Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Julia Stoschek öffnet ihre Schatzkamm­er

Für den Kultursalo­n der Rheinische­n Post öffnete die Sammlerin die ansonsten stets verschloss­enen Katakomben ihre Hauses.

- VON CLEMENS HENLE

Die Videokunst-Sammlung von Julia Stoschek ist in einem denkmalges­chützten Industrieg­ebäude untergebra­cht, das versteckt in einem Oberkassel­er Hinterhof steht. Die Einrichtun­g ist weltweit einzigarti­g – in Umfang, Präsentati­on und Qualität der gesammelte­n Werke. Vom Anfang des Genres mit Nam June Paik oder Marina Abramovic über Bruce Nauman bis hin zu jungen Künstlern wie Ed Atkins sind die Protagonis­ten dieser etwa 50 Jahre alten Kunstform in der Sammlung vertreten.

Für Besucher ist sie immer sonntags zugänglich. Eine besondere und exklusive Ausnahme machte die Geschäftsf­ührerin der Stoschek-Collection, Monika Kerkmann, nun für den Kultursalo­n der Rheinische­n Post. Eigens für dessen Teilnehmer öffnete das Haus nicht nur die aktuelle Ausstellun­g, sondern auch die Katakomben und seine Schatzkamm­ern.

In der Begrüßung betonte RP-Kulturreda­kteur Philipp Holstein die Besonderhe­iten der privaten Sammlung. „Wenn man sich darauf einlässt, kommt man der Gegenwart ein Stück näher“, sagte Holstein. Und dass sei das wohl höchste Lob, das er einer Kunstsamml­ung geben könne. Auf die Geschichte der Sammlung ging dann Monika Kerkmann in ihrer Einführung ein. Seit 2007 beherbergt das denkmalges­chützte Industrieg­ebäude die Julia Stoschek Collection. Die 1975 geborene Sammlerin war einige Jahre davor durch Zufall bei einem Spaziergan­g mit ihrer Hündin Mumpfi auf das Gebäude aufmerksam geworden. Zuvor war es von den 60er Jahren bis 2004 von der Firma Conzen genutzt worden. Außerdem hatten hier Künstler wie Blinky Palermo, Joseph Beuys und Katharina Sieverding zeitweise ihre Ateliers. Am 18. Juni 2007 eröffnete dann die Julia Stoschek Collection mit der Ausstellun­g „Number One: Destroy, She Said“nach einer zweijährig­en Umbauphase das Haus.

Die aktuelle Ausstellun­g „New Metallurgi­sts“widmet sich jungen, chinesisch­en Medienküns­tlern und ist kuratiert von Cao Fei. Die 40-jährige chinesisch­e Künstlerin ist zeitgleich im K21 im Ständehaus mit einer großen Schau vertreten. „Wir haben sehr viele Arbeiten von Cao Fei bei uns in der Sammlung, die jetzt gerade im K21 ausgestell­t werden“, erklärte Kerkmann. Im Gegenzug für die Leihgaben habe Cao Fei die derzeitige Ausstellun­g dann in Zusammenar­beit mit dem Pekinger Film- und Kunstwisse­nschaftler Yang Beichen kuratiert.

Die ausgestell­ten Künstler sind zwischen 1980 und 1990 geboren und durch Auslandsau­fenthalte oder Studium internatio­nal geprägt. Ausgehend von der Idee der Metallurgi­e des in der Konzeptkun­st äußerst beliebten Philosophe­n Gilles Deleuze setzten sich die acht Künstler mit dem Gegebenen und dem Werdenden auseinande­r. Im Fokus der Arbeiten steht dabei die Komplexitä­t und Veränderun­g der modernen chinesisch­en Gesellscha­ft. Am deutlichst­en wird dieser Ansatz in der Arbeit „The Pale View of the Hills“von Liu Yujia. Der dokumentar­ische Video-Essay zeigt den Alltag der Ehefrau des letzten uigurische­n Königs. Ihr Haus ist ein staatliche­s Museum, in dem die Protagonis­tin gleichsam als Ausstellun­gsstück lebt. Still und unkommenti­ert wird die Arbeit so zur Anklage gegen den Kulturkolo­nialismus der Han-Chinesen gegen die muslimisch­e Minderheit der Uiguren.

Auch in Yao Qingmeis Arbeit „The Ecdysiast-Molt“wird die Kritik an der politische­n Realität Chinas deutlich. Hier singt ein Chor „Unsere Privatsphä­re ist ein wahres und transparen­tes Ich. Aber ich gehöre nicht mal mehr mir selbst“. So prangert Qingmei den gläsernen Bürger an, der über ein digitales Punktesyst­em bewertet wird.

Nach der Führung durch die aktuelle Ausstellun­g ging es dann für die Teilnehmer des RP-Kultursalo­ns in die normalerwe­ise verschloss­enen Katakomben der Sammlung. Dort erklärte die Leiterin des Sammlungsm­anagement, Anna-Alexandra Pfau, die konservato­rischen Eigenheite­n einer Medienkuns­tsammlung. Die Lagerung der verschiede­nsten Medien, von Film über Videobände­r bis hin zu Datenträge­rn, erfolgt in einem klimatisie­rten Raum, dessen Lüftung die Tempe-

ratur konstant auf 15 Grad und die Luftfeucht­igkeit auf 35 Prozent hält. „Dazu wird die Luft mehrmals gefiltert, damit keine Schadstoff­e in den Raum gelangen können. Der Eintritt erfolgt über eine Schleuse“, erklärte Pfau.

Mehr zu bestaunen gab es im Kunstlager der Sammlung. Fast beiläufig zog dort Monika Kerkmann eine Registerwa­nd mit dem Bild „Badezimmer“von Thomas Demand heraus. Es zeigt den maßstabsge­treuen Nachbau der Badewanne, in der der tote Uwe Barschel im Hotel Beau-Rivage in Genf von einem „Stern“-Fotografen fotografie­rt wurde. Daneben bekamen die Besucher noch Werke von Katharina Sieverding, Anne Imhof oder Claus Föttinger zu sehen. Und das alles in einer angenehm ungezwunge­nen Atmosphäre zwischen unausgepac­kten Kartons, verpackten Bildern und vollen Schränken.

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FOTO: ANDREAS ENDERMANN Monika Kerkmann, Direktorin der Julia Stoschek Collection, erklärt Lesern der Rheinische­n Post das Ausstellun­gskonzept.
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