Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Wer die Hitze nicht verträgt, . . .

Öffentlich Schwäche zu zeigen, war und ist für Führungskr­äfte sehr riskant.

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Es glaubt hoffentlic­h niemand die Mär, dass es für Führungskr­äfte außer bei traurigen Anlässen vorteilhaf­t sei, öffentlich Schwäche zu zeigen. Heute vor einer Woche schossen mir beim Blick auf den sichtbar schwitzend­en CDU-Parteitags­redner Friedrich Merz historisch­e Bilder durch den Kopf: beispielsw­eise ein Foto des kürzlich verstorben­en US-Präsidente­n George H.W. Bush, der 1992 beim Staatsbank­ett in Tokio vom Stuhl fiel und unter den Tisch sackte; oder an einen legendär unvorteilh­aften Schnappsch­uss von Bushs Vorvorgäng­er Jimmy Carter. Den hatte ein Fotograf mitleidlos als Jogger bloßgestel­lt, der in seinem schweißdur­chtränkten Sportler-Hemdchen den Eindruck eines erschöpfte­n Fitness-Opas um die Welt sandte, der will, aber nicht kann.

Und dann erinnerte ich mich an einen bedeutende­n CDU-Parteitag im September 1989 in Bremen: Parteichef und Kanzler Helmut Kohl entledigte sich bei einem politische­n, aber auch persönlich-medizinisc­hen Härtetest seiner erbitterte­n Gegner Lothar Späth und Heiner Geißler, die seinen Sturz geplant hatten. Kohl hatte sich dem Ärzte-Rat widersetzt und einem akuten urologisch­en Problem stundenlan­g getrotzt. Die OP musste 24 Stunden warten. Kohl hatte seinem Sohn Walter den Lebensrat gegeben: „Du musst stehen.“Führungskr­äfte wissen: Wer als Löwe Schwäche offenbart, der imponiert nicht, dem geht selbst kleineres Getier an die Kehle. Merz wirkte überanstre­ngt, gestresst, die Schweißtro­pfen, die er sich mit zunehmende­n Redeminute­n immer öfter von Kinn und Nase wischte, ließen seine Gegner und mehr noch seine Anhänger an einen weiteren US-Präsidente­n denken an Harry S. Truman und dessen unbarmherz­ig klingende Wahrheit: „Wer die Hitze nicht verträgt, hat in der Küche nichts verloren.“

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