Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Alles eine Frage der Motivation
Leben und Arbeiten unter einem Dach: Düsseldorfer Unternehmen wie Trivago und Sipgate zeigen, wie es geht. Im Medienhafen sind hochmoderne Büros entstanden, in denen Individualität im Vordergrund steht.
Donnerstags um halb sechs probt der Chor. Dann legen Peter und Annie den Laptop zur Seite, steigen in den Aufzug in der neuen Trivago-Firmenzentrale im Düsseldorfer Hafen, fahren ein paar Etagen und toben sich musikalisch aus. Er ist Agile Coach, sie Country Developer beim Reise-Giganten. Und auf der Internetseite des Unternehmens erzählen die beiden gut gelaunt von ihrer kleinen Band Tintin-Trivago, von ihrer Leidenschaft für Musik und von Kollegen, die zu Freunden wurden. Und wer sich dann auf einen virtuellen oder realen Rundgang auf dem Trivago-Campus im Medienhafen macht, der entdeckt: Peter und Annie verkörpern die Firmenkultur. Das Büro wird zum zweiten Zuhause.
Bevor Trivago für den schmucken Neubau im Hafen die Architekten mit ins Boot holte, wurden die Mitarbeiter gefragt: Was sollte die neue Firmenzentrale bieten? Was ist wichtig für den Arbeitsalltag und für Lebensqualität? Was muss ein Büro bieten, um gerne und gut zu arbeiten? Auf rund 30.000 Quadratmetern brachten die Planer anschließend dann nicht nur klassische Büros unter, sondern originelle Themenräume für Konferenzen oder kleine Besprechungen. In einer überdimensionalen Müslischüssel können Mitarbeiter in riesigen Froot-Loops Platz nehmen und den Laptop auf den Beinen platzieren. Braune, gemütliche Ledersessel im „Wonderland“oder Sitzsäcke, Sonnenliegen oder Korbsessel in der „Grünen Lunge“: Das Unternehmen hat Raum geschaffen. Auf jeder Etage gibt es eine moderne Küche: Mitarbeiter, die das wollen, können sich hier gratis an frischem Obst, Müsli und Getränken bedienen. Kicker, Billard, Spielekonsolen, eine kilometerlange Laufstrecke auf dem Dach, ein Fitnesscenter im Bürokomplex, Restaurants statt Kantine:
Das Unternehmen hat offenbar viele Punkte auf der Wunschliste seiner Mitarbeiter erfüllt. Der Campus sei inspiriert durch das Silicon Valley hatte Peter Vinnemeier, einer der Trivago-Gründer, bei der Eröffnung im Oktober erklärt. Und wer dem anderen Trivago-Gründer Rolf Schrömgens zuhört, der versteht warum: „Ich glaube, dass es einfach Energie kostet, wenn man nicht bei sich selbst ist“, hat er mal erklärt und ergänzt: „Diese Energie kann man besser einsetzen.“Statt den Mitarbeitern den Weg schon vorzugeben, wolle er Motivation und Inspiration schaffen. Von finanziellen Anreizen hat sich Trivago gelöst. Die würden Mitarbeiter nicht wirklich motivieren, sind sich die Geschäftsführer einig – genauso wenig wie Titel oder Rollen. Stattdessen hat das Unternehmen kreative Freiheit geschaffen: Mitarbeiter entscheiden selbst über Arbeits- und Urlaubszeiten, bringen Ideen ein und suchen dann Mitstreiter.
Auf der „TechOpenAir“im vergangenen Jahr hat Schrömgens ein engagiertes Plädoyer für den Standort Düsseldorf gehalten. Sein Fazit: Das Problem Düsseldorfs sei es, dass Menschen für gewöhnlich nicht herkommen wollen. Das Gute sei, dass sie Düsseldorf in der Regel nicht mehr verlassen wollen. Rund 1900 Mitarbeiter arbeiten in der neuen Firmenzentrale, 80 Prozent von ihnen sind aus anderen Ländern rund um den Globus nach Düsseldorf gekommen.
Ein paar Meter weiter verfolgt ein anderes Düsseldorfer Unternehmen ein ähnliches Konzept. Der Internet-Telefonie-Anbieter Sipgate hat sich im Wettbewerb um Fachkräfte dank seiner Philosophie längst einen Namen gemacht. Sein Leitsatz: „Keine Titel, keine Manager, keine Abteilungen, keine Gehaltsverhandlungen, keine Angst und keine Überstunden. Stattdessen: Selbstverantwortung, Feedback, Lernen, Freiheit und Spaß. Das ist es, was uns glücklich und gleichzeitig besser macht.“
Und weil man sich bei Sipgate sicher ist, dass „gute Architektur gutes Denken“ermöglicht, setzt das Unternehmen ebenfalls auf individuellen Raum für individuelle Köpfe – auf Sitzkissen und Hängematten, flauschige Teppiche, Kicker und Skateboards und auf viel Raum für Kommunikation. Ihre Philosophie in Zahlen: acht Bürohunde, 70 Bartträger, 3000 Quadratmeter Gesamtfläche, 150 Mitarbeiter, 1300 Post-Its pro Tag. Es gibt ein Restaurant statt Kantinenessen, und jeder Mitarbeiter bekommt sein eigenes Porträt im Flur, für das Künstler Cornelius Quabeck in den Hafen kommt.
Kürzlich haben die Mitarbeiter von Sipgate ihren zweiten Band mit Work Hacks veröffentlicht – mit 18 Tipps aus dem Arbeitsalltag. „Was passiert, wenn Teams ihre neuen Kollegen selbst einstellen? Was, wenn alle ihre Fortbildungen selbst aussuchen? Und wenn es keine Manager gibt, sondern alle führen?“fragen die Mitarbeiter in dem Buch ihre Leser. Ihre Antwort lautet: „Wundervolle Dinge.“