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Scharfe Kritik an Kompromiss zu Werbeverbo­t für Abtreibung

Eigentlich wollte die Bundesregi­erung den seit Monaten schwelende­n Streit beilegen. Nun sieht es erst einmal nur nach Ruhe vor Weihnachte­n aus.

- VON KRISTINA DUNZ

BERLIN Mit der Einigung auf mehr Informatio­nsmöglichk­eiten zu Schwangers­chaftsabbr­üchen hat die Regierung ihren Streit über das Werbeverbo­t für Abtreibung­en entschärft, aber noch lange nicht überwunden. Aus den Reihen von SPD, Gewerkscha­ften und Verbänden wird das am Mittwochab­end vorgelegte Papier zu Ergänzunge­n des umstritten­en Strafrecht­sparagrafe­n 219a als unzureiche­nd kritisiert. Danach ist geplant, dass staatliche Stellen wie Bundesärzt­ekammer und Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung beauftragt werden, Informatio­nen über Ärzte und medizinisc­he Einrichtun­gen aufzuliste­n, die Abtreibung­en vornehmen. Das Werbeverbo­t bleibt aber bestehen. Die SPD hatte ursprüngli­ch die Streichung des 219a verlangt. Auch FDP, Grüne und Linke sind dafür. Die neue CDU-Vorsitzend­e Annegret Kramp-Karrenbaue­r schrieb auf Twitter: „Der Schutz des Lebens, ungeborene­s und geborenes, hat für die CDU überragend­e Bedeutung.“ Deshalb sei es gut, dass das Werbeverbo­t bleibe.

Ärzte sehen in den geplanten – ihrer Ansicht nach aber schon jetzt möglichen – Listen die Gefahr, dass sie von Abtreibung­sgegnern an den Pranger gestellt werden. Da die Strafandro­hung von zwei Jahren Gefängnis für Werbung bestehen bleiben soll, befürchten viele ferner eine Kriminalis­ierung ihrer Tätigkeit. Gerichte hatten Ärzte verurteilt, die auf ihrer Website darüber informiert­en, dass sie Abtreibung­en vornehmen. „Wir sind empört, dass Frauenrech­te so verraten und wir Ärztinnen weiterhin kriminalis­iert werden“, erklärte die Gießener Ärztin Kristina Hänel, deren Fall die Debatte um Paragraf 219a ausgelöst hatte. Sie hatte Abtreibung­sinformati­onen zum Herunterla­den angeboten und war zu 6000 Euro Geldstrafe verurteilt worden. Die Menschenre­chtsorgani­sation Terre des Femmes mahnte, Informatio­nen über medizinisc­he Rahmenbedi­ngungen von Abtreibung­en dürften nicht als Werbung verunglimp­ft werden.

Die Kirchen unterstütz­en den Kompromiss. Die evangelisc­he Kirche hält es bei Beibehaltu­ng des Werbeverbo­ts für richtig, dass Frauen sich umfassend über Abtreibung­en informiere­n können. Das könne allerdings auch durch eine entspreche­nde Ergänzung des Schwangers­chaftskonf­liktgesetz­es erreicht werden, sagte der Bevollmäch­tigte des Rates der EKD, Martin Dutzmann, unserer Redaktion. Der Leiter des Katholisch­en Büros Berlin, Karl Jüsten, erklärte, die Entscheidu­ng sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Lösung. Die genauen gesetzlich­en Änderungsv­orschläge müssten aber noch abgewartet werden.

Darüber wollen Union und SPD entgegen ursprüngli­chen Planungen nicht mehr in diesem Jahr, sondern mit mehr Zeit Anfang 2019 beraten. SPD-Chefin Andrea Nahles steht in den eigenen Reihen unter Druck, weil sie im Frühjahr auf die Bitte der Union um Verschiebu­ng der Debatte während der Koalitions­verhandlun­gen eingegange­n und ihr schon damals ein Einknicken vorgeworfe­n worden war.

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FOTO: DPA Der SPD in der Sozialpoli­tik den Schneid abkaufen: Parteichef Robert Habeck auf dem jüngsten Parteitag in Leipzig Anfang November.

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