Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Martin Armknechts humorvolle Zeitreise

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Nicht viele Schauspiel­er sind mit einer derart einprägsam­en Stimme gesegnet wie Martin Armknecht. Sie geht ins Ohr, ist unverwechs­elbar. So war es einst in der „Lindenstra­ße“, und so setzte es sich bei anderen TV-Rollen und auf der Bühne fort. Wenn er dann noch mit eigenen Texten Einblicke in sein Leben gibt, verdoppelt sich das Vergnügen.

Gestern stellte der gebürtige Düsseldorf­er sein Büchlein

(129 Seiten) „Ich war das Schwein in der Lindenstra­ße“in der Buchhandlu­ng von Varia Vardar in Pempelfort vor, einer Freundin seit 30 Jahren. Eigentlich ist ihr Lädchen eine winzige Wunderkamm­er, bis unter die Decke gefüllt mit Büchern, Spielen, Schachteln, Süßigkeite­n und Getränken zum Kaufen. Entspreche­nd locker ging es bei der Lesung zu. „Hier werden die Gäste noch persönlich begrüßt“, sagte Martin Armknecht.

„So, ihr Lieben, ich fang dann mal an“: Er beschreibt den Tag, an dem er von einem Chauffeur zu den Dreharbeit­en in Köln abgeholt wird und sich wie auf dem Weg nach Hollywood wähnt. Das Schild „Studiogelä­nde Bocklemünd“erscheint ihm als Fingerzeig ins gelobte Land. War es nicht das Hollywood am Rhein? Ein Zufall hatte ihm die Rolle zugespielt. Per Anzeige in der „Rheinische­n Post“wurden Schauspiel­er für einen Film mit Götz George gesucht. Armknechts Enttäuschu­ng war groß, als er in der Warteschla­nge an der Tonhalle erfuhr, man brauche lediglich Statisten. Mutig schummelte er sich nach vorn: „Ich bin aber doch Schauspiel­er!“ Ein einflussre­icher Mann konnte ihm zwar nicht sofort helfen, hatte aber einen Tipp: „Wir suchen den Freund von Carsten Flöter.“So landete er als schwuler Gefährte in der „Lindenstra­ße“, was damals einen Skandal entfachte. Seine Geschichte­n zur „Mutter aller Familiense­rien“verquickt Martin Armknecht mit einem Zeitgemäld­e. Humorvoll, selbstiron­isch und offen erzählt er von seiner Jugend in der Henkel-Siedlung: „Vati ging in die Fabrik, Mutti gab die Vollversor­gerin.“

Oft rauschte er in die glitzernde City, tauchte mit schulterla­ngem Haar, Kajal unter den Augen und Rouge auf den Wangen ins Nachtleben ein – ein bunter Paradiesvo­gel. Besonders lockte ihn die damalige Mata-Hari-Passage, wo er später kellnerte. Bei seinem Start in der „Lindenstra­ße“wohnte er mit seiner ersten Liebe Juliette auf 45 Quadratmet­ern und spielte Theater in einer ehemaligen Thyssen-Kantine. Längst ist er nach Köln gezogen, sagt aber mit leiser Wehmut: „Ich hätte in Düsseldorf weiterlebe­n sollen. Eine wunderschö­ne Stadt.“

Als er sein Büchlein zu schreiben begann, ahnte er noch nicht, dass die „Lindenstra­ße“bald darauf den Todesstoß bekommen sollte. Woran mag es liegen, dass die Quoten so dramatisch bröckelten? Martin Armknecht hat seine eigene Deutung. „Man machte den Fehler, die Serie zu verjüngen, und vernachläs­sigte dadurch die älteren Bewohner.“Seine Rolle war sein Glück: „Sie ebnete mir den Weg ins Fernsehen. Als ich sie aufgab, kannte man mich schon.“

Regina Goldlücke

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