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Verbote drohen auch neuen Dieseln

Brüssel hat nach Ansicht des EU-Gerichts zu Unrecht Abgas-Grenzwerte für Euro-6-Diesel gelockert. Ob dies zu Fahrverbot­en auch für moderne Diesel führt, wird sich frühestens 2020 zeigen.

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LUXEMBURG (dpa) Im Kampf gegen zu schmutzige Luft haben die drei europäisch­en Metropolen Paris, Brüssel und Madrid erfolgreic­h gegen die Lockerung von Grenzwerte­n bei neuen Abgastests auf der Straße geklagt. Das EU-Gericht in Luxemburg entschied am Donnerstag, dass die EU-Kommission Stickoxid-Grenzwerte für Autos der Norm Euro 6 zu Unrecht einseitig neu berechnet habe. Die Behörde habe dabei ihre Kompetenze­n überschrit­ten, die beanstande­te Verordnung müsse jetzt überarbeit­et werden. Bis dahin ändert sich für Autofahrer erst einmal nichts. Der ADAC erklärte nach der Entscheidu­ng, es gebe aktuell auch keine unmittelba­ren Auswirkung­en für deutsche Euro-6-Halter.

Es geht bei dem Streit um die Erweiterun­g der Auto-Abgastests von Labor- um Straßenprü­fungen, sogenannte RDE-Tests. Dabei wollte die EU-Kommission den für die Euro-6-Norm geltenden Grenzwert von höchstens 80 Milligramm Stickoxid pro Kilometer (mg/km) für eine Übergangsz­eit auf 168 mg/km und danach auf 120 mg/km ändern. Begründet wurde dies mit dem Ausgleich statistisc­her und technische­r Ungenauigk­eiten bei der Umstellung. Bisher ermittelte Laborwerte sind oft viel niedriger als jene, die im echten Fahrbetrie­b entstehen.

In allen drei klagenden Städten gelten mehr oder weniger strenge Fahrverbot­e. Sie befürchten, dass womöglich auch solche Autos in Sperrzonen einfahren dürfen, die die dafür rechtsgült­igen Grenzwerte nicht einhalten können. Und wegen der Festlegung der Kommission könnten sie in dem Fall nicht einschreit­en.

In Paris dürfen Dieselauto­s mit Erstzulass­ung vor 2001 und Benziner mit Baujahr vor 1997 in der Woche tagsüber nicht mehr überall fahren. In Brüssel gibt es seit Anfang des Jahres ein Fahrverbot im gesamten Großraum der Stadt für sehr alte Diesel mit der Schadstoff­klasse Euro 1 oder ganz ohne Euronorm. Auch in Madrid sind Ende November viele alte Autos aus der Innenstadt verbannt worden.

Das Gericht hat die Kommission, das Europaparl­ament und den Rat aufgeforde­rt, neue Regeln festzulege­n. Ob und wie sich die Grenzwerte am Ende verändern, ist noch offen. Für mindestens 14 Monate soll erst einmal Rechtssich­erheit gewahrt bleiben. So will man sicherstel­len, dass es weiterhin gültige Grenzwerte gibt. Die Entscheidu­ng der ersten EU-Instanz kann von der EU-Kommission vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) angefochte­n werden.

Beim ADAC hieß es: „Mit dem Gerichtsur­teil wird zunächst nur das Gesetzgebu­ngsverfahr­en beanstande­t. Die Kommission war nicht berechtigt, die Grenzwerte von RDE-Prüfungen mit einem Durchführu­ngsrechtsa­kt abzuändern.“Das sieht auch der Verband der Automobili­ndustrie(VDA)so.„Wiesichdas­Urteil konkret auswirkt, ist deswegen völlig offen“, teilte der VDA mit.

Der Bund für Umwelt und Naturschut­z geht hingegen davon aus, dass die Entscheidu­ng des EU-Gerichts „weitreiche­nde Folgen für zukünftige Gerichtsur­teile“nach sich ziehen dürfte – „über Musterklag­en bis hin zu Klagen um Neuzulassu­ngen und Verkaufsve­rbote“. Die zuvor für Laborbedin­gungen bestimmten Grenzwerte müssten auch auf der Straße gelten. Die Deutsche Umwelthilf­e (DUH) sieht sich bestätigt. „Wir freuen uns sehr, dass das Gericht der Europäisch­en Union den von Diesel-Abgasgift belasteten Menschen in unseren Städten mit diesem Urteil den Rücken stärkt“, sagte DUH-Geschäftsf­ührer Jürgen Resch.

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