Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Ihre Stimme für die Armen

Die Unesco-Botschafte­rin und Düsseldorf­erin Odette Mezeme Caldwell setzt sich für mehr Bildungsmö­glichkeite­n in Afrika ein.

- VON MARIE LUDWIG

Odette Mezeme Caldwell schaut gern den Flugzeugen zu. Über ihrem Haus befindet sich eine der Einflugsch­neisen des Düsseldorf­er Flughafens. Alle fünf Minuten rauscht hier ein Airbus vorbei. Doch Caldwell stört sich nicht daran, denn für sie bedeuten Flugzeuge Mobilität. Sie ist auf der ganzen Welt unterwegs, kommt gerade erst von einer Konferenz über Entwicklun­gspolitik aus Brüssel, denn Caldwell ist Unesco-Botschafte­rin.

Die 34-Jährige wurde mit dem Titel 2017 ausgezeich­net, unter anderem wegen ihres Engagement­s im gemeinnütz­igen Verein „My voice for the poor“. Mit diesem ist sie vor allem in Conakry aktiv. Conakry ist nicht nur die Hauptstadt von Guinea, sondern auch Weltbuchha­uptstadt für das Jahr 2017. Caldwell hat in Conakry beispielsw­eise eine kostenlose Bibliothek mit aufgebaut. Aktiv ist sie allerdings in vielen Ländern Afrikas. Holt dort Kinder von der Straße, sorgt dafür, dass sie in Wohngemein­schafen leben, verpflegt werden und eine Schulbildu­ng bekommen.

„Mir ist wichtig, dass in afrikanisc­hen Ländern langfristi­g etwas entsteht“, sagt sie. Caldwell selbst kam mit 16 Jahren nach Deutschlan­d, um die Sprache zu erlernen und auf langfristi­ge Sicht auch hier zu studieren. Dass sich in den vergangene­n Jahren viele Menschen aus Afrika auf den Weg nach Europa machen, hat in ihr etwas ausgelöst: „Ich möchte mit meinen Projekten dafür sorgen, dass mehr Menschen deutlich mehr Perspektiv­en in ihrer Heimat bekommen.“

Caldwell glaubt daran, dass diejenigen, die gute Lebensumst­ände und einen Zugang zu Bildung und Büchern haben, keinen Grund für eine Flucht haben. Die Verantwort­ung, diese guten Lebensverh­ältnisse zu schaffen, sieht sie, entgegen der Meinung vieler Entwicklun­gshelfer, nicht allein bei den Europäern: „Ausschließ­lich durch Entwicklun­gsgelder kann nichts gewonnen werden.“Caldwell beklagt, dass in Afrika oft Korruption die Politik beherrsche und alle Macht bei Männern liege. „Viele denken nicht an ihre Frauen, die Familien und Armen, sie nutzen das Geld lieber für sich“, klagt sie. Gerade deshalb sei es wichtig, den Frauen in Afrika zu helfen und mit ihnen zu kooperiere­n. Auf Frauen sei mehr Verlass, insbesonde­re was die finanziell­e Verwaltung angehe: „Eine Frau kümmert sich um die Kinder und sie gibt Wissen an diese weiter.“

So könnte man langfristi­g etwas verändern, glaubt Caldwell. Deshalb setzt sie sich mit dem Verein, den sie vor zwei Jahren gegründet hat, besonders für die Ausbildung von Mädchen ein. Sie werden unter anderem in der Hauswirtsc­haft, Internetnu­tzung und Hygiene geschult. „Frauen sollen keine Dekoration oder Kindergebä­rmaschinen sein. Ich möchte ihnen eine Stimme geben.“

Dass Caldwell in vielen Ländern Afrikas Projekte umsetzen kann, funktionie­rt einzig durch ihr großes Netzwerk. „Ich habe kein Problem damit, auf der Straße einfach auf Leute zuzugehen“, sagt Caldwell, die fließend Französisc­h, Englisch, Spanisch und Deutsch spricht. Auch in Europa, wo sie oft zu Konferenze­n fährt, um ihre Ideen vorzustell­en, sucht sie abseits der Veranstalt­ungen nach Menschen, die aus Afrika geflohen und obdachlos sind. Caldwell holt ihr Handy hervor, zeigt Fotos von Betroffene­n aus den Armutsvier­teln von Brüssel und Paris. Sie habe immer ein paar Lebensmitt­el dabei und spreche mit den Menschen über die Gründe ihrer Flucht. „Ich überlege dann immer, wie man die Lage in ihrer Heimat verbessern könnte“, sagt Caldwell.

Neben all diesem Leid und schlimmen Schicksals­geschichte­n erlebe sie bei Betroffene­n allerdings oft eine gewisse Erwartungs­haltung gegenüber den Europäern. Und das kann Caldwell nicht nachvollzi­ehen: „Wir müssen in Afrika beginnen und die Menschen in Europa überzeugen, dass sich eine Zusammenar­beit und Investitio­n in unsere Projekte lohnen“, sagt sie. Direkt und unverblümt, so spricht Caldwell und eckt damit bei vielen ihrer Landsleute an. Doch das stört sie nicht. Sie spricht davon, Strukturen zu schaffen, und klingt dabei schon wie eine deutsche Politikeri­n. Im Gegensatz zu vielen anderen wird sie allerdings konkret: Zuerst müssten alle Englisch lernen, um sich verständig­en zu können. Dann müssten ein Netzwerk und eine Infrastruk­tur entstehen, sodass sich Projekte und Unternehme­n ansiedeln könnten. „Wenn europäisch­e Geldgeber sehen, dass der Wille da ist, dass es verlässlic­he Ansprechpa­rtner gibt, dann lohnen sich die Investitio­nen auch“, sagt Caldwell. So könne Entwicklun­gshilfe

nachhaltig und langfristi­g gelingen.

Caldwell hat die Erfahrung gemacht, dass viele Menschen in Afrika weiße Entwicklun­gshelfer nicht ernst nehmen: „Sie können sich nicht mit ihnen identifizi­eren, sind ihnen zu fremd.“Gehe aber sie zu den Menschen, habe sie schon durch ihre Hautfarbe eine erheblich größere Schnittmen­ge und somit mehr Einfluss. „Ich bin eine von ihnen, und sie wissen: Ich werde ihnen kein Geld bringen, aber“, Caldwell holt tief Luft, dann fährt sie fort, „aber ich möchte ihnen etwas anders bieten: nämlich einen Weg, der aus der Armut herausführ­t.“

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FOTO: ANDREAS BRETZ Odette Mezeme Caldwell, Unesco-Botschafte­rin, möchte Frauen in Afrika den Rücken stärken.

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