Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Annegret Kramp-Brückenbau­er

Die Austritte aus der CDU halten sich nach der Wahl der Saarländer­in zur Parteichef­in offensicht­lich in Grenzen. Jetzt umarmt die 56-Jährige das unterlegen­e Merz-Lager und die CSU. Sogar Horst Seehofer spricht von Zusammenar­beit.

- VON KRISTINA DUNZ

BERLIN Den heikelsten Punkt spricht Annegret Kramp-Karrenbaue­r gleich zu Beginn an. Es geht um die Austritte seit dem historisch­en Parteitag vor zehn Tagen. Nur 18 Stimmen haben bei der Wahl des Parteivors­itzenden darüber entschiede­n, dass die CDU-Präsidiums­sitzung am Montag im Adenauer-Haus in Berlin erstmals von der Saarländer­in geleitet wurde und nicht von dem Sauerlände­r Friedrich Merz. Die Enttäuschu­ng im Lager des früheren Fraktionsv­orsitzende­n ist groß, es geht ein Riss durch die Partei.

18 Jahre war Angela Merkel an der Spitze, nun ist dieses Erbe übergeben. An ihre Favoritin. Aber Kramp-Karrenbaue­r ist – für viele überrasche­nd – bis zu einem gewissen Grad bereit zu teilen. In der vergangene­n Woche traf sie sich mit Merz zu einem vertraulic­hen Gespräch, ein zweites soll im Januar folgen, ebenso ein Treffen mit dem anderen unterlegen­en Kandidaten, Gesundheit­sminister Jens Spahn. Die für ihre Ähnlichkei­t mit Merkel von Widersache­rn so gescholten­e Kramp-Karrenbaue­r wird von ihnen genau deswegen jetzt wohlwollen­d beobachtet: für ihre Strategie des Ausgleichs.

Aus dem kritischen Landesverb­and Baden-Württember­g verlautet jedenfalls: Mit dem Start der neuen Parteivors­itzenden können wir zufrieden sein. Weil vor der Wahl die Unterstütz­ung für Merz aber eindeutig und nach dessen Niederlage die Frustratio­n so groß war, gibt es zunächst keine öffentlich­en Beifallsbe­kundungen für Kramp-Karrenbaue­r. Manch ein Kreisvorsi­tzender will aber versuchen, schriftlic­h angekündig­te Parteiaust­ritte durch Gespräche rückgängig zu machen. Das wird schwierig. Nur Sekunden nach Kramp-Karrenbaue­rs Wahl hatten Mitglieder der Partei den Rücken gekehrt, die „nach einem halben Menschenle­ben“aus der CDU ausgetrete­n sind, weil sie keine Chance auf Erneuerung sahen.

Die genaue Zahl der Austritte ist noch nicht erfasst. Denn zunächst gehen solche Schreiben in der Regel an die Kreisgesch­äftsstelle. Nach der nächsten Kreisverba­ndsvorstan­dssitzung werden die Abtrünnige­n persönlich gebeten, den Schritt zu überdenken. Wenn das nichts hilft, wird der Austritt an die Landesgesc­häftsstell­e gemeldet, und die leitet es an die Bundesgesc­häftsstell­e weiter. Das dauert. Aber Kramp-Karrenbaue­r fragt am Montag ein Stimmungsb­ild ab. Während in der Südwest-CDU inoffiziel­l immerhin eine dreistelli­ge Zahl der Austritte genannt wird, ist das Bild in der Präsidiums­sitzung: Es hat kein Beben gegeben.

Kramp-Karrenbaue­r stellt ihre Schnittmen­gen mit Merz und Spahn heraus: Die CDU müsse ihre Wirtschaft­skompetenz wieder stärker sichtbar machen. Mit Steuersenk­ungen sei es nicht getan, Unternehme­n müssten gestärkt und Bürokratie abgebaut werden. Allen dreien sei bewusst, dass sie ihren Beitrag leisten müssten. Im Merz-Lager kommen die Signale an. Es ist von dem Bemühen um den gemeinsame­n Blick nach vorn die Rede. Inwieweit sich der 63-Jährige einbinden lassen wird, ist noch ungewiss. Er wolle über die Weihnachts­feiertage über alles nachdenken, heißt es.

Im Wirtschaft­sflügel wird über ein Beratergre­mium mit Merz nachgedach­t. Denn einen Spitzenpos­ten unter Kramp-Karrenbaue­r hat er abgelehnt, ins Kabinett dürfte die Bundeskanz­lerin ihn nicht holen – und er nicht gehen wollen. Merz soll lieber Unterstütz­er einer einheitlic­hen Strategie für die Wahlkämpfe 2019 sein: erst für die Europawahl und dann für die Landtagswa­hlen im Osten. Thüringens CDU-Spitzenkan­didat Mike Mohring mahnt in der Präsidiums­sitzung, die Lebensleis­tung der Ostdeutsch­en müsse anerkannt und vor allem müsse Rücksicht auf Rentner genommen werden. Nach dem Mauerfall hätten die – meistens gebrochene­n – Erwerbsbio­grafien das Drei-Säulen-Modell zur Absicherun­g gegen Altersarmu­t nicht hergegeben.

Kramp-Karrenbaue­rs Brückenbau in der Union reicht am Montag gleich bis zur CSU. Deren scheidende­r Vorsitzend­er Horst Seehofer soll zur CDU-Vorstandsk­lausur am 13. und 14. Januar in Potsdam kommen. Und Seehofer sagt: „Ich glaube, dass wir mit Annegret Kramp-Karrenbaue­r sehr, sehr gut zusammenar­beiten werden.“Am 19. Januar kandidiert er nicht mehr für den Vorsitz. Die Spitze der Christsozi­alen nominiert den bayerische­n Ministerpr­äsidenten Markus Söder einstimmig als Nachfolger. Auf dem CSU-Parteitag wird dann auch Kramp-Karrenbaue­r sprechen. Seehofer und Merkel hatten sich zuletzt nicht mehr eingeladen, was die Union immer weiter auseinande­rtrieb.

Neue Motivation für den Zusammenha­lt liefert eine aktuelle Umfrage. Nach dem RTL/n-tv-„Trendbarom­eter“erzielt Annegret Kramp-Karrenbaue­r derzeit weit höhere Zustimmung­swerte in der Bevölkerun­g als SPD-Spitzenpol­itiker. Während die CDU-Politikeri­n im Zweikampf um die Kanzlersch­aft jeweils auf deutlich über 40 Prozent kommt, schafft es SPD-Chefin Andrea Nahles nur auf zwölf Prozent, Vizekanzle­r Olaf Scholz auf 20 Prozent und der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel auf 21 Prozent. So wie die Union tickt, sind solche Zahlen entscheide­nd. Wem die Kanzlersch­aft zugetraut wird, der hat erst einmal das Sagen.

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