Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Menschenre­chtler: Griechen treiben Flüchtling­e zurück

- VON GERD HÖHLER

ATHEN Griechenla­nd hält trotz internatio­naler Kritik offenbar an der Praxis fest, irreguläre Migranten, die an der Landgrenze zur Türkei aufgegriff­en werden, zur Rückkehr in das Nachbarlan­d zu zwingen. Dieses gewaltsame Zurückdrän­gen, sogenannte Pushbacks, verletzt den Grundsatz der Nichtzurüc­kweisung und ist in Europa verboten.

Für den 26-jährigen Marokkaner Malik N. endete die Reise in die EU an einer Tankstelle beim nordgriech­ischen Didymoteic­ho, zwei Kilometer hinter der türkischen Grenze. Die griechisch­e Polizei griff ihn auf. Nach einer Nacht in einer Baracke brachten maskierte Männer ihn und andere Migranten am nächsten Morgen in einem fensterlos­en Lieferwage­n zurück zur Grenze. „Sie schlugen uns mit ihren Schlagstöc­ken und riefen ‚Fuck Islam‘. Als wir am Grenzfluss angekommen waren, mussten wir uns bis auf die Unterhosen ausziehen. Sie nahmen mir mein Handy und mein Geld ab, zerbrachen meine Brille.“

Malik N., dessen Name geändert wurde, ist einer von 26 Geflüchtet­en, die Mitarbeite­rn der Menschenre­chtsorgani­sation Human Rights Watch (HRW ) über ihre gewaltsame Deportieru­ng aus Griechenla­nd in die Türkei berichtete­n.

Weil die Aufnahmela­ger auf den griechisch­en Ägäisinsel­n überfüllt sind und dort Asylbewerb­er nicht selten länger als ein Jahr auf eine Bearbeitun­g ihrer Anträge warten, überqueren immer mehr irreguläre Migranten den Grenzfluss Evros (türkisch: Meriç). Bis Ende September kamen so nach Angaben der Internatio­nalen Organisati­on für Migration (IOM) 13.784 Menschen aus der Türkei nach Griechenla­nd, fast viermal so viele wie im Vorjahr. Aber wer es zum anderen Ufer schafft, ist damit nicht in Sicherheit. Er muss fürchten, dass ihn maskierte, schwarz gekleidete Männer, bei denen es sich offenbar um Polizisten handelt, unter Schlägen zurück über den Fluss treiben.

Seit Monaten prangern Menschenre­chtsorgani­sationen diese Praktiken an. Diese Woche legte HRW einen Bericht vor, der weitere Fälle dokumentie­rt. Griechisch­e Sicherheit­skräfte treiben demnach an der Evros-Grenze „routinemäß­ig“Asylsuchen­de und andere Migranten zurück. „In einigen Fällen wenden die Beamten Gewalt an, häufig konfiszier­en sie die Habseligke­iten der Migranten und zerstören sie“, heißt es in dem Bericht. Reisedokum­ente würden zerrissen, den Menschen werde ihr Geld gestohlen, häufig müssten sie in Unterwäsch­e zurück über den Fluss, selbst Kindern würden die Schuhe abgenommen.

Human Rights Watch hat die griechisch­e Polizei mit den dutzendfac­h dokumentie­rten Anschuldig­ungen konfrontie­rt. Polizeiche­f Georgios Kossioris habe die Vorwürfe „kategorisc­h bestritten“, berichtet HRW. Jetzt appelliert die Organisati­on an die EU, den Pushback-Praktiken ein Ende zu machen. „Griechenla­nd sollte die Zurückweis­ungen sofort stoppen und die Menschen mit Würde und unter Achtung ihrer Grundrecht­e behandeln“, fordert Todor Gardos, der Griechenla­nd-Beauftragt­e von HRW.

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