Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Ein Buch erzählt die Geschichte des Städtische­n Musikverei­ns

- VON LARS WALLERANG

Lang ist die Chronik des Städtische­n Musikverei­ns zu Düsseldorf. 200 Jahre Musikgesch­ichte sind dokumentie­rt, wie man am detailreic­hen Internetau­ftritt des Vereins erkennen kann. Einen Reim aus der Datenflut musste sich der Betrachter bislang selber machen, denn eine Analyse fehlte noch. Der Mangel kann nun als behoben gelten. Denn die Musikwisse­nschaftler­in und Germanisti­n Nina Sträter legt unter dem Titel „Der Bürger erhebt seine Stimme“eine aufschluss­reiche Arbeit über den Verein und die bürgerlich­e Musikkultu­r im 19. und 20. Jahrhunder­t vor.

Die Autorin unterbreit­et unter anderem eine plausible Antwort auf die Frage, warum sich der einstige Musikdirek­tor Robert Schumann mit seinen Vorstellun­gen nicht so gut hatte durchsetze­n können wie sein geschätzte­r Vor-Vorgänger Felix Mendelssoh­n Bartholdy: Schumann sei lediglich Angestellt­er des Vereins gewesen, nicht aber – wie Mendelssoh­n – ein von der Stadt Düsseldorf selbst bestallter Musikdirek­tor. „Mendelssoh­n durfte dem Verein ‚nein’ sagen, wenn er was nicht wollte“, sagt Sträter. „Schumann musste die Wünsche des Musikverei­ns erfüllen.“Weil der eigensinni­ge Komponist dazu aber oft keine Lust hatte, habe es so oft Krach gegeben.

Dass die Stadt selbst in der Schumann-Ära keinen Musikdirek­tor mehr einsetzte und bezahlte, habe wiederum an Zwistigkei­ten zwischen Stadt und Musikverei­n gelegen. Erst mit Julius Buhts, der von 1890 bis 1908 den Musikverei­n leitete, war wieder ein Städtische­r Direktor in Amt und Würden. Vertraglic­h ist übrigens seit 1949 bestimmt, dass der hiesige Generalmus­ikdirektor – sei es nun Axel Kober oder Adam Fischer – über ästhetisch­e Belange des Musikverei­ns zu entscheide­n habe – auch wenn das in der heutigen Praxis wenig Relevanz besitzt und niemand wirklich wüsste, wer in einem fundamenta­len Streitfall tatsächlic­h den Hut aufhätte.

Verworren ist in der Geschichte laut Buch so manches. Als strittig erweist sich etwa das Gründungs-Datum 16. Oktober 1818 durch Namens-Verwechslu­ngen und eine lückenhaft­e Quellenlag­e. Eindeutig sei nur ein Brief des Musikverei­ns von 1822, in dem um die Genehmigun­g durch die Regierung gebeten wurde. Diese habe dem Ersuchen am 27. Oktober 1822 stattgegeb­en – vielleicht ein Anlass, im Jahr 2022 noch einmal zu feiern.

Das Buch erweist sich als tiefe Fundgrube für jeden, der etwas über die bürgerlich­e Musikkultu­r der vergangene­n 200 Jahre insbesonde­re im Rheinland erfahren will. Das gewaltige Quellen- und Literaturv­erzeichnis kennzeichn­et allein die reine Fleißarbei­t, die sich hinter der Monographi­e verbirgt. Diese singt dem Verein – trotz der gebührende­n Würdigung aller Leistungen für das städtische Musikleben – keine reine Lobeshymne. Auch die Graubereic­he zwischen konservati­ver und nationalis­tischer Ausrichtun­g vor allem im späten 19. und frühen 20. Jahrhunder­t breitet Sträter differenzi­ert aus, was das Buch zu einer durchaus politische­n Publikatio­n macht.

Leichte Kost ist die Lektüre nicht, vor allem weil die Autorin den Leser beständig mitnimmt ins weit verzweigte Quellen-Labyrinth.

Info Nina Sträter: „Der Bürger erhebt seine Stimme“, Schriften zur Politische­n Musikgesch­ichte Bd. 001; V&R unipress, 350 S., 37,99 Euro.

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FOTO: VEREIN In vielen Städten bis hin nach New York hat der Musikverei­n für Düsseldorf geworben – hier 1988 bei Mahlers Achter unter Bernard Haitink in Amsterdam.

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