälter in einem Vorort von Rom. Bertolucci konnte studieren, wie ein anderer Charakterkopf des italienischen Films mit Laiendarstellern arbeitete, wie er Milieus inszenierte, wahrhaftig und zugleich überhöht. Wenige Jahre später beteiligte sich Bertolucci am Drehbuch für den Western-Klassiker „Spiel mir das Lied vom Tod“und wurde dann selbst mit einem Film weltbekannt, der vor allem wegen seiner gewaltvollen Sexszenen Aufsehen erregte. Zwar ist „Der letzte Tango in Paris“mit Marlon Brando von 1972 kein simpler Sensationsstreifen, sondern ein Film, der von den Ursachen der Gewalt erzählt, von Kränkung, Unterdrückung, Überdruss. Sex wurde zur Provokation des Bürgerlichen. Allerdings nahmen sich die Männer am Set wohl viele Freiheiten. Manches, was Hauptdarstellerin Maria Schneider später über die Dreharbeiten erzählte, stellt jedenfalls bis heute Fragen an den Film.
Bertolucci nannte sich selbst Marxist, er hatte seine Kindheit auf dem Land unter Bauernkindern verbracht und war ihnen nahe genug gekommen, um später zu erkennen, wer die Interessen der kleinen Leute tatsächlich vertrat. Und wer das nur vorgab. Vom Bürgertum, das sich in seinen Augen zu sehr auf die eigenen Belange zurückzog, war Bertolucci enttäuscht. Auch das hat er in seinen Filmen verarbeitet. Vielleicht am schönsten in „Die Träumer“, einem Spätwerk, in dem drei junge Leute sich in einer großbürgerlichen Wohnung im Paris von 1968 verschanzen. Ganz geben sie sich dem Spiel der erotischen Anziehungskräfte hin, während draußen die Studenten durch die Straßen ziehen. Kritiker sahen allerdings auch in diesem Werk den Voyeur hinter der Kamera.
Dabei ging es Bertolucci in vielen seiner Filme gerade um die desaströsen Folgen der Angepasstheit. In „Der große Irrtum“etwa, seiner ersten internationalen Großproduktion, spielt Jean-Louis Trintignant einen Mann, der so sehr dazugehören will, dass er sich der Geheimpolizei des faschistischen Italiens anschließt. Bertolucci erzählt diesen Film mit vielen Sprüngen und lässt so Raum, eine Geschichte über Schuld zu deuten.
Dass er nicht nur die italienische Historie im Blick hatte, die er in „1900“so opulent ausbreitete, sondern in allen Kulturkreisen nach den Mustern von Macht, Unterdrückung, struktureller wie sexueller Gewalt suchte, zeigt sein wohl erfolgreichster Film „Der letzte Kaiser“. Das mit zahlreichen Oscars ausgezeichnete Werk verfolgt das Leben des letzten Kaisers von China, der bereits im Alter von zwei Jahren den Thron bestieg, dann aber die politischen Wechsel in seinem Land am eigenen Leib erfuhr. Bertolucci machte daraus großes Erzählkino mit schwelgerischen Bildern, das einem Massenpublikum die komplexen Hintergründe einer Epoche vermittelt. Alle großen Werke hat Bertolucci mit dem Kameramann Vittorio Storaro gedreht, der vor allem über das Licht in den Szenen entschied und so den unverwechselbaren Ton in Bertoluccis Filmmalereien brachte.
Jahre litt der Regisseur unter Rückenproblemen, nach einer Bandscheibenoperation saß er im Rollstuhl. Von der Arbeit hat ihn das nicht abgebracht und auch nicht von seinem politischen Engagement. So hat er sich etwa für die Belange von Rollstuhlfahrern in einer wenig zugänglichen Stadt wie Rom eingesetzt. Nach längerer Krankheit ist Bernardo Bertolucci nun im Alter von 77 Jahren in Rom gestorben.