Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Pfarrer Uwe Vetter
Zu Heiligabend in der Kirche erwartet uns die Weihnachtsgeschichte. Man kennt sich, und doch hat es immer noch einen Zauber, wenn es heißt „Es begab sich aber zu der Zeit“. Da erwachen Kindheitserinnerungen an eigene Krippenspielkarrieren. Und doch ist die Zeit vergangen. Das Herzklopfen von damals gehört jetzt den Kindern. Den Erwachsenen ist die „Freudenbotschaft“sehr ernst geworden. Das weihnachtliche „Friede-auf-Erden“hat sich zur Mahnung verfestigt, zum Stichwort der Nachrichtenblocks aus weltweiten Unfriedensgeschichten von der Heiligabendkanzel.
Dann geschieht ein Wunder. Wer sich in die alten Verse und Charaktere des heiligen Mysterienspiels vertieft, merkt, wie sie einem näher rücken. Ehe man sich versieht, unterschreitet die Weihnachtsgeschichte den Sicherheitsabstand, den man gerne zu ihr wahrte. Sie wird persönlicher, aufregender, als einem lieb ist. Es braucht schon den Mut der ersten Reihe, etwa dem Herodes aus kurzer Entfernung ins Gesicht zu schauen, als der zu Weihnachten eine Bescherung erlebt, die ihn völlig aus der Fassung bringt. Sein Nachfolger sei geboren, heißt es, ein richtiger „Star“, der Christkönig in Bethlehem, der Herodes beerben wird. Noch liege er als Windelkind in einer Krippe, aber schon jetzt hingen an ihm alle Hoffnungen, von denen der amtierende König nicht eine erfüllte. Herodes hat wenig Wohlgefallen, als er von dem Menschen erfährt, der er selbst so gern gewesen wäre. Wie würde unsereins reagieren, wenn man in den Menschen hineinliefe, der man selbst gern geworden wäre? Wie macht man Frieden mit sich selbst, jäh konfrontiert mit all den Träumen, Idealen und Hoffnungen, die man als Kind einst hegte? „Frieden in Menschen (des göttlichen) Wohlgefallens“verspricht des Herrn Engel in der Weihnachtsgeschichte. Man stelle sich vor, dieser Frieden holte all jene ein, die zu Heiligabend in der Kirche sitzen – würden sie sich dann mit anderen Augen sehen, würden sie anders weitermachen? Es ist Weihnachten, das Herzklopfen ist wieder da.
Uwe Vetter, Leitender Pfarrer an der Johanneskirche