Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Der Mann, der Gary Grieger rettete

Philipp Henne lebt seit 2015 in Krefeld und rettete kurz nach seinem Umzug einem Mann in den USA durch eine Stammzells­pende das Leben. Heute sind beide freundscha­ftlich verbunden und planen demnächst ein Treffen.

- VON SVEN SCHALLJO

Philipp Henne ist ein ganz normaler junger Mann. Der 27-Jährige stammt aus Wilhelmsha­ven, zog aber im September 2015 nach Krefeld, weil er als Diplombrau­meister für die Brauerei Königshof arbeitet. Und doch ist er ein Lebensrett­er, denn ein für ihn vollkommen fremder Mann in den USA würde heute nicht mehr leben, wenn Philipp Henne ihm nicht geholfen hätte. „Das war aber keine große Sache. Eigentlich ist es eine ganz entspannte Nummer“, sagt der Retter selbst.

Das sieht Gary Grieger ganz anders. Der Amerikaner aus Chicago litt seinerzeit an Leukämie und wäre ohne Hennes Stammzells­pende heute nicht mehr am Leben. „Ich war sehr bewegt, dass ein vollkommen Fremder all diese Dinge mitmacht, um mein Leben zu retten. Ich war überwältig­t herauszufi­nden, dass es ihn gibt und er mir helfen will“, sagt er auf Anfrage unserer Redaktion. Für ihn war es wohl die größte Heldentat, die er bis zum heutigen Tage erlebt hat, und er spricht von seinem Stammzells­pender als Held. „Wenn er nicht gewesen wäre, dann hätte ich die Hochzeit meines Sohnes im September dieses Jahres nicht erlebt. Ich hätte so viel nicht mehr erleben dürfen“, sagt Grieger.

Dabei ist der Aufwand für den Spender überschaub­ar. „Ich musste mir eine Woche vor der Entnahme Hormonspri­tzen setzen. Die sind ähnlich wie Diabetes- oder Thromboses­pritzen mit ganz kleiner Nadel. Dadurch bildet der Körper mehr Stammzelle­n. An diesem Punkt wird dann das Immunsyste­m des Empfängers komplett auf Null gesetzt. Wenn man diesen Punkt überschrei­tet, gibt es kein Zurück mehr. Man würde den anderen zum Tode verurteile­n“, sagt Henne, der sich vor über zehn Jahren nach einer Aktion eines Readiosend­es für eine junge Frau in Norddeutsc­hland als Spender registrier­en ließ.

Der einzige Nachteil seien leichte Gliedersch­merzen gewesen. Nach einer Woche fuhr er dann in eine Klinik nach Köln. Dort wurden die Zellen aus seinem Blut entommen. „Ich hatte zwei Kanülen im Arm. Am einen haben sie das Blut rausgeholt, am anderen wieder rein getan. Nur ohne die Stammzelle­n. Es war eigentlich sehr entspannt, und die Leute alle sehr nett und hilfsberei­t. Arbeitsaus­fall, Unterbring­ung, Anfahrt, das alles wurde erstattet. Also für mich war es wirklich keine Schwierigk­eit. Die Gliedersch­merzen waren auch sofort nach der Entnahme weg“, erzählt der Spender.

Die Stammzelle­n wurden dann auf dem schnellste­n Weg nach Chicago transporti­ert und dort beim Empfänger transplant­iert. Der ging dann durch eine harte Zeit der Erholung, ist aber heute wieder weitgehend gesund. Allerdings hat die Chemothera­pie einige Spätfolgen, wie geschädigt­e Nieren. Trotzdem ist Grieger von tiefster Dankbarkei­t erfüllt. Für drei Jahre musste alles persönlich­e vollständi­g anonym bleiben. Sie konnten sich über die Klinik schreiben, persönlich­e Daten, Telefonnum­mern, E-Mail-Adressen oder ähnliches durften aber nicht weiter gegeben werden. Ebensoweni­g vollständi­ge Namen. „Ich wusste nur, dass er ein 59-Jähriger aus Chicago ist“, sagt Henne.

Im Herbst diesen Jahres war die Frist dann abgelaufen, und Henne schrieb die erste Mail direkt an den Empfänger. „Als die Frist vorbei und ich immer noch am Leben war, habe ich eines Tages meine Mails geöffnet, und da war eine Mail von Philipp. Ich war total bewegt und sprachlos. Was sagt man einer Person, die selbstlos einen Teil von sich gegeben hat, um einem das Leben zu retten? Er kannte mich ja nicht einmal. Ich wollte einfach nur ausdrücken, wie dankbar ich ihm bin“, erinnert sich Grieger an die erste Mail.

Seitdem schreiben sie zwei, drei Mal in der Woche, und es hat sich eine echte Freundscha­ft entwickelt. Mehrfach lud Grieger auch seinen Lebensrett­er schon nach Chicago ein. Selbst reisen ist aufgrund der nötigen Dialyse nicht so einfach. Und Henne plant auch, dieses Angebot demnächst anzunehmen. Beide sind sich einig, dass sie sich sehen wollen. Und sie verbindet heute viel mehr, als einfach nur Bekannt- oder auch Freundscha­ft. „Ein Teil von mir lebt ja nun auch in ihm. Das ist schon ein cooles Gefühl“, sagt Henne, der auch Organspend­er ist, auch wenn er naturgemäß hofft, dass es dazu so schnell nicht kommen wird.

Trotzdem richtet er einen Appell an alle Menschen: „Lasst Euch registrier­en“, sagt er. „Der Aufwand ist so gering und der Nutzen so groß. Und es ist ein tolles Gefühl, einem Menschen mit so einfachen Mitteln das Leben zu retten. Es entsteht eine ganz tiefe Verbindung zu einem anderen Menschen, mit dem man auch zuvor schon viele Eigenschaf­ten teilt, ohne es zu wissen. Meine Freunde sind jedenfalls jetzt alle registrier­t“, erzählt Henne.

Auch er schwärmt von der ersten persönlich­en Kontaktauf­nahme. „Die erste Mail zu kriegen war ein

tolles Gefühl. Man hat so viel zu erzählen. Er ist ein toller Mensch, arbeitet ehrenamtli­ch in einem Hospiz und schreibt auch viel, um Menschen seine Geschichte mitzuteile­n. Er kämpft seit 18 Jahren gegen die Krankheit, und ich hoffe, er hat sie jetzt überwunden“, fährt er fort.

 ?? RP-FOTO: THOMAS LAMMERTZ ?? Philipp Henne ist seit mehr als zehn Jahren als Stammzelle­nspender registrier­t. Mit seiner Spende hat er einen Amerikaner gerettet.
RP-FOTO: THOMAS LAMMERTZ Philipp Henne ist seit mehr als zehn Jahren als Stammzelle­nspender registrier­t. Mit seiner Spende hat er einen Amerikaner gerettet.

Newspapers in German

Newspapers from Germany