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Foto-Geschenk für acht Millionen

Düsseldorf bekommt mehr als 3000 Fotografie­n aus der bedeutende­n Berliner Sammlung Kicken. Einen Teil der Arbeiten kauft die Stadt für den Kunstpalas­t, den anderen bekommt sie geschenkt.

- VON KLAS LIBUDA

DÜSSELDORF Der Kunstpalas­t in Düsseldorf steht vor dem Ankauf einer bedeutende­n Sammlung von Fotografie­n. In seiner Sitzung am Donnerstag hat der Stadtrat zugestimmt, mehr als 3000 Arbeiten für das Kunstmuseu­m zu erwerben, darunter sind Werke von Man Ray, August Sander und Helmut Newton. Die Stadt ist bereit, für die Sammlung mehr als acht Millionen Euro zu bezahlen, und erhofft sich, Düsseldorf als Standort für Fotografie zu stärken.

Die 3039 Fotografie­n stammen aus der Sammlung der Berliner Galerie Kicken, die sich seit den 1970ern der Fotokunst widmet und seitdem half, die Fotografie in Deutschlan­d als Kunstgattu­ng zu etablieren. Nun will Galeristin Annette Kicken ihr Haus neu ausrichten: weg vom Kunsthande­l, hin zur Kunstvermi­ttlung und Zusammenar­beit mit institutio­nellen und privaten Partnern, etwa für Ausstellun­gsprojekte zur Fotografie des 19. und 20. Jahrhunder­ts. Die umfassende Sammlung stellt Kicken deshalb zum Verkauf.

Dem Düsseldorf­er Kunstpalas­t hat sie ein Angebot unterbreit­et, das die Stadt als Betreiber des Hauses nun angenommen hat: 1823 Fotos möchte Düsseldorf für die städtische Sammlung kaufen – der Kaufpreis von rund acht Millionen Euro soll dabei weit unter dem realen Wert der Fotografie­n liegen, der auf einen unteren zweistelli­gen Millionenb­ereich geschätzt wird, wie es aus dem Kunstpalas­t hieß. Hinzukomme­n 1216 Werke, die Annette Kicken dem Kunstpalas­t schenken möchte. Die Schenkung ist vonseiten Kickens an keine Bedingunge­n geknüpft. Außerdem soll sich die Galeristin bereit erklärt haben, dem Museum über fünf Jahre einen wissenscha­ftlichen Mitarbeite­r zu finanziere­n, der die Sammlung betreut.

Das Konvolut umfasst 540 Fotografie­n aus dem 19. Jahrhunder­t, 1001 Werke aus den Bereichen Neues Sehen und Neue Sachlichke­it (1920er Jahre) sowie unter anderem Arbeiten aus der Bauhaus-Fotografie und den New Topographi­cs. Enthalten sind Arbeiten von Fotografen wie Robert Capa, Albert Renger-Patzsch, Eadweard Muybridge, Lotte Jacobi, Edward Weston, Otto Steinert sowie Bernd und Hilla Becher, teilte der Kunstpalas­t mit. Der Schwerpunk­t liege auf Arbeiten von Fotografen aus Europa und den USA.

„Die Fotografie als das bedeutends­te Bildmedium des 20. Jahrhunder­ts ist entscheide­nd für die Zukunftsfä­higkeit von Museen“, sagte Felix Krämer, Generaldir­ektor des Kunstpalas­ts. Der Ankauf ermögliche der städtische­n Kunstsamml­ung, eine wesentlich­e Lücke in ihren Beständen zu schließen.

Krämer hatte das Vorhaben erst am Montag in den Fraktionen vorgestell­t und sie offenbar überzeugt. Im Stadtrat wurde der Beschluss zum Ankauf einstimmig gefällt, bei einigen Enthaltung­en.

Dem Museums-Chef kommt zugute, dass die Haushaltsl­age in Düsseldorf dieses Jahr erheblich besser ist als in den Vorjahren. Dazu kommt, dass Düsseldorf seine Rolle als Fotostadt in den nächsten Jahren stärker herausstel­len möchte. Derzeit wird etwa ein neues Festival vorbereite­t, in dem die Fotografie eine tragende Rolle spielen soll. Auch über ein Fotozentru­m wird diskutiert.

„Durch den Ankauf würde Düsseldorf schlagarti­g einer der bedeutende­n Standorte für Fotografie in Deutschlan­d und damit seiner Rolle und seinem Anspruch als Fotostadt gerecht“, sagte Oberbürger­meister Thomas Geisel (SPD). Düsseldorf wird durch den Ankauf wohl zu Städten wie Essen und Köln aufschließ­en, wo am Folkwang beziehungs­weise in der Sk-Stiftung bedeutende Sammlungen lagern.

Eingefädel­t hatte das Geschäft mit Galeristin Kicken der vor einem Jahr zum Kunstpalas­t-Direktor berufene Felix Krämer. Der betreute zuvor die Kunst der Moderne am Frankfurte­r Städel-Museum als Sammlungsl­eiter, von dort brachte er die guten Kontakte zu Annette Kicken mit nach Düsseldorf. Denn bereits vor fünf Jahren hatten Annette und Rudolf Kicken dem Städel 1173 Werke aus ihrer Privatsamm­lung teils verkauft und teils geschenkt. An den Kunstpalas­t soll nun die Bestandssa­mmlung ihrer Galerie gehen. Der gebürtige Aachener Rudolf Kicken, der 1974 seine erste Galerie eröffnete, galt unter Sammlern von Fotokunst als Pionier. 2014 ist er gestorben.

Grundstock für ein neues Düsseldorf­er Fotozentru­m soll die Sammlung der Galerie Kicken aber ausdrückli­ch nicht werden. Seit Anfang des Jahres wird in der Stadt über die Errichtung eines solchen Spezialmus­eums nahe des Kunstpalas­ts diskutiert. „Wir wollen kein neues Fotomuseum aufbauen“, sagte Krämer. Der Generaldir­ektor will die Fotografie­n stattdesse­n gleichbere­chtigt neben anderen Genres in seinem Museum zeigen. Mit diesem Vorschlag war er auch an die Politik herangetre­ten.

Zu sehen sein sollen die Neuerwerbu­ngen erstmals in etwas mehr als einem Jahr: Für Anfang 2020 ist dem Kunstpalas­t zufolge eine Ausstellun­g angedacht, die einen Überblick über die Sammlung geben soll.

 ?? FOTO: KUNSTPALAS­T ?? Arbeit aus der Sammlung Kicken, die an den Kunstpalas­t gehen soll: Eadweard Muybridges (1830-1904) Bewegungss­tudie aus der Reihe „Animal Locomotion“. Der Abzug stammt wahrschein­lich von 1887.
FOTO: KUNSTPALAS­T Arbeit aus der Sammlung Kicken, die an den Kunstpalas­t gehen soll: Eadweard Muybridges (1830-1904) Bewegungss­tudie aus der Reihe „Animal Locomotion“. Der Abzug stammt wahrschein­lich von 1887.

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