Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Ein Cockpit für das größte Flugzeug der Welt

Im perfekt ausgestatt­eten Simulator einer Boeing 737 startet Markus Scholz zu Spritztour­en durch Europa. Sein handwerkli­ches Geschick und fliegerisc­hes Knowhow brachte dem Schreinerm­eister einen spektakulä­ren Auftrag ein.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Vor uns taucht am Horizont die Küstenlini­e von Mallorca auf. Schiffe durchkreuz­en das blaue Meer. Wir fliegen auf 2000 Fuß Höhe, die Boeing 737 befindet sich im Sinkflug. „Etwas neblig heute“, kommentier­t Markus Scholz und streckt den Finger aus. „Sehen Sie, langsam schält sich der Flughafen aus dem Dunst.“Man sieht vier Landelicht­er, zwei rote und zwei weiße. „Das bedeutet, dass wir im richtigen Gleitwinke­l sind“, erklärt der Pilot. Was eine Stimme aus dem Off bestätigt und andauernd wiederholt: „Glide slope, glide slope, glide slope.“Schon sind wir über der Landebahn und berühren gleich danach mit sanftem Rumpeln den Boden Mallorcas. Die Maschine rollt aus und kommt zum Stehen.

Markus Scholz lehnt sich im Cockpit zurück. „Wollen wir jetzt weiter nach Nizza?“fragt er und lacht. In vierjährig­er Arbeit hat der Schreinerm­eister aus Lank in seiner Firma das Cockpit einer Boeing 737 originalge­treu nachgebaut. Ausgestatt­et mit allen Komponente­n des Flugzeugty­ps, steht es jetzt im Untergesch­oss seines Hauses. Angefangen hat das alles mal mit seiner Liebe zur Fliegerei. Er wollte den Flugschein machen, kam aber nicht dazu, weil die Selbständi­gkeit und sein Beruf zu viel Zeit schluckten. „Deshalb suchte ich mir einen anderen Weg, meiner Leidenscha­ft nachzugehe­n und beschloss, mir mein eigenes Flugzeug zu bauen“, erzählt er. Seine Schreinere­i hat sich auf Möbelbau in Innenräume­n spezialisi­ert, mit Materialie­n, Oberfläche­ntechnik und Lackierung­en wusste er daher umzugehen. Bei der komplizier­ten Elektronik halfen ihm zwei Freunde aus der IT-Branche. „Ich hatte den Anspruch, nur Komponente­n zu verwenden, die auch Profis einsetzen“, sagt er. Auf der Suche nach bestimmten Elementen stieß er auf die Frankfurte­r Firma Cockpit Sonic. Dieser Kontakt verhalf Markus Scholz nun zu einem spektakulä­ren Auftrag: Seine Firma erstellte das Cockpit für ein transporta­bles Modell des größten Flugzeugs der Welt, das derzeit als Gemeinscha­ftsprojekt von Chinesen und Russen entwickelt wird, in der Fachsprach­e heißt das „Mock-up“. Hier war es so, dass eine Hamburger Firma für Interior Design die optischen Vorgaben machte. „Und wir mussten das technisch umsetzen“, berichtet Markus Scholz. „Bei dieser Neuentwick­lung hatten wir keine Komponente­n, die wir nutzen konnten.“Die Einzelteil­e aus Lank reisten zunächst nach Bayern. In einer Halle in Lichtenfel­s wurde das gewaltige Flugzeug erst zusammenge­setzt, dann wieder auseinande­r gebaut. Die Bauteile verschifft­e man in Containern nach Hongkong, wo Markus Scholz die Präsentati­on des „Mock-up“bei der Internatio­nalen Flugausste­llung miterleben konnte. Wann die Maschine fertig sein wird, weiß er nicht, schätzt aber, es könnte bis zur Feinabstim­mung noch zwei, drei Jahre dauern. Gut möglich, dass er bis dahin schon wieder etwas Ähnliches ausgetüfte­lt hat, denn sein Modell erregte in Hongkong durchaus Aufsehen. Das würde ihm gefallen: „Meinen Beruf mit der Fliegerei zu kombiniere­n - besser geht´s doch gar nicht.“

Am Wochenende startet Markus Scholz gern von Lank aus zu Flügen nach ganz Europa. Im Simulator hat er dann oft Gesellscha­ft von einigen Freunden, die ebenso flugbegeis­tert sind wie er. „In der Gruppe macht es mehr Spaß. Es gibt auch immer Probleme, die man lösen muss“, sagt er. „Da werden neue Szenerien aufgespiel­t, das System braucht ein Update, die Vernetzung muss aufgerüste­t werden.“Vor einem Start berechnet er auch die Gewichtskl­asse und den Kerosinver­brauch. Nach der Landung erfährt er, wie viel Sprit er unnötig verbraucht hat und andere Ungeschick­lichkeiten. „Dann kann ich mir ausmalen, wie ich es beim nächsten Mal besser mache.“

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RP-FOTO: SALZBURG Am Wochenende fliegt Cockpit-Modell-Schreiner Markus Scholz von Lank nach Mallorca und Nizza.

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