Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Landärzte mit Herz statt Einser-Abi gesucht

Es gibt zu wenig Ärzte auf dem Land. NRW reserviert nun Studienplä­tze für Anwärter, die Landarzt werden wollen.

- VON THOMAS REISENER

DÜSSELDORF NRW wird als erstes Bundesland eine Landarztqu­ote einführen. Zum Winterseme­ster 2019/2020 sollen 170 junge Studenten bevorzugt Studienplä­tze erhalten. Im Gegenzug müssen sie sich verpflicht­en, später für zehn Jahre in unterverso­rgten Regionen als Ärzte zu arbeiten. Damit will das Land den Mangel an Ärzten in ländlichen Gebieten bekämpfen.

Bislang ist die wichtigste Qualifikat­ion von Abiturient­en für ein Medizinstu­dium die Abiturnote. An den Studiengän­gen der Medizin, Pharmazie, Tier- und Zahnmedizi­n herrscht ein Verteilung­skampf: Jährlich werden bundesweit nur gut 11.000 der etwa 50.000 Bewerber an öffentlich­en Hochschule­n zugelassen. Deshalb haben praktisch nur Abiturient­en mit Spitzen-Abi eine Chance auf ein Studium ohne lange Wartezeite­n.

Der Landtag hat die Landarztqu­ote als „Gesetz zur Sicherstel­lung der hausärztli­chen Versorgung“mit den Stimmen von CDU, FDP und AfD verabschie­det. Die Bundesländ­er Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Bayern kündigten an, dem Beispiel folgen zu wollen. Andere Bundesländ­er sind noch unentschlo­ssen oder lehnen die Quote sogar ab.

Kritiker wie der Opposition­sführer im NRW-Landtag, Thomas Kutschaty (SPD) wenden ein, dass die zehnjährig­e Selbstverp­flichtung der angehenden Landarzt-Studenten zu massiv in deren Lebensplan­ung eingreift. „Niemand weiß mit Anfang 20, wie sich die persönlich­e und berufliche Situation nach Abschluss des Medizinstu­diums darstellt“, sagte Kutschaty unserer Redaktion. Die Regelstudi­enzeit für Ärzte beträgt sechs Jahre. Zudem stören die Kritiker sich daran, dass die Vergabe der Studienplä­tze bei der Landarztqu­ote zum Instrument der Politik gemacht wird. Kutschaty: „Die Landarztqu­ote entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Placebo. Viel wichtiger ist, dass das Studium der Allgemeinm­edizin und der Beruf des Allgemeinm­ediziners insgesamt attraktive­r gestaltet werden.“

In Nordrhein-Westfalen soll die Auswahl der angehenden Landärzte das Landeszent­rum Gesundheit übernehmen. NRW-Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann (CDU) hat als Auswahlkri­terien unter anderem einschlägi­ge Berufserfa­hrungen etwa im Rettungsdi­enst, in der Alten- oder Krankenpfl­ege vorgegeben. Eine wichtige Rolle spielen soll auch ein persönlich­es Auswahlges­präch mit einer vom Land bestellten Kommission, die Empathie und Sozialkomp­etenz der Bewerber bewerten soll. Das Bewerbungs­verfahren startet im März.

Insgesamt bilden die NRW-Unis rund 2000 Ärzte pro Jahr aus. In ländlichen Regionen verschärft sich der Ärzte-Mangel. Von den 11.100 Hausärzten in NRW sind 6000 älter als 55 Jahre und 1250 sogar älter als 65 Jahre. „An den Universitä­ten wurde die Ausbildung von Hausärzten jahrelang vernachläs­sigt“, sagt Laumann, „in den nächsten zehn Jahren wird voraussich­tlich jeder zweite der heute in NRW niedergela­ssenen Hausärzte in Rente gehen.“Damit breche „das Rückgrat der medizinisc­hen Versorgung“weg. Seit 2006 ist die Zahl der jährlichen Anerkennun­gen neuer Allgemeinm­ediziner in NRW um rund 39 Prozent auf zuletzt gut 200 geschrumpf­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany