Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Vom Biedermann zum Liebhaber

Der schüchtern­e Armin lernt mit Tina die Frau fürs Leben kennen – doch deren Sohn ist gar nicht einverstan­den.

- VON KATHARINA ZECKAU

FRANKFURT (kna) Jeden Tag fährt er Armin vor der Nase weg: der Aufzug in dem gläsernen Kölner Büroturm, in dem der Mittfünfzi­ger als Bauzeichne­r arbeitet. Entweder ist er schon voll oder Armin kommt zu spät. Allerdings lässt er das duckmäuser­isch auch geschehen. Insofern ist der Fahrstuhl ein Sinnbild für das Leben, das der alleinsteh­ende Mann, dessen engste Bezugspers­on seine betagte Mutter ist, an sich vorüberzie­hen lässt.

Eines Tages aber lernt Armin die lebenslust­ige Tina kennen. Und kann sein Glück kaum fassen: Denn die Blumenhänd­lerin erwidert seine Gefühle. Allerdings hat Tina einen 27-jährigen Sohn, der noch immer zu Hause lebt. Der verkrachte Künstler Hendrik ist jedoch nicht gewillt, seine Mutter mit irgendjema­ndem zu teilen, und nutzt fortan jede Gelegenhei­t, den Rivalen zu diskrediti­eren. Das führt in der bitterböse­n Komödie „Der Nesthocker“zu allerlei unschönen Situatione­n: übergelauf­enen Toiletten, durchkreuz­ten Liebesnäch­ten, vertauscht­en Geschenken. Der überaus korrekte und konfliktsc­heue Mann ist angesichts von so viel Perfidie und Hinterlist zunächst heillos überforder­t, bläst aber schließlic­h zum Gegenangri­ff und versucht, Hendrik mit seinen eigenen Waffen zu schlagen.

Ein höchst unterhalts­ames Werk ist dem Gespann aus Drehbuchau­tor Claudius Pläging und Regisseuri­n Franziska Meyer Price da gelungen; dass beide im komischen Fach Erfahrung haben, merkt man dem pointensic­heren Film an. Mit gutem Rhythmusge­fühl und Gespür für Details setzt Price die schnellen, witzigen und schwarzhum­origen Dialoge von Pläging in Szene; kaum eine Pointe, die nicht zünden würde. Aber auch über klassische­n Slapstick darf man sich freuen.

All dies wäre nicht viel wert ohne gute Schauspiel­er, die dem Ganzen Leben einhauchen: Hier brilliert vor allem Francis Fulton-Smith. Gänzlich uneitel gibt er den dicklichen, bebrillten, seitengesc­heitelten und stets akkurat in Hemd und Pullunder gekleidete­n Biedermann mit dem kaum vorhandene­n Selbstbewu­sstsein. Der eigentlich eher auf seichte beziehungs­weise Sonnyboy-Rollen abonnierte Schauspiel­er ist kaum wiederzuer­kennen: keine Spur von dem bei den Frauen beliebten Interniste­n „Dr. Kleist“aus der ARD-Vorabend-Dauerserie.

Die Veränderun­g ist aber nicht nur äußerlich; auch in seinem Spiel findet Fulton-Smith den richtigen Ton und stattet seine Figur bei allen Unzulängli­chkeiten mit hohen Sympathiew­erten aus. So ganz kann er allerdings nicht die Drehbuch-Konstrukti­on auswetzen, dass sich die hübsche Tina sofort in den verhuschte­n und unattrakti­ven Armin verguckt. Was allerdings kaum ins Gewicht fällt. Der Film ist mit so viel Witz, Einfallsre­ichtum und Wärme für seine Protagonis­ten ausgestatt­et, dass man ihm das gern verzeiht.

Auch die anderen Schauspiel­er überzeugen, Carin C. Tietze als zwischen romantisch­er und Mutterlieb­e hin- und hergerisse­ne Tina, und Florentin Will als fast schon dämonische­s Muttersöhn­chen Hendrik. Liebevoll und sorgfältig gezeichnet sind zudem die Nebenfigur­en: Armins patente Mutter, sein eitler Arbeitskol­lege Marc oder seine unsägliche, verzweifel­te Cousine Klara.

Insgesamt ist das unterhalts­am und pfiffig, aber nicht albern, familienta­uglich, aber nicht bieder. Und im Idealfall verhandelt so ein Film dann auch noch ganz diskret die wesentlich­en Fragen. Etwa wie hier die nach der Chance im Leben, die man ergreifen muss – ansonsten rauscht es einfach an einem vorbei.

„Der Nesthocker“, Das Erste, 20.15 Uhr

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FOTO: ARD DEGETO Armin (Francis Fulton-Smith, vorne) verliebt sich in Tina (Carin C. Tietze), deren Sohn Hendrik (Florentin Will) nicht begeistert ist.

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