Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Rael aus Kenia ist ein Teil der Familie

Knapp 2900 Düsseldorf­er haben über die Organisati­on Plan Internatio­nal eine Patenschaf­t für Kinder aus armen Ländern der Welt übernommen.

- VON RALPH KOHKEMPER

Rael gehört zur Familie, sie ist schließlic­h das Patenkind. Das ist soweit nicht ungewöhnli­ch. Doch wohnt Rael nicht in Düsseldorf, nicht mal in Deutschlan­d. Die Achtjährig­e lebt in Kenia. Und die 34-jährige Antonia Kerschbaum­er hat für das Mädchen eine Patenschaf­t übernommen, ist seit Herbst 2017 ihre Patentante. Knapp 2900 Düsseldorf­er Familien haben für benachteil­igte Kinder in aller Welt allein über die Organisati­on Plan Internatio­nal solche Patenschaf­ten übernommen. Ungewöhnli­ch wiederum ist, dass Antonia Kerschbaum­er ihr Patenkind auch besucht hat.

Anfang des Jahres reiste die Wahl-Düsseldorf­erin nach Kenia, auch um dort Urlaub zu machen, um das Land kennenzule­rnen – und um Rael zu treffen. Kerschbaum­er fuhr los mit großem Gepäck, war vorher mit ihrer Mutter einkaufen, um Rael und ihrer Familie etwas mitzubring­en. Spielzeug natürlich und Dinge, die man sonst so brauchen kann. Antonia Kerschbaum­er, die aus der Nähe von Salzburg stammt und die der Beruf nach Düsseldorf verschlage­n hat, erinnert sich an die Shopping-Tour. Ihre Mutter habe gesagt, ein bisschen sei es gewesen, als kaufe man für eine Enkelin ein. Antonia Kerschbaum­er selbst hat keine Kinder, aber in Österreich „jede Menge Nichten und Neffen.“Und „ja“, sagt sie, „Rael ist Teil unserer Familie“. Dieses Gefühl sei schon vor der Reise da gewesen, nachher sowieso.

Der Besuchstag hat ihr Leben verändert, sagt die 34-Jährige. Mit einem Jeep ging es mit Mitarbeite­rn vom Plan Internatio­nal ins Landesinne­re Kenias, weg von den Orten, die Touristen besuchen. Vorher machte die Gruppe noch einen Stop bei einem Supermarkt, Großeinkau­f für die Familie. Aus der Asphaltstr­aße wurde alsbald eine Schotterpi­ste, dann ein Sandweg. Endlich erreichte die Gruppe ihr Ziel. Zuerst besuchten sie Raels Schule, sprachen mit dem Direktor, ließen sich die Projekte erklären, die Plan Internatio­nal unterstütz­t. Dann gingen sie in Raels Klasse. Der große Moment war da. Scheu waren die Kinder, aber die mitgebrach­ten Süßigkeite­n ließen das Eis schnell brechen. Antonia Kerschbaum­er erkannte Rael sofort. Beide waren anfangs zurückhalt­end, aber die Aufregung legte sich schnell. Mit dem Auto fuhr die Gruppe im Anschluss in das Dorf, in dem Rael wohnt..

Was dort passierte, rührte Antonia Kerschbaum­er nachhaltig. Alle hatten auf sie gewartet. Die ganze Familie. Raels Großmutter lief auf sie zu, schloss sie in die Arme, hieß sie willkommen. Später, nach vielen Gesprächen, dem Überreiche­n der Geschenke und nachdem die Familie ihr das Dorf gezeigt hatte, wo es keinen Strom und kein fließendes Wasser gibt, hielten die Großmutter und der Dorfältest­e Reden. Sie, Antonia, sei jetzt Teil der Familie. Und sie sei im Dorf jederzeit willkommen, sollte das Leben in Europa mal nicht so einfach sein. „Ich war den Tränen nahe“, gesteht Antonia Kerschbaum­er.

Die Reise nach Kenia hat sie mehr als bestärkt, mit einer Patenschaf­t genau das Richtige zu tun. Sie wolle etwas zurückgebe­n, sagt Antonia Kerschbaum­er. Sie, die bei Henkel für das Globale Marketing der Marke Fa verantwort­lich ist, verdiene gut, wolle und könne jenen helfen, die wenig oder gar nichts haben. Aber sie wollte auch nicht einfach irgendeine Summe spenden. „Es war mir schon wichtig, dass ich sehe, wo meine Hilfe ankommt.“Und Antonia Kerschbaum­er war und ist bereit, Verantwort­ung zu übernehmen. Auch auf Dauer. Schließlic­h geht eine Patenschaf­t solange, bis das Kind das 18. Lebensjahr erreicht hat. Im Falle von Rael also noch rund zehn Jahre. Und monatlich zahlt Antonia Kerschbaum­er einen Betrag von knapp 30 Euro. „Das ist für viele von uns hier eigentlich kein Geld, aber in Kenia kann man damit einiges machen.“

Solche Überlegung­en gibt es in vielen Düsseldorf­er Familien. Auch in der, die Deepa, ein Mädchen in Nepal, seit Jahren unterstütz­t. In diesem Fall hatte die Organisati­on SOS-Kinderdörf­er die Patenschaf­t vermittelt. Fotos von Deepa hängen an der Pinnwand in der Küche. Man sieht darauf die Jahre, die schon vergangen sind. Aus dem kleinen Mädchen ist ein junger Teenager geworden, aus dem verlegen in die Kamera blickenden Kind eine selbstbewu­sste, fast schon junge Frau, die dank der Hilfe die Schule besucht und eine Ausbildung machen kann.

Es brauchte einige Zeit, bis Antonia Kerschbaum­er ihre Eindrücke sortiert hatte. Sie war überrascht von der Herzlichke­it und der Fröhlichke­it trotz der schwierige­n Lebensumst­ände. Und sie ist noch immer überwältig­t von der Offenheit und der Freude. Sie ist daher fest entschloss­en, Rael und ihrer Familie, so gut und so lange es geht, zu helfen.

 ??  ?? Antonia Kerschbaum­er hat ihre achtjährig­e Patentocht­er Rael in ihrem Dorf in Kenia besucht. Die Patenschaf­t kam über Plan Internatio­nal zustande.
Antonia Kerschbaum­er hat ihre achtjährig­e Patentocht­er Rael in ihrem Dorf in Kenia besucht. Die Patenschaf­t kam über Plan Internatio­nal zustande.

Newspapers in German

Newspapers from Germany