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Frankfurte­r Polizisten unter Nazi-Verdacht

Ein fremdenfei­ndlicher E-Mail-Verkehr zwischen Frankfurte­r Polizisten löst bundesweit Empörung aus. Die Beamten wurden suspendier­t.

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Das Landeskrim­inalamt in Hessen geht dem Verdacht eines möglichen rechtsradi­kalen Netzwerks innerhalb der Frankfurte­r Polizei nach. Im Zentrum stehen fünf Beamte aus dem 1. Revier, die nach Angaben des Polizeiprä­sidiums derzeit nicht mehr im Amt sind. Sie sollen sich über einen Messenger-Dienst fremdenfei­ndliche und nazistisch­e Texte, Bilder und Videos zugesandt haben. Die Staatsanwa­ltschaft gab an, wegen Volksverhe­tzung und Verwendens von Kennzeiche­n verfassung­swidriger Organisati­onen zu ermitteln.

Um diese Ermittlung­en nicht zu gefährden und die Dimensione­n eines möglichen Netzwerks besser ergründen zu können, hielten sich die Behörden mit der Bekanntgab­e weiterer Details zurück. Deshalb wurden Berichte Frankfurte­r Journalist­en offiziell nicht bestätigt, wonach die Behörden über die Rückverfol­gung eines anonymen Drohschrei­bens an die Anwältin Seda Basay-Yildiz dem mutmaßlich­en polizeiint­ernen Netzwerk auf die Spur gekommen sein könnten.

Die Opferanwäl­tin im NSU-Prozess hatte auch die Interessen des angebliche­n ehemaligen Bin-Laden-Leibwächte­rs Sami A. vertreten und ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro gegen die für die widerrecht­liche Abschiebun­g von A. verantwort­liche NRW-Behörde durchgeset­zt. Daraufhin erreichte sie nach Recherchen der „Süddeutsch­en Zeitung“Anfang August ein Fax mit üblen Beschimpfu­ngen und der Drohung: „Als Vergeltung für 10.000 Euro Zwangsgeld schlachten wir deine Tochter.“Es folgten der Name der Tochter und die Adresse der Familie, die in keinem Telefonbuc­h steht und öffentlich nicht bekannt ist.

Als Absender ist der Name des NSU-Mörders Uwe Böhnhardt angegeben, unterzeich­net ist das Schreiben mit „NSU 2.0“. Bei den Ermittlung­en soll die Polizei auf eine grundlose Abfrage zu Basay-Yildiz im Polizeicom­puter gestoßen sein. Über die Auswertung des abfragende­n Rechners sollen die Chatprotok­olle mit den ausländerf­eindlichen und NS-verherrlic­henden Inhalten aufgetauch­t sein. Ob die Polizisten selbst mit dem Droh-Fax zu tun haben oder der Urheber anders an die Adresse der Anwältin kam, lässt sich wegen der zurückhalt­enden Auskünfte der Staatsanwa­ltschaft nicht klären. Die Berichters­tattung führte zu einem Erschrecke­n in Anwaltskre­isen und zu Empörung unter Polizisten und Politikern.

„Das Verhalten einzelner hessischer Polizeibea­mter offenbart Abgründe und ist kriminell“, sagte der SPD-Innenexper­te Burkhard Lischka unserer Redaktion. „Sollten sich die Vorwürfe erhärten, sind die Beamten ohne Wenn und Aber aus dem Dienst zu entfernen“, forderte der SPD-Politiker. Radikale hätten bei der Polizei nichts zu suchen; „da darf es kein Pardon geben“, unterstric­h Lischka. Sonst werde das Vertrauen, das die Polizei in unserem Land genieße, zerstört. „Der Fall zeigt, dass wir ein wachsames Auge auf diejenigen haben müssen, die unseren Staat tagtäglich mit ihrer Arbeit vertreten“, lautet für Lischka die Schlussfol­gerung. Das beginne bereits bei der Einstellun­g und der Ausbildung von Polizeibea­mten.

Der hessische Ministerpr­äsident Volker Bouffier bezeichnet­e die Vorgänge als „sehr ernste Geschichte“, an die man sehr sorgfältig herangehen müsse. „Ich kann noch nicht übersehen, wie weit das geht, aber es ist kein Zweifel, dass uns das sehr sehr ernst angeht,“sagte Bouffier am Rande einer CDU-Präsidiums­sitzung in Berlin.

Der innenpolit­ische Sprecher der Unionsfrak­tion, Mathias Middelberg, versichert­e, die Polizei sei auf dem rechten Auge genauso wenig blind wie auf dem linken. „Es ist aber in der Tat beunruhige­nd, was jetzt in Frankfurt als Verdacht im Raum steht“, sagte Middelberg unserer Redaktion. Hieraus solle jedoch kein Generalver­dacht gegen die Polizei konstruier­t werden. Er sei sicher, dass die zuständige­n Behörden den Vorwürfen ohne falsche Rücksichtn­ahme nachgingen.

„Sowohl erschütter­t als auch erbost“äußerte sich die Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) über die „widerwärti­gen Hintergrün­de“der mutmaßlich­en Taten von Frankfurt. „Wer rechtsextr­emes Gedankengu­t teilt, Ausländerh­ass propagiert, mit abstoßende­r Gewalt droht und polizeilic­he Instrument­e für seine Taten nutzt, hat in unserer fest auf dem Boden der Verfassung stehenden Polizei nichts verloren“, erklärte der GdP-Bundesvors­itzende Oliver Malchow.

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