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Lassen sich Moscheen steuern?

Die neue Debatte über eine Moscheeste­uer ist von der Erwartung begleitet, die Muslime in Deutschlan­d von ausländisc­hen Einflüssen zu befreien. Doch die Wirklichke­it ist komplexer. Auch bei Christen.

- VON GREGOR MAYNTZ

Die Idee scheint auf den ersten Blick verblüffen­d einfach zu sein. Wenn religiöse Gemeinscha­ften in Deutschlan­d nicht mehr von, sagen wir: Saudi-Arabien aus finanziert werden, sondern der deutsche Staat über die Kirchenste­uer ihre Finanzieru­ng sicherstel­lt, dann werden die Muslime auch nicht mehr von, sagen wir: Saudi-Arabien, bevormunde­t. Dann wird dort nicht mehr entschiede­n, was in Deutschlan­d geglaubt werden muss und wer hier das Sagen hat. Bei dieser jüngsten Debatte über die mit einer Moscheeste­uer verknüpfte­n Erwartunge­n muss man jedoch lediglich „Saudi-Arabien“durch „Rom“und „Muslime“durch „Katholiken“ersetzen, und die These von der durch Kirchenste­uer garantiert­en Unabhängig­keit hat sich weitgehend erledigt. Über Bischofser­nennung und Glaubensin­halte entscheide­t immer noch der Papst.

Dabei ist das, was die Finanzämte­r bei den Katholiken über deren Steuerbesc­heide eintreiben, mehr als beachtlich. Im letzten Jahr zog der Staat bei 22,7 Millionen Katholiken mehr als 6,4 Milliarden Euro ein, bei 21,5 Millionen Protestant­en über 5,6 Milliarden Euro. Gegen eine Bearbeitun­gsgebühr zwischen zwei und vier Prozent reicht es der Staat an die Kirchen weiter, die davon ihre Geistliche­n, Kirchen und den gesamten Apparat finanziere­n.

Dagegen sind die muslimisch­en Gemeinden zumeist klamm, da sie auf freiwillig­e Spenden angewiesen sind. Zu einem großen Teil werden Hunderte Ditib-Gemeinden auch von der Türkei aus finanziert, organisier­t und gesteuert. Der Einfluss auf Millionen muslimisch­e Gläubige ist damit vielen suspekt, die in Kirchenste­uer-Kategorien denken und somit von einer Moscheeste­uer viele wundersame Wirkungen erwarten.

Doch anders als bei katholisch­en und evangelisc­hen Christen gibt es für Muslime keine klar identifizi­erbaren Verantwort­lichen in hierarchis­ch aufgebaute­n Organisati­onen. Wie könnte es auch von allen anerkannte Autoritäte­n geben, wenn der Islam von blutigen Konflikten zwischen sunnitisch­en und schiitisch­en Muslimen geprägt wird. Es ist auch nicht so einfach für einen Muslim, sich per Rechtsakt aus seiner Religionsz­ugehörigke­it zu verabschie­den, wie Katholiken und Protestant­en das mit Blick auf die Kirchenste­uer tun. Nach Schätzunge­n gehören nur zwischen zehn und 20 Prozent der Muslime in Deutschlan­d auch per persönlich­er Mitgliedsc­haft einer Moscheegem­einde an.

Jüdische Gemeinden zeigen indes, wie sie Kirchenste­uern bekommen können, ohne Strukturen wie die christlich­en Kirchen aufzuweise­n: Sie beantragen die Anerkennun­g als Körperscha­ft des öffentlich­en Rechts. Und wenn sie diesen Status nach Prüfung durch die Behörden erlangt haben, haben sie Zugriff nicht etwa auf eine Synagogens­teuer, sondern auf die Kirchenste­uer. „Das wäre natürlich auch für uns eine Möglichkei­t“, sagt Aiman Mazyek, dessen Zentralrat der Muslime in Deutschlan­d folglich „grundsätzl­ich offen“der Debatte über eine Moscheeste­uer gegenübers­teht.

Aber der Zentralrat vertritt – wie viele andere Organisati­onen und Dachverbän­de – nur einen kleinen Teil der Muslime in Deutschlan­d. Andere haben bereits abgewinkt. Burhan Kesici, Chef des Islamrates, fasst die Bedenken in der Feststellu­ng zusammen, dass die Moscheeste­uer kein Wunsch der Muslime sei und die Politiker damit versuchen wollten, den Muslimen vorzuschre­iben, wie sie sich zu organisier­en hätten. „Das finden wir nicht in Ordnung.“

Dagegen sieht FDP-Religionsp­olitiker Stefan Ruppert darin eine Chance für gelingende Integratio­n. Wenn islamische Gemeinden sich als Körperscha­ften des öffentlich­en Rechts anerkennen ließen, müssten sie dafür einen gewissen Organisati­onsgrad, Aiman Mazyek Vorsitzend­er Zentralrat der Muslime eine Mindestgrö­ße und die Treue zur Verfassung nachweisen. Ähnlich argumentie­rt Unions-Religionsb­eauftragte­r Hermann Gröhe. Und er verweist darauf, dass jeder Bischof bei seiner Ernennung auch die Rechtstreu­e in Deutschlan­d bekundet. Ein „uneingesch­ränktes Ja zu unserer Rechtsordn­ung“wäre damit auch der Vorzug einer Moscheeste­uer. „Ich finde es wichtig, dass deutsche Staatsange­hörige muslimisch­en Glaubens eine religiöse Eigenständ­igkeit und Unabhängig­keit haben“, unterstrei­cht der CDU-Politiker.

Einen anderen Aspekt hat Grünen-Religionsp­olitiker Konstantin von Notz im Sinn. Das deutsche Staatskirc­henrecht habe sich seit Jahrzehnte­n bewährt und garantiere die Selbstbest­immung der Religionsg­emeinschaf­ten. Damit denkt er insbesonde­re an „problemati­sche politische Einflussna­hme aus Ländern wie der Türkei oder den Golfstaate­n. Zuweisunge­n aus den Golfstaate­n an radikale Moscheen in Deutschlan­d will die Bundesregi­erung nach einem Bericht von WDR, NDR und „Süddeutsch­er Zeitung“künftig besser kontrollie­ren – die Länder sollen beabsichti­gte Spenden oder staatliche Zuwendunge­n zuvor dem Auswärtige­n Amt melden.

Gerade nach den jüngsten Spendenakt­ionen zu Weihnachte­n in den katholisch­en Kirchen für die Glaubensbr­üder gibt es aber auch Stimmen, die davor warnen, die Finanzieru­ng aus dem Ausland als alleinige Richtschnu­r der Steuerdeba­tte zu sehen. Der chinesisch­en Regierung sind Geldflüsse von Christen aus dem Westen zu Christen in China ebenfalls ein Dorn im Auge.

Einflussre­iche Muslime wie Mazyek oder die Berliner Moscheegrü­nderin Seyran Ates bevorzugen eine in ihrem eigenen Glauben und nicht im deutschen Körperscha­ftsrecht angelegte Finanzieru­ng: Das ist die vierte Säule des Islam, genannt Zakat, wonach Gläubige 2,5 Prozent des ruhenden Kapitals als soziale Pflichtabg­abe anzusehen haben. Hier kann sich Mazyek eine positive Rolle des Staates vorstellen, etwa indem er Anreize schafft, für eine Moscheesti­ftung zu spenden, und diese organisato­risch unterstütz­t.

„Das wäre natürlich auch für uns eine Möglichkei­t“

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